Frequenzen

Kritik an BNetzA: LTE 900 im Zug muss früher kommen

Erst Ende 2024 soll LTE auf 900 MHz entlang von Bahn­stre­cken genutzt werden können. Das kriti­sieren die Bahn, Netz­betreiber und ein Bran­chen­ver­band.
Von dpa /

Kritik an BNetzA-Entscheidung Kritik an BNetzA-Entscheidung
Foto: Deutsche Bahn
Wie berichtet, dürfen die Mobil­funk-Netz­betreiber an Zugstre­cken einen wich­tigen Frequenz­bereich weiterhin nur stark einge­schränkt nutzen, um das Handy­netz zu verbes­sern. Ursprüng­lich sollten die Firmen dies schon ab heute in vollem Umfang tun können, doch nach einem Beschluss der Bundes­netz­agentur wurde die Öffnung auf Dezember 2024 verschoben. Der Beschluss, der mit Verzö­gerungen bei der Umrüs­tung von Zügen begründet wurde, wird jetzt von Netz­betrei­bern und der Deut­schen Bahn AG kriti­siert. Der neue Zeit­plan erscheine "wenig ambi­tio­niert und unver­hält­nis­mäßig lang", heißt es von der Deut­schen Telekom. Es sei mehr Tempo nötig, "um die wich­tige Versor­gung mit Mobil­funk in Zügen voran­zutreiben". Die Telekom ist für eine Frei­gabe Mitte 2023.

Auch die Deut­sche Bahn ist für "eine kurz­fris­tige Verschie­bung um wenige Monate". Die lange Verschie­bung bedauere man sehr, sagt ein Bahn­spre­cher. "Jetzt müssen rund drei Milli­arden Fahr­gäste, die pro Jahr unsere Züge nutzen, noch weitere zwei Jahre auf besseren Mobil­funk an den Schie­nen­stre­cken warten."

Von Voda­fone heißt es, die Extra-Frequenz sei wichtig für das Ziel einer unter­bre­chungs­freien Daten­ver­bin­dung für mobiles Arbeiten oder Strea­ming im Zug. "Wenn wir die zusätz­lichen Flächen­fre­quenzen entlang der Gleise akti­vieren, kommen wir diesem Ziel ein Stück näher", sagt die Tech­nik­chefin von Voda­fone Deutsch­land, Tanja Richter. "Millionen Pendler und Reisende können von diesem wich­tigen Ausbau­schritt profi­tieren."

Inter­ferenzen mit Zugfunk befürchtet

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Foto: Deutsche Bahn
Es geht um das 900-MHz-Frequenz­band, in dem Mobil­funk-Netz­betreiber bisher nicht von Handy­masten aus funken dürfen, die in unmit­tel­barer Nähe der Gleise stehen. Der Grund hierfür ist, dass Inter­ferenzen mit dem Bahn­funk GSM-R befürchtet werden. Über den kommu­nizieren Lokführer, Stell­werke, Bautrupps und Fahr­dienst­leiter mitein­ander. Bei neuer Technik - soge­nannten gehär­teten Endge­räten - treten solche Störungen nicht mehr auf. Daher wurden alle in Deutsch­land tätigen Bahn­unter­nehmen zur Umrüs­tung auf diese robusten Endge­räte verpflichtet, und zwar bis zum 11. Dezember 2022. Bis zu 100 Prozent der Kosten über­nahm der Bund.

Betroffen von dem Funk­verbot im 900er-Frequenz­band ist die Gegend direkt neben der Bahn­strecke. Dort stehen die meisten Sende­masten, die für die Versor­gung der Stre­cken gedacht sind. Genau diese Stationen dürfen weiterhin nicht auf 900 MHz funken. Ab 500 Metern Entfer­nung ist das nach einer Einzel­fall­prü­fung zwar möglich, die Prüfung ist aber kompli­ziert und kostet Zeit.

Von solchen recht weit entfernten Masten aus könnten die Firmen nach einer posi­tiven Einzel­fall­prü­fung zwar auf 900 MHz bis auf die Gleise funken, da der Abstand ihrer Stationen zu den Bahn­funk-Sendern groß genug ist. Tatsäch­lich spielt diese Möglich­keit nach Angaben aus der Mobil­funk­branche aber kaum eine Rolle, weil die Netz­betreiber ihre Stationen möglichst nah an den Gleisen haben. Entschei­dend sei die Gegend direkt an der Zugstrecke - und die ist nun weiterhin tabu.

Auch der Geschäfts­führer des Tele­kom­muni­kations-Bran­chen­ver­bands VATM, Jürgen Grützner, weist auf die Bedeu­tung der 900er-Flächen­fre­quenz für die Netz­betreiber hin: "Sie hilft dabei, während Bahn­fahrten konstante Daten­raten zu sichern." Die Frist­ver­län­gerung bringe letzt­lich Nach­teile für die Bahn­kunden. "Das hat unter anderem Auswir­kungen auf die Geschwin­dig­keit, mit der die Bahn­stre­cken besser mit Mobil­funk versorgt werden können."

Umrüs­tung verläuft schlep­pend

Für besseren Mobil­funk im Zug ist die Umrüs­tung der Loko­motiven auf die "gehär­teten" Endge­räte nötig. Die kam zuletzt nur schlep­pend voran. Von den 14.000 Trieb­fahr­zeugen, die in Deutsch­land zuge­lassen sind, sind noch immer mehr als 1000 nicht umge­rüstet, wie aus dem Beschluss der Bundes­netz­agentur hervor­geht. Die Firmen begrün­deten die Verzö­gerungen mit pande­mie­bedingten Perso­nal­aus­fällen, Liefer­eng­pässen und Zulas­sungs­pro­blemen.

Es geht vor allem um Güter­züge von Bahn-Konkur­renten, die Deut­sche Bahn selbst ist relativ weit - sie hat nach eigenen Angaben 97 Prozent ihrer Fahr­zeuge entspre­chend vorbe­reitet, im Sommer 2023 soll der Umrüst­pro­zess abge­schlossen sein. 6000 DB-Fahr­zeuge seien start­klar.

So recht­fer­tigt die Bundes­netz­agentur ihren Beschluss

Die Bundes­netz­agentur hält die neue Zwei-Jahres-Frist für erfor­der­lich. Die Behörde verweist auf Zahlen, denen zufolge ein zügi­geres Vorgehen nega­tive Folgen für den Zugver­kehr haben könnte, etwa für die in der Ener­gie­krise so wichtig gewor­denen Kohle­trans­porte. Würde man den Schalter also früh umlegen und wäre die Nutzung der neuen Funk­technik Pflicht, dürften diese Züge nicht mehr fahren.

"Von einem bereits jetzt verpflich­tenden Einsatz gehär­teter Geräte würden insbe­son­dere auch Ener­gie­trans­porte auf der Schiene erheb­lich erschwert", sagt ein Spre­cher der Netz­agentur. Der Mobil­funk­ausbau an der Schiene könne weiter­gehen. "Hierzu stehen auch ausrei­chend andere Frequenz­bereiche zur Verfü­gung."

Nach Erkennt­nissen der Bonner Behörde werden im Juli 2023 voraus­sicht­lich noch mehr als 800 Trieb­fahr­zeuge nicht umge­rüstet sein und Anfang 2024 noch mehr als 400. "Betroffen sind dann vornehm­lich Fahr­zeuge, die im grenz­über­schrei­tenden Güter­ver­kehr in mehreren Ländern einge­setzt werden", heißt es von der Netz­agentur. Erst Ende 2024 hätte sich die Lage aus Sicht der Behörde so entspannt, dass die Pflicht für die "gehär­teten" Geräte greifen könnte und keine großen Folgen für den Zugver­kehr hätte.

Wie der connect Netz­test 2023 gezeigt hat, gibt es vor allem bei der Mobil­funk­ver­sor­gung entlang von Bahn­stre­cken noch massiven Nach­bes­serungs­bedarf.

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