Führungstreffen

VATM: Kein Glasfaser-Kollaps, aber Überbau muss weg

Der Bericht des Handels­blatts, das den Glas­faser­ausbau in der Krise sieht, hat der Bran­chen­ver­band VATM zurück­gewiesen. Er stellt aber klare Forde­rungen.
Von

Wir hatten über einen Artikel der Wirt­schafts­zei­tung Handels­blatt berichtet, worin vermutet worden war, dass die Glas­faser­ausbau in Deutsch­land der Kollaps drohen könnte. Auf der Social-Media-Platt­form LinkedIn nahm der Geschäfts­führer des VATM, Dr. Frederic Ufer, dazu ausführ­lich Stel­lung und gab einige Hinweise.

"Schwarz­malen gehört manchmal zum Geschäft."

Eigenwirtschaftlicher Ausbau hat weiter gute Chancen, wenn die Förderung smarter wäre und vor allen Dingen: Ohne Überbau durch die Telekom. Eigenwirtschaftlicher Ausbau hat weiter gute Chancen, wenn die Förderung smarter wäre und vor allen Dingen: Ohne Überbau durch die Telekom.
Foto: Telekom, Logo: VATM, Montage: teltarif.de
Schwarz­malen gehöre zum Geschäft (sprich zur Einschalt­quote, Anm. des Autors) beti­telte Ufer seinen Beitrag, um dann klar zu stellen, der Kollaps drohe aber dem Glas­faser­ausbau noch lange nicht. Dazu war kurz­fristig ein hoch­karä­tiges VATM-Webinar mit den Autoren der im Handels­blatt-Beitrag von Philipp Alvares de Souza Soares zitierten Studie von Boston Consul­ting Group (BCG) und Egon Zehnder ange­setzt worden.

Roman Fried­rich und Markus Keller hatten mit 50 Führungs­kräften aus den VATM-Mitglieds­unter­nehmen über die Prognose für den deut­schen Tele­kom­muni­kations-Markt disku­tiert, insbe­son­dere welcher Manage­ment-Typ nun für die sich ändernden Rahmen­bedin­gungen erfor­der­lich sei.

Weiter hervor­ragende Perspek­tiven

Am Ende kamen die Führungs­kräfte zum Ergebnis, dass der eigen­wirt­schaft­liche Ausbau durch die vielen im Verband orga­nisierten FTTH-Inves­toren trotz gestie­gener Inves­tions­kosten (OPEX) eine hervor­ragende Perspek­tive habe. Schließ­lich seien immer noch 30 Millionen Anschlüsse zu bauen. Mit den Heraus­for­derungen des Marktes - Tief­bau­kosten, Fach­kräf­temangel, Ener­gie­kosten - könnten die Unter­nehmen wie in allen anderen Indus­trien umgehen.

Klare Forde­rungen an die Politik

Dann stellt Ufer für seinen Verband aber einige Forde­rungen an die Bundes­regie­rung und den Minister Volker Wissing. Die hätten ihre Haus­auf­gaben (noch) nicht gemacht. Zwei große Probleme bremsten die Dynamik:

  1. Eine nicht funk­tio­nie­rende ("dysfunk­tio­nale") Förder­kulisse, die mit aktuell 1000 Verfahren, die die Kapa­zitäten der Unter­nehmen lähme. Die verspro­chene Verzah­nung von eigen­wirt­schaft­lichem und geför­derten Ausbau solle endlich kommen. Es solle weniger, dafür aber smarte Förde­rung kommen. Das würde den Druck auf durch exzes­sive Beihilfen immer weiter stei­gende Tief­bau­kosten. Senken und den "Ausbau beschleu­nigen", denn eigen­wirt­schaft­lich sei einfach schneller und bringe eine spür­bare Entlas­tung der Kommunen vor Ort. Die Kommunen müssten keine Förder­anträge mehr ausar­beiten, die von vorn­herein mangels Budget keine Aussicht auf Erfolg hätten.
  2. Und dann kommt das Lieb­lings­thema der Verbände: Been­digung des stra­tegi­schen Über­baus durch die Telekom, was nichts, aber auch wirk­lich nichts mit zu begrü­ßendem Infra­struk­tur­wett­bewerb zu tun habe, sondern allein der Beschä­digung des Inves­toren-Modells diene. Dieser Überbau sei die eigent­liche Bedro­hung des Infra­struk­tur­ziels von 100 Prozent Flächen­deckung im Jahre 2030. Hier könne nur die Bundes­regie­rung als "Anker-Gesell­schafter" der Telekom und die Bundes­netz­agentur als zustän­dige Markt­auf­sicht das Ruder herum­reißen. Jeder Tag, der nicht reagiert werde, gefährde "eine ganze Asset-Klasse" (auf Deutsch: es würden finan­zielle Werte vernichtet) in Deutsch­land.
Und zum Schluss kommt Ufer auf den Artikel zurück: Wenn diese Aufgaben nicht so schnell wie möglich ("ASAP") von den Behörden und der Politik gelöst würden, müsste die Branche wieder über im Artikel erwähnten Kollaps reden. Das werde keiner in Bonn oder Berlin riskieren.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Branche erwartet also, dass die Politik den größten Konkur­renten der privaten Arbeiter aus dem Rennen nimmt, indem der Telekom entweder der Glas­faser­ausbau ganz verboten wird oder die Hürden so hoch gelegt werden, dass die Telekom nur noch tief in der Provinz, wo es sich eigent­lich über­haupt nicht lohnt, bauen könnte.

Der Punkt ist schlicht der, dass die Kunden der Telekom gerne auch Glas­faser von der Telekom haben wollen, weil sie das Unter­nehmen kennen und meist gute Erfah­rungen damit gemacht haben. Neue Unter­nehmen sind oft unbe­kannt und manche Unter­nehmen haben sich bei ihren bishe­rigen Kunden­bezie­hungen so "unge­schickt" verhalten, dass die Kunden reumütig wieder geflüchtet sind. Oft sind alter­native Anbieter auch wesent­lich teurer als die Telekom, ein weiterer Grund, warum die Kunden nicht dorthin wech­seln wollen.

Eigen­wirt­schaft­licher Ausbau scheint aus Verbän­desicht darauf hinaus­zulaufen, dass die Unter­nehmen in aller Seelen­ruhe ein Gebiet ausbauen und dann möglichst lange bis ewig dort das allei­nige Monopol nutzen dürfen. Zustimmen kann man der Forde­rung, dass eine Förde­rung schneller bewil­ligt werden müsste, noch während die Bagger vor Ort sind. Doch wo staat­liche Gelder im Spiel sind, muss geprüft werden, ob das alles passt.

Viel­leicht ginge es so: Ein Unter­nehmen meldet den voll­stän­digen (!) Ausbau einer Gemeinde und sagt, was es dafür an Förder­zusagen braucht. Das Angebot wird (ohne Preise) offen­gelegt und binnen einer Frist können andere Unter­nehmen sich melden, was sie dafür haben wollen. Wie bei einer Stra­ßen­bauau­schrei­bung werden am Tag X die Umschläge geöffnet und der güns­tigste, der auch sons­tige Krite­rien erfüllt, gewinnt.

Bliebe noch die Option, wenn sich die privaten Unter­nehmen endlich mit der Telekom an einen Tisch setzen und mehr Joint-Venture gründen und verwirk­lichen würden. Ja, es gehört nur etwas Mut und Willen dazu, auf beiden Seiten. Hier könnte die Politik ruhig etwas Druck ausüben. Dann würde gemeinsam und nicht gegen­ein­ander ausge­baut.

Der Streit über den Doppel­ausbau hält an.

Mehr zum Thema Glasfaser