Kritik

VATM kritisiert Glasfaser-Überbau durch Telekom

Beim Open Access verlegt der erste sein Kabel, die anderen mieten sich ein. Theo­retisch prima. Prak­tisch aber schwierig, und so wird doppelt gebaut. Die Branche übt Kritik.
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Im Verband der Anbieter von Tele­kom­muni­kations- und Mehr­wert­dienst­leis­tungen (VATM) sind viele Wett­bewerber der Deut­schen Telekom zusam­men­geschlossen. Jede Akti­vität der Telekom wird mit Argus­augen wahr­genommen.

Köln: Telekom baut extra Glas­faser, wo Netco­logne schon verlegt hat

Können sich die Anbieter nicht einigen, bauen sie doppelte Glasfaser und anderswo gar nicht. Können sich die Anbieter nicht einigen, bauen sie doppelte Glasfaser und anderswo gar nicht.
Foto: Picture Alliance/dpa
Kurz vor dem Weih­nachts­fest hatte die heute-Sendung des ZDF über den "doppelten Glas­faser­ausbau" durch die Deut­sche Telekom in Köln berichtet. Betroffen ist dort der private Anbieter Netco­logne.

In dem heute-Beitrag erklärte die Telekom-Spre­cherin Marion Kessing vor laufenden Kameras: „Es gibt Gebiete, da ist es sinn­voll für uns. Wir können diese wirt­schaft­lich so erschließen, dass wir eigene Glas­faser­anschlüsse bauen. … Das ist normaler Infra­struk­tur­wett­bewerb“. Die ZDF-Reporter haben richtig erkannt, dass es keine klare Koor­dinie­rung der Ausbau­pläne gibt, weder frei­willig noch durch die Bundes­netz­agentur.

VATM wirft Telekom Behin­derung der Ausbau­ziele vor

Für den VATM eine "Kriegs­erklä­rung". VATM-Geschäfts­führer Jürgen Grützner findet: „Deutsch­land ist noch weit von einem flächen­deckenden Glas­faser­ausbau entfernt. Der Überbau von Glas­faser­infra­struktur, den die Deut­sche Telekom nicht nur in großen Städten wie Köln gestartet hat, ist volks- und betriebs­wirt­schaft­lich völlig unsinnig und schadet Unter­nehmen und Bürger:innen. Ein zweites Netz in den bereits hervor­ragend versorgten Städten auszu­rollen, während andere Orte und länd­liche Regionen drin­gend auf FTTB/FTTH warten, ist ein rein stra­tegi­scher Angriff gegen die im Wett­bewerb stehenden ausbau­enden Unter­nehmen und inter­natio­nale Inves­toren."

Der Inves­titi­ons­plan von Unter­nehmen, die einen ganzen Ort flächen­deckend ausbauen, werde zerstört, wenn die Telekom Rosi­nen­pickerei betreibe und in wirt­schaft­lich beson­ders attrak­tiven städ­tischen Filet­stücke ein zweites Netz parallel zum bereits bestehenden baue. "Diese Rosi­nen­pickerei mag sich soeben noch für die Deut­sche Telekom lohnen, macht es den ausbau­enden Wett­bewer­bern aber unmög­lich, eine sinn­volle Misch­kal­kula­tion von attrak­tiven und weniger attrak­tiven Orts­teilen zur Grund­lage einer gerade von den Bürger­meis­terinnen und Bürger­meis­tern drin­gend gewünschten, auf Flächen­deckung ausge­rich­teten Ausbau­pla­nung zu machen."

Für Grützner greife die Telekom damit "unmit­telbar die Ausbau­ziele der Bundes­regie­rung an", statt sich weiterhin dem gemein­samen Ausbau­ziel aller ausbau­enden Unter­nehmen – wie es gegen­über der Politik immer wieder erklärt wurde – verpflichtet zu sehen. Zudem werde hier­durch der Ausbau insge­samt teurer und die Förder­gebiete würden erheb­lich vergrö­ßert. "Wenn dem stra­tegi­schen Verdrän­gungs­wett­bewerb nicht Einhalt geboten wird, werden sich zudem inter­natio­nale Inves­toren aus dem deut­schen Markt zurück­ziehen müssen“ droht Grützner abschlie­ßend.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Schon länger beschwört die Branche den "Open Access": Ein Unter­nehmen verlegt Glas­faser, alle anderen mieten diese Fasern und trans­por­tieren darüber ihre eigenen Signale oder nutzen ein Bitstrom-Angebot. Im Prinzip eine sinn­volle Sache.

Doch die Geschichte hat einige Haken: Hat ein Unter­nehmen vor Ort bereits erste Infra­struktur aufge­baut, kann es güns­tiger sein, die fehlenden Meter mit eigener Glas­faser fertig auszu­bauen, anstatt sich mit der bereits vorhan­denen Infra­struktur eines Mitbe­wer­bers zu beschäf­tigen, um dann dessen Leitungen nutzen zu können.

Zweites Problem: Die Preise für Open Access sind nicht regu­liert. Sie müssen also jedes Mal frisch ausge­han­delt werden. Hat ein "neuer" Anbieter zu teuer kalku­liert oder will zu viel Geld, kann der etablierte Anbieter schnell vorrechnen, dass eigene Leitungen güns­tiger sind.

Für Mitmen­schen, die irgendwo abseits der Ballungs­gebiete leben und viel­leicht bis heute nicht einmal rich­tiges DSL haben, ist das ganze natür­lich bitter. Sie hätten sich eine bundes­weite Ausschrei­bung zum flächen­deckenden Ausbau gewünscht. Wer dort ausbauen wollte, hätte auch unren­table Flecken ausbauen müssen, bevor er in die Filet­gebiete darf. Das Unter­nehmen, das den güns­tigsten Ausbau-Preis für solche weiße Flecken aufge­rufen hätte, wäre zum Zuge gekommen. Doch das war offenbar poli­tisch nicht gewünscht.

Der Netz­ausbau an Bahn­stre­cken verzö­gert sich, weil tech­nisch veral­tete Funk­geräte nicht recht­zeitig ausge­tauscht wurden. Der VATM übt hier (zu Recht) deut­liche Kritik.

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