Was ist eigentlich mit ...

AOL: Quietschbunter Online-Dienst mit Nerv-Potenzial

Zeitweise riesiger Internet-Provider überschüttete die Welt mit CDs
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In Zusammenarbeit mit Bertelsmann startete AOL 1995 mit dem Internet-Zugangsgeschäft in Deutschland. Auch hier verfolgte der Konzern die Strategie, durch eine massenhafte Verbreitung seiner Software-CDs allen Bevölkerungsschichten einen Einstieg in die Online-Welt zu ermöglichen. Die CDs lagen nicht nur Modems, PCs und Computerzeitschriften bei und wurden (ungefragt) per Post zugesandt, zeitweise standen die Scheiben sogar an der Supermarktkasse.

AOL verdiente schließlich so viel Geld, dass es viele damals führende Internet-Unternehmen samt ihren Produkten aufkaufen konnte. 1998 erwarb AOL den direkten Konkurrenten Compuserve, die Browser-Schmiede Netscape und den Instant Messenger ICQ, 1999 folgte der Mediaplayer Winamp. Auf dem Höhepunkt der Euphorie fusionierte AOL selbst für einige Jahre mit dem US-Medienkonzern Time Warner.

Die Einfachheit des Dienstes sicherte AOL einen rauschenden Erfolg: Auf dem Gipfel des ersten Internet-Booms hatte AOL 2001 weltweit rund 30 Millionen Nutzer und war damit einer der größten Internet-Provider. Mit dem Erfolg des World Wide Web begann eine schrittweise Öffnung des ursprünglich geschlossenen und nur für Abonnenten zugänglichen Dienstes. Ab 2000 konnten AOL-Nutzer per IMAP erstmals alternative E-Mail-Programme verwenden. Ab 2003 unterstützte der Dienst das Point-to-Point-Einwahlprotokoll, was den Zwang zur Einwahlsoftware beendete. Schon vorher war es möglich gewesen, fürs Surfen im "richtigen" World Wide Web bei bestehender AOL-Verbindung einen separaten Browser zu verwenden. Ab 2006 konnten auch Nicht-Abonnenten den Maildienst, den AOL Instant Messenger (AIM) und einige Content-Angebote nutzen.

Der Abstieg: DSL-Erfolg und zunehmende Kritik an der AOL-Software

Hohe Einnahmen erzielte AOL hauptsächlich im Zeitalter der Einwahl per Analog-Modem und ISDN, und zwar über verschiedene Tarifmodelle. In der Regel gab es eine monatliche Abo-Gebühr, die durch minutenbasierte Einwahlgebühren ergänzt wurde, wobei Neukunden meist mit einem Freikontingent geködert wurden.

Der Erfolg von Breitband-DSL und Internet-Flatrates brachte dieses Geschäftsmodell ins Wanken. Die spezielle Einwahlsoftware hatte bei DSL ihren Sinn verloren, obwohl AOL auch kurzzeitig DSL-Anschlüsse vermarktete. Viele Content-Angebote des geschlossenen Bereichs waren längst im freien Internet verfügbar, und auch preislich war der Dienst nach Verbrauch des Freikontingents kaum noch konkurrenzfähig.

Selbst Nutzer in DSL-freien Gebieten, die weiterhin auf Modem und ISDN angewiesen waren, sahen sich nach Alternativen um. Der Hauptgrund war meist die aggressive AOL-Software, die in manchen Versionen so stark ins System und ins Windows-Netzwerk eingriff, dass die Nutzung anderer Wählverbindungen kaum noch möglich war. Der Preisverfall im Internet-by-Call-Markt brachte viele AOL-Nutzer auf die Idee, zeitweilig neben dem Dienst im DFÜ-Netzwerk andere Wählverbindungen anzulegen, was die AOL-Software teilweise verhinderte. Außerdem nistete sich AOL ungefragt in den Browser und in die Windows-Taskbar ein, woraufhin die Software offiziell als "Badware" eingestuft wurde, was mit Spyware und Malware gleichgesetzt werden kann. Auch nach der Deinstallation der AOL-Software war Windows 95/98/ME zum Teil so zerschossen, dass nur eine Neuinstallation des Systems half.

Die Überflutung der Welt mit nicht gewünschten AOL-CDs führte sogar zu einer länderübergreifenden Aktion unter dem Namen "No more AOL CDs". Eine Umfrage der Aktion ergab, dass 45,41 Prozent der Befragten die CDs ungeöffnet wegwarfen, 34,21 Prozent etwas daraus bastelten, 20,2 Prozent die CD zerstörten oder sie als Tassenuntersetzer verwendeten und lediglich 0,18 Prozent sie bestimmungsgemäß benutzten. Das Ziel war, weltweit eine Million AOL-CDs zu sammeln und diese dann öffentlichkeitswirksam vor der AOL-Zentrale abzukippen. Doch wegen des Erfolgs von DSL und der Beendigung des CD-Versands durch AOL kam es nicht mehr dazu.

AOL heute: Messaging, Portale und Medien

AOL Alto, das jüngste Kind des Unternehmens AOL Alto, das jüngste Kind des Unternehmens
Bild: AOL, Screenshot: teltarif.de
In Deutschland verkaufte AOL sein Zugangsgeschäft 2007 an HanseNet. Auch von weiteren in den Boomjahren aufgekauften Firmen trennte sich AOL wieder und löste die Verbindung mit Time Warner, da der Zusammenschluss beiden Unternehmen nichts gebracht hatte.

Seither konzentriert sich AOL auf den E-Mail-Dienst, den Messenger, das Portalgeschäft sowie auf Medieninhalte. Das deutsche Portal aol.de ist - bei einer mittlerweile recht übersichtlichen Gestaltung - eher auf Boulevard-Themen ausgerichtet.

In den USA erwarb AOL Anfang 2011 das News-Portal "Huffington Post", um seine Ambitionen im Content-Bereich zu unterstreichen. Die neueste AOL-Entwicklung, die 2012 das Licht der Welt erblickte, ist der E-Mail-Sammeldienst AOL Alto, mit dem der Nutzer Mails von AOL, Gmail, Yahoo Mail und Apple iCloud unter einer Oberfläche gemeinsam abrufen und verwalten kann.

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