Marktstudie

Gigabit per FTTH ist da - doch nur wenige buchen es

Die Markt­studie des VATM zeigt, dass im Breit­band-Markt noch nicht alles Gold ist, was glänzt. Inter­essant: Corona hat den TK-Markt wohl nur wenig durch­ein­ander gebracht.
Von der Pressekonferenz zur VATM-Marktstudie 2020 berichtet

Für viele Lebens­bereiche wie Reisen, Indus­trie und Handel war 2020 bislang ein unge­wöhn­liches Jahr. Inter­essan­ter­weise kann man das vom Tele­kom­muni­kati­ons­markt nicht unbe­dingt behaupten - die Corona-Pandemie hat sich auf den Fest­netz- und Mobil­funk­markt nur recht wenig ausge­wirkt, wie die aktu­elle Markt­studie des Bran­chen­ver­bandes VATM zeigt. teltarif.de hat an der Online-Präsen­tation der Ergeb­nisse teil­genommen.

Grund­sätz­lich lässt sich sagen: Die Tele­fonie per Fest­netz geht auch im Corona-Jahr trotz Home-Office zurück, aber lang­samer als erwartet, denn im Home-Office muss eben auch tele­foniert werden. Am stärksten vom Home-Office-Boom profi­tiert haben aller­dings die Tele­fonie per Mobil­funk und über Internet-Dienste wie Zoom, Skype, WhatsApp & Co. Insge­samt erwarten die deut­schen Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen für Fest­netz und Mobil­funk gemeinsam einen Umsatz von 58,9 Milli­arden Euro für 2020, im Vorjahr waren es 58,3 Milli­arden Euro gewesen.

Trotz Corona wird kräftig inves­tiert

TK-Marktstudie 2020 des Branchenverbandes VATM TK-Marktstudie 2020 des Branchenverbandes VATM
Bild: VATM
Die Ergeb­nisse der Markt­studie wurden wie gewohnt gekonnt locker und verständ­lich von Prof. Dr. Torsten J. Gerpott präsen­tiert, der auch als Gast­autor für teltarif.de schreibt. Den Schwer­punkt seiner Präsen­tation legte er wie zu erwarten auf den Fest­netz- und Breit­band­markt.

So gut wie alle Fest­netz-Anbieter konnten ihre Umsätze im aktu­ellen Jahr halten oder stei­gern, auch die Telekom stei­gert ihren Umsatz im Fest­netz­bereich um 200 Millionen Euro. Das Sprach­volumen nahm 2020 leicht um 10 Millionen Gesprächs­minuten pro Tag zu, ein Plus von 1,3 Prozent. Gerpott sieht das als Folge der verstärkten Tele­fon­nut­zung aufgrund der Corona-Pandemie. Dabei setzen sich die gene­rellen Trends der vergan­genen Jahre fort: Während weniger via Fest­netz tele­foniert wird (minus 24 Millionen Minuten täglich), greifen die Bürger häufiger zum Smart­phone, denn dort werden vermehrt (Allnet-)Flat­rates genutzt: 361 Millionen Minuten täglich wird laut der Studie mobil gespro­chen (plus 16 Millionen) und 213 Millionen Minuten (plus 18 Millionen) über den Einsatz von Over-the-Top-Anbie­tern wie Konfe­renz­dienste und Messenger. "Damit können die Mobil­funk­anbieter und die OTT-Tele­fonie­anbieter bei weiter zuneh­menden Verbin­dungs­minuten mitt­ler­weile einen Anteil von mehr als 70 Prozent für sich gewinnen", verdeut­licht Gerpott die Entwick­lung.

Von einer Sache haben sich die Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter im Jahr 2020 nicht abbringen lassen - nämlich vom Inves­tieren in neue Infra­struktur: 9,7 Milli­arden Euro hat die Branche insge­samt inves­tiert (2019 waren es noch 9,6 Milli­arden), davon entfallen 4,4 Milli­arden auf die Telekom und 5,5 Milli­arden auf die Wett­bewerber.

Echtes DSL bei Wett­bewer­bern geht zurück

Inter­essante Ergeb­nisse gibt es aus dem Breit­band-Markt: In allen Berei­chen (DSL, Kabel-Internet und FTTB/H) waren 2020 mehr Anschlüsse geschaltet als 2019. Über­durch­schnitt­lich stark legten die FTTB/H-Anschlüsse zu (von 1,5 Millionen 2019 auf 1,9 Millionen 2020).

Dabei gibt es aber auch Verschie­bungen: Die Telekom konnte die Zahl ihrer (V)DSL-Anschlüsse stei­gern, auch die Zahl der von der Telekom an die Wett­bewerber vermie­teten Anschlüsse stieg. Sicht­lich gesunken ist aber die Zahl der direkt von den Wett­bewer­bern vermark­teten (V)DSL-Anschlüsse. teltarif.de fragte nach, ob das wirk­lich eine drama­tische Entwick­lung sei, da diese alter­nativen Anbieter ja vermut­lich vermehrt FTTB/H ausbauen und ihre bishe­rige DSL-Kund­schaft auf die neue Technik umstellen. Dies bekräf­tigte Prof. Gerpott einer­seits, wies aber auch darauf hin, dass die gesun­kene Zahl direkter Wett­bewerber-DSL-Anschlüsse aber ande­rer­seits eben auch auf die gute Vermark­tung der (V)DSL-Ange­bote der Telekom zurück­zuführen sei.

Zu beob­achten bleibt weiterhin, dass einer­seits nach wie vor viel FTTB/H gebaut wird, dass aber nur wenige der Glas­faser-Neukunden dann wirk­lich den teuersten Gigabit-Anschluss buchen. Man spricht hier von der so genannten "Take-up-Rate": Insge­samt wird es 2020 rund 5,12 Millionen Glas­faser­anschlüsse geben. Davon ist aber nur bei rund 1,87 Millionen aktiv ein Tarif gebucht, während 3,25 Millionen Glas­faser­anschlüsse unge­nutzt "schlum­mern".

Breit­band: Gigabit ist da - doch nur wenige buchen es

Auch hier fragte teltarif.de nach, womit diese nied­rige Take-up-Rate zusam­men­hänge, und ob es nicht besser wäre, wenn der VATM und seine Mitglieds­unter­nehmen etwas mehr Werbung für ihre vielen tatsäch­lich gebauten Glas­faser-Anschlüsse machen, statt immer nur auf der poli­tischen Ebene auf eine stär­kere Regu­lie­rung der Telekom zu drängen. Vertreter des VATM gaben zur Antwort, der Verband sei nicht zuständig für Werbe­kam­pagnen seiner Mitglieds­unter­nehmen, sondern eher für das Enga­gement im poli­tischen/regu­lato­rischen Bereich. Die konkreten Zahlen zeigen auch, dass die Wett­bewerber einen deut­lich besseren Vermark­tungs­erfolg bei Glas­faser-Anschlüssen vorweisen können als die Telekom: Die Telekom konnte bislang nur 18,1 Prozent ihrer verfüg­baren Glas­faser-Anschlüsse vermarkten, die Wett­bewerber 48,3 Prozent.

Von insge­samt 28,81 Millionen tech­nisch verfüg­baren Gigabit-Anschlüssen in Deutsch­land (per FTTB/H und TV-Kabel) sind aber weiterhin nur 8,31 Millionen aktiv gebucht, also nur 28,8 Prozent.

Die Studie offen­barte ein weiteres Problem des Breit­band-Marktes: FTTB/H wird oft in Regionen gebaut, wo es bereits TV-Kabel gibt. Ende 2020 können 25,7 Millionen und damit 62 Prozent aller Privat­haus­halte in Deutsch­land einen Gigabit-Anschluss beziehen, wenn man die Zahlen von FTTB/H und TV-Kabel addiert. Ca. 60 Prozent der FTTB/H-Haus­halte sind aber auch gleich­zeitig mit DOCSIS 3.1 über TV-Kabel abge­deckt, was die reelle Zahl der Gigabit-Abschlüsse dann wieder schrumpfen lässt, weil kaum ein Haus­halt zwei Anschlüsse betreiben wird.

Der Anteil der Kunden, die einen Fest­netz­anschluss mit maxi­malen Empfangs­daten­raten von mehr als 50 MBit/s nutzen, wächst 2020 auf 46,7 Prozent. Die Zahl der Haus­halte, die mehr als 250 MBit/s gebucht haben, hat sich mehr als verdop­pelt.

Gerpott: Kein Corona-Effekt bei Mobil­funk

Die Zahl der aktiven SIM-Karten nähert sich laut der VATM-Markt­studie Ende 2020 einem Wert von 150 Millionen. Die Vertei­lung über die Netze bleibt dabei recht ausge­wogen: Im Voda­fone-Netz sind 36 Prozent geschaltet, im Telekom-Netz 32,5 Prozent und im Telefónica-Netz 31,5 Prozent.

Einen Corona-Effekt kann Gerpott beim Mobil­funk nicht erkennen, andere Zahlen lassen aber aufhor­chen: Nur noch 109,6 Millionen SIM-Karten und damit 73,7 Prozent sind tatsäch­lich persön­liche SIM-Karten. Bei 39,1 Millionen und damit 26,3 Prozent handelt es sich um M2M-SIM-Karten. Und bei den persön­lichen SIM-Karten sind immer noch 31,2 Prozent mit 2G/3G-Tarif unter­wegs. Mit LTE sind es 65 Prozent, mit 5G sind es 3,8 Prozent. Das durch­schnitt­liche mobile Daten­volumen pro Nutzer wächst 2020 um 45,4 Prozent auf 3 GB.

o2 muss Basis­sta­tionen bauen, was das Zeug hält, um die LTE-Lizenz­auf­lagen zu erfüllen. Zum 30. September wurde nun wieder ein neuer Meilen­stein erreicht - es gibt aber noch einiges zu tun.

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