Apple im Wandel

Apple ein Jahr ohne Steve Jobs: Nichts ist, wie es war

Tim Cook regiert Apple mit größerer Offenheit
Von Steffen Herget mit Material von dpa

"Mit Steve Jobs wäre das nicht passiert!", lautet das Leitmotiv vieler Kommentare zu Apples Debakel mit dem fehlerbehafteten eigenem Kartendienst. Selbst die New York Times ließ sich zu der Frage hinreißen, ob der legendäre Firmengründer wohl die falschen Adressen-Markierungen und zerknüllten 3D-Bilder toleriert hätte. Die aktuelle Debatte um den seltenen Apple-Fehltritt belegt, wie groß die Jobs-Nostalgie ein Jahr nach seinem Tod, der wahre Schockwellen durch die Industrie sowie die Fangemeinde ausgelöst hatte, ist - und dass Erinnerung verklärt: Denn auch unter dem von Spöttern gerne auch als "iGod" bezeichneten Konzernchef lief bei weitem nicht alles rund.

Auf Steve Jobs folgte Tim Cook Auf Steve Jobs folgte Tim Cook
Bild: Apple, Montage: teltarif.de
So versiebte Apple 2008 den Start des Cloud-Speicherdienstes MobileMe durch massive technische Probleme. Der für seine Wutausbrüche berüchtigte Jobs tobte und tauschte kurzerhand die Führung des MobileMe-Teams aus. Zwei Jahre später folgte das Antennagate: Vor allem US-Nutzer klagten massenhaft über Empfangsprobleme beim iPhone 4 mit der ungewöhnlichen Design-Lösung, die Antennen in einem Metallring an der Außenkante unterzubringen.

Damals dauerte es mehrere Wochen, bis Apple auf die wie ein Schneeball anwachsende Kritik reagierte: Jobs lud zu einer Pressekonferenz, in der er dann jedoch das iPhone verteidigte und angebliche Schwächen von Konkurrenzgeräten anprangerte. Die aufgeregten Kunden wurden schließlich mit einer kostenlosen Schutzhülle für das iPhone besänftigt, das alternative Angebot zur Rücknahme des iPhones wurde dem Vernehmen nach kaum genutzt. Bei den aktuellen Karten-Problemen reagierten die Jobs-Nachfolger viel schneller. Apple gelobte schon nach einem Tag Besserung. Und eine Woche später folgte ein öffentliches "Sorry" des neuen Konzernchefs Tim Cook, gepaart mit der außergewöhnlichen Ermutigung, vorerst ruhig mal auf Konkurrenzdienste etwa von Google oder Nokia umzusteigen.

Apple öffnet sich unter Tim Cook

Diese größere Offenheit ist der auffälligste Unterschied zwischen dem Apple der Jobs-Ära und der Handschrift seines Nachfolgers Cook. Nach abermaligen Vorwürfen der Ausbeutung chinesischer Arbeiter beim Auftragsfertiger Foxconn ließ der Konzern erstmals externe Prüfer in die Betriebe und veröffentlichte eine Liste aller Zulieferer. Der Austritt aus einem Umweltsiegel wurde schnell wieder zurückgenommen. Und die Aktionäre bekommen die langersehnte Dividende, die Jobs ihnen immer verweigert hat - angesichts des auf rund 120 Milliarden Dollar angewachsenen Geldberges war die bisherige Knausrigkeit allerdings auch immer schwerer zu erklären.

Tim Cook scheint also ganz nach dem letzten Geheiß seines Mentors zu agieren: "Bloß nicht sich die Frage stellen: Was würde Steve tun?" Der Bruch mit scheinbaren bisherigen Dogmen geht bis in technische Details: Das iPhone bekam nach fünf Jahren erstmals einen größeren Bildschirm, für die nächsten Wochen wird mit einem kleineren iPad-Modell gerechnet, während Jobs die Geräteklasse einst als "Totgeburt" abgestempelt hatte.

Und doch schwebt der Geist des Gründers immer noch über allem, was Apple heute tut: Die strategischen Weichen - iPhone, iPad, Mac-Design, der Online-Speicher iCloud als Herzstück der Apple-Welt - sind alle noch unter Jobs gestellt worden. Auch das neue iPhone 5 wirkt mehr als eine Weiterentwicklung denn als Vorstoß in unbekanntes Terrain. Die erste große eigene Innovation oder der erste große Fehler von Cook und seiner Mannschaft müssen erst noch kommen.

Auf der zweiten Seite widmen wir uns der Frage, was Tim Cook noch anders macht als Steve Jobs und wie die Zukunft aussieht.

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