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2001: Das Jahr der Katerstimmung

Pleitewelle, Dotcom-Tod, GPRS-Regelbetrieb, DSL-Ausbau und der 11. September
Von Marie-Anne Winter

Nach dem Boom-Jahr 2000, in dessen zweiter Hälfte allerdings die so genannte Dotcom-Blase zu platzen begann, kann man das folgende Jahr 2001 rückblickend getrost als das Jahr der Katerstimmung bezeichnen. Die Internet- und Telekommunikations-Euphorie wich grauer Ernüchterung, weil viele Geschäftsmodelle, in die man im Überschwang viel Geld investiert hatte, nicht funktionierten. Doch nicht nur windige Geschäftsideen gerieten in den Strudel der allgemeinen Depression - es traf auch eine Reihe keineswegs virtueller Telekommunikationsunternehmen. Ein aufsehenserregender Fall in Deutschland war die Abschaltung von TelDaFax, eines der ersten Unternehmen, die im liberalisierten Festnetzmarkt antraten. Doch es traf auch andere, etwa Star Telecom, One.Tel, Atlantic Telecom und Internetanbieter wie Callino. Die Pleitemeldungen wurden zur Routine, so dass teltarif 2001 mit "Der Nächste bitte..." titelte.

Doch es traf nicht nur die Großen, auch zahllose kleine Anbieter mussten wieder aufgeben. Und auch an Unternehmen wie teltarif ging diese Pleite-Welle in der ITK-Branche nicht spurlos vorüber. Plötzlich wurde die Abkehr von der eben noch gefeierten Kostenlos-Kultur im Internet gefordert.

Mobilfunk: Exklusiver Cappuccino, GPRS und Multimedia

Was den Mobilfunk betrifft, war der Start des eigens für den Erwerb einer UMTS-Lizenz gegründeten Unternehmens Quam symptomatisch für das Jahr 2001: Trotz erheblicher Anlaufschwierigkeiten konnte der als "Deutschlands exklusivste Cappuccino-Bar" verspottete Newcomer innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Kunden überzeugen. Trotzdem verschwand Quam kaum ein Jahr später in den Annalen der Mobilfunkgeschichte.

Als erfolgreicher erwies sich eine ganz andere Neuerung, die im Jahr 2001 endlich Einzug in die deutschen Mobilfunknetze hielt: GPRS. Der General Packet Radio Service erhöhte die Geschwindigkeit für Datenübertragungen in den Mobilfunknetzen von bisher schlappen 9,6 kBit/s bis 14,4 kBit/s auf 53,6 kBit/s - was damals als "Highspeed im mobilen Internet" galt. Im Laufe des Jahres ging GPRS bei allen deutschen Netzbetreibern in den Regelbetrieb, erste GPRS-Handys waren das Motorola Timeport P7389i oder das R600. Nokia stellte im November 2001 sein erstes Multimedia-Messaging-Handy vor: Das Nokia 7650 mit Kamera, Bluetooth und MMS-Funktion. Man ging damals davon aus, dass der überaus erfolgreiche Short Message Service (SMS) bald durch Multimedia-Nachrichten abgelöst würde, sofern nur die entsprechenden Geräte dafür vorhanden wären. Zwar gibt es heute kaum noch Handys, die MMS nicht unterstützen, versendet werden aber nach wie vor hauptsächlich SMS - und das, obwohl sie in der Regel noch immer nicht besonders günstig sind.

Bei UMTS war die Katerstimmung in der Branche besonders spürbar - die hohen Kosten für die Lizenzen drückten und der Netzaufbau erwies sich als komplizierter und teurer als erwartet. Wenn auch der neue Regulierungs-Chef Matthias Kurth das Gejammer der Mobilfunker über die hohen Lizenz-Kosten übertrieben fand. Weit vor der Einführung des neuen Mobilfunkstandards wurden aber die eigentlich für UMTS vorgesehenen Rufnummerngassen geöffnet, weil die verfügbaren Mobilfunk-Nummern langsam knapp wurden. T-Mobil nahm die Rufnummerngasse 0151 in Betrieb, D2 Vodafone aktivierte die 0152 für Telefonnummern, die mit der Zahl 0 beginnen.

DSL: Schnelles Internet und lange Wartezeiten

Nach der Einführung von Kampfangeboten im Jahr zuvor war DSL auch im Jahr 2001 sehr begehrt: Die Deutsche Telekom konnte den zweimillionsten T-DSL-Kunden begrüßen.

Weniger gut lief das DSL-Geschäft bei den Wettbewerbern. Wer versuchte, den langen Wartezeiten für T-DSL bei der Deutschen Telekom zu entgehen, indem er sich an einen Konkurrenten wandte, etwa an Arcor, hing genauso in der Warteschleife. Gerade im Osten Deutschlands scheiterte der DSL-Ausbau häufig an den Glasfaserkabeln, die dort bis ins Haus verlegt wurden.

Dort, wo DSL verfügbar war, versuchten neue Internetprovider wie Synnet Internet Services [Link entfernt] ihr Glück. Voraussetzung für die Nutzung dieser Angebote war ein DSL-Anschluss bei der Deutschen Telekom. Mit Sync-City DSL beispielsweise konnte man für 25,90 Mark im Monat zeitlich unbegrenzt surfen, der enthaltene Traffic war aber auf heute lächerlich anmutende 500 Megabyte pro Monat beschränkt.

Festnetz: Erste Kombi-Produkte

Eingeführt wurden auch Kombiprodukte aus ISDN-Anschluss und Internetzugang, etwa bei Versatel. In der monatlichen Grundgebühr von 99,90 Mark war die Internet-Flatrate schon enthalten. Im Ortsnetz wurden in der Hauptzeit 5,9 Pfennig pro Minute, in der Nebenzeit 2,9 Pfennig pro Minute in der Nebenzeit berechnet. Ferngespräche ins deutsche Festnetz kosteten zur Hauptzeit 7,9 Pfennig und ansonsten 4,9 Pfennig pro Minute.

Bei den Call-by-Call-Anbietern sanken die Preise ebenfalls, bei One.Tel beispielsweise konnte man zwischen 18 und 22 Uhr für 3,5 Pfennig pro Minute telefonieren. Der Haken: Es wurden 4-Minuten-Einheiten abgerechnet. "Extremist" im Bereich der langen Abrechnungstakte war allerdings VarTec, der zwar Auslandsgespräche für 5 Pfennig anbot, aber jeweils mindestens 20 Minuten abrechnete.

Die Telekom will die Leitung nicht teilen

Im Jahr 2001 verkündete die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (heute Bundesnetzagentur) wiederholt, für mehr Wettbewerb im Ortsnetz sorgen zu wollen - hier verfügte die Deutsche Telekom noch immer über einen Marktanteil von rund 98 Prozent. Im Mobilfunk erreichten die Wettbewerber der Telekom bereits 70 Prozent und im Gesamtmarkt 40 Prozent der Umsatzerlöse. Es sollten aber noch Jahre vergehen, bis die freie Anbieterwahl im Ortsnetz kam - auch wenn Telediscount einen Erfolg verbuchen konnte: Das Landgericht Köln wies einen Antrag der Deutschen Telekom auf eine einstweilige Verfügung gegen Telediscount ab. Das Gericht sah den Umstand, dass bisher noch kein anderer Wettbewerber auf den Gedanken gekommen war, über die Rufnummer 0190 Call by Call im Ortsnetz anzubieten, nicht als wettbewerbswidriges Verhalten an.

Ein anderer Engpass war die TAL, auch "letzte Meile" genannt. Auch wenn die Zahl der vermieteten Teilnehmeranschlussleitungen kontinuierlich stieg - zum Jahresende 2001 auf 600 000 - waren die Wettbewerber mit der Situation unzufrieden. Für reine Internetanbieter wurde im Verlauf des Jahres das so genannte Line Sharing zumindest formal möglich - hier kann der DSL-Anbieter sich die Anschlussleitung mit der Telekom teilen, ohne sie komplett mieten zu müssen. Weil aber noch Preise festgelegt werden mussten, ging es dann doch erst 2002 los.

Was sonst noch geschah

Tk-Statistik Deutschland 2001
Festnetzanschlüsse 39,7 Mio.
Anteil der Festnetzanschlüsse
bei Wettbewerbern
der Deutschen Telekom
1,8 %
Mobilfunk-Anschlüsse 56,2 Mio.
Breitbandanschlüsse 2,0 Mio.
Verbindungsminuten
Mobilfunk pro Tag
78 Mio.
Quellen: teltarif.de, VATM
Im Jahr 2001 ging sang- und klanglos die Epoche der ISDN-Bildtelefone zuende. Die 1997 eingeführten und mit 1 000 Mark pro Gerät auch teuren Telefone hatten sich schlecht verkauft. Angesichts von wesentlich günstigeren Software-Lösungen waren die Geräte wie das T-View 100 nicht mehr konkurrenzfähig.

Dem Satellitenhandynetz Iridium wurde mit Hilfe des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums und des Boeing-Konzerns neues Leben eingehaucht. Die Vermarktung von Iridium begann im April 2001.

Und schließlich wurde mit den Anschlägen vom 11. September 2001 deutlich, dass sich die reichen und hochentwickelten Industrienationen des Westens zu lange in einer trügerischen Sicherheit gewiegt hatten: Mit modernen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln sind nicht nur Freunde, Sonne und Urlaub, sondern auch Terror und Krieg nicht mehr weit weg. Ein paar Handvoll zum Sterben bereiter Fanatiker konnten mit entführten Zivilflugzeugen auf dem Boden der mächtigsten Nation der Erde ein Inferno anrichten. Und nicht nur das World Trade Center brach zusammen, sondern auch sämtliche Telefon- und Handynetze in und um New York. Selbst Newsserver in Deutschland waren in den Stunden und Tagen nach dem Anschlag kaum zu erreichen.

Die Folgen dieser Anschläge sind noch heute überall spürbar, ob es die zeitraubenden Kontrollen auf den Flughäfen sind, neue Reise- und Gepäckbestimmungen oder gesetzliche Regelungen wie die Online-Durchsuchung, die Überwachung von Telefongesprächen oder die Vorratsdatenpeicherung.