Was ist eigentlich mit ...?

Schmalband-Flatrate: Rückblick auf eine bewegte Geschichte

Jeder wollte eine Internet-Flatrate, doch kaum einer bekam sie
Von Thorsten Neuhetzki

Schmalband-Flatrate mit Zugang per Modem Schmalband-Flatrate mit Zugang per Modem
Foto: USRobotics
77 Mark im Monat (umgerechnet 39,37 Euro) - so viel kostete die erste Flatrate für einen Internetzugang. Das war 1998, der Zugang nur für wenige Kunden möglich und der Flatrate-Tarif galt nur zwischen 19 und 7 Uhr. 1998 galt das Wort Flatrate auch noch als Kunstwort und war nur in einschlägigen Internet-Kreisen bekannt, während es heute zum normalen Sprachgebrauch zählt und seit 2011 auch im Duden steht. Doch die Bedeutung hat sich in einem Punkt geändert: Während heute von Sprach- und DSL-Flatrates die Rede ist, sprach man damals von Schmalband-Flatrates, auf die es in den Folgejahren mangels DSL-Versorgung einen regelrechten Run gab. Wir werfen im Rahmen unserer Serie "Was ist eigentlich mit...?" einen Blick zurück.

Vor knapp zehn Jahren war die DSL-Leitung alles andere als üblich. Selbst in Städten war das Breitbandnetz noch nicht ausgebaut. Im Jahr 2000 waren gerade einmal 161 000 Anschlüsse geschaltet, ein Jahr später 1,9 Millionen und heute vor zehn Jahren waren es 3,2 Millionen - eine Marktdurchdringung von knapp über acht Prozent. Der restliche Teil der Kunden musste auf den Modemzugang setzen. Zum Vergleich: Heute gibt es über 28 Millionen Breitband-Anschlüsse.

Poweruser gingen nicht mehr offline

Schmalband-Flatrate mit Zugang per Modem Schmalband-Flatrate mit Zugang per Modem
Foto: USRobotics
Auch wenn das Internet vor zehn Jahren noch nicht den Stellenwert hatte, wie es heute der Fall ist, so war der Run auf das Internet doch hoch - und mit ihm der Run auf die wenigen Pauschaltarife. Das führte dazu, dass die Tarife regelmäßig überlastet waren. Die Folge war ein fataler Kreislauf: Wegen der Überlastung war es schwierig, sich einzuwählen. War der Einwahlversuch endlich erfolgreich, trennten die Kunden die Verbindunge nicht mehr - selbst wenn sie schlafen gingen. Das wiederum ließ die Kosten aus dem Ruder laufen. Denn pro Online-Minute des Nutzers musste der Anbieter an die Deutsche Telekom für die Vorleistungen zahlen. Deshalb ging für Anbieter die Preis-Kosten-Schere sehr schnell auseinander, so sie ihre Angebote einstellen mussten oder gar Pleite gingen.

In den Jahren 2000 bis 2003 hat die Telekommunikationswelt zahlreiche Internet-Schmalbandflatrates gesehen. Einer der bekanntesten Anbieter dürfte wohl Surf1 gewesen sein, die mit Monatspreisen von 399 D-Mark starteten, aber wohl aufgrund fehlender Buchungen schnell billiger wurden. Die Preise fielen bis auf 69 Mark pro Monat im Prepaid-Verfahren. Einige Monate später meldete der Anbieter Insolvenz an. Doch das schreckte andere Anbieter nicht ab, neue Flatrates zu kreieren. Sogar die Telekom machte mit und bot über T-Online eine Flatrate für 79 D-Mark an, stellte sie aber nach nicht einmal einem Jahr ebenfalls wieder ein. An Kunden mangelte es T-Online nicht: Zwei Monate nach dem Start hatte T-Online 200 000 Kunden. Auch viele andere sollten scheitern. Darunter Versatel mit der Flatrate-Marke Sonnet sowie zahlreiche kleine Firmen, von denen die Telekommunikations-Branche vorher noch nie hörte, versuchten sich an entsprechenden Angeboten, verschwanden aber oftmals genau so schnell wie sie auf den Markt kamen.

AOL: Kleiner Silberling mit Flatrate

Werbe-CDs von AOL: Manchmal gab es sie sogar mit einer günstigen Flatrate Werbe-CDs von AOL: Manchmal gab es sie sogar mit einer günstigen Flatrate
Foto: dpa
Eine kleine Rarität war AOL:. Was für die einen ein Fluch war, war für die anderen ein Segen: Die AOL-CD im Briefkasten. Denn vereinzelt waren das Flatrates die im Rahmen von Preis-Tests verschickt wurden. Im besten Fall surfte der Kunde so für 39 D-Mark im Monat - und AOL legte drauf. Später gab es diese Flatrates auch als Verlosungs-Tarif.

Problem aller Schmalband-Flatrates waren - wie bereits erwähnt - die Vorleistungskosten. Zwar führte die Telekom Ende 2000 auf Drängen der damaligen Regulierungsbehörde eine Großhandelsflatrate ein, doch war diese nicht wirklich attraktiv. 4 800 D-Mark sollte der Zugang kosten und 32 Leitungen beinhalten. Er musste an jeder der 1 600 Vermittlungsstellen gebucht werden. Bei optimaler Ausnutzung und ohne Überbuchung wären das Netto-Vorleistungskosten von 160 D-Mark gewesen. Preisdiskussionen diesbezüglich waren jedoch eh müßig, ein paar Monate später kassierte das Oberverwaltungsgericht Münster die Vorleistung.

Modem-Flatrate heute: Mehr Schein als Sein

Heute, zehn Jahre später, hat sich der Markt geändert. Zwar gab es vor 2007 noch einmal ein Revival der Schmalband-Flatrates, bei dem selbst die Telekom noch einmal mit einem 80-Euro-Angebot mitspielte, doch heute geht per Modem bzw. ISDN nur noch online, wer keine Alternative hat. Mindestens per Satellit gibt es jedoch breitbandige Alternativen - wenngleich diese oftmals Fair Use Regelungen unterliegen. Auf dem deutschen Markt findet sich so auch nur noch ein Anbieter einer Schmalband-Flatrate, dessen Bedingungen jedoch für Vielsurfer wenig attraktiv sind. Arcor bietet nach eigenem Bekunden eine enstprechende Flatrate durch einfache Einwahl für 19,95 Euro im Monat an. Allerdings wir die Verbindung alle zwei Stunden getrennt. Größere Downloads sind so nicht drin: Mit ISDN könen pro Stunde nicht einmal 30 MB übertragen werden.

Wer den Tarif zu viel nutzt, zahlt im nächsten Nutzungsmonat bei Arcor knapp 35 Euro oder bekommt ihn gar nicht mehr. Der Anbieter verhindert so, teure Poweruser anzulocken. Doch es geht auch ohne Schmalband-Flatrates vergleichsweise günstig per Modem: Für etwa 0,2 Cent pro Minute lässt sich immer mal wieder mit dem ein oder anderen Tarif im Internet surfen. Entsprechende Anbieter finden Sie über unseren Tarifrechner.Bei 30 Tagen im Monat und fünf Stunden Onlinezeit am Tag kommt der Nutzer hier mit etwa 17 Euro im Monat davon. Allerdings: Wer Internet by Call nutzt, sollte sich dringend bei jeder Onlineverbindung über die gültigen Tarife informieren.

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