VATM fordert Überholspur beim Glasfaserausbau
Der Glasfaserausbau in Deutschland ist und bleibt kompliziert. Es gibt Orte und Straßen, da bauen bestimmte Unternehmen "eigenwirtschaftlich", d.h. ohne Fördergelder aus, wenn sicher ist, dass kein Konkurrent früher oder später auftaucht und darauf besteht, eigene Leitungen zu verlegen. Sei es zeitgleich ("Mitverlegung") oder später oder mit "unbeleuchteten" Glasfasern, die dem "eigenwirtschaftlich" ausbauenden Unternehmen die Kalkulation "zerstören" können.
Hauptfeindbild ist hier die Telekom, die historisch bedingt - die meisten Bestandskunden hat. Wenn ein Telekom-Kunde mitbekommt, dass im Ort die Telekom auch Glasfaser anbieten kann und will, dann wird er kaum den Anbieter wechseln.
Eigenwirtschaftlich lohnt sich nicht immer
Wenn ein Ort eigenwirtschaftlich ausgebaut wird, soll es eine Expressförderung für Nebenstraßen geben, die sonst zunächst nicht ausgebaut würden
Foto: Picture Alliance/dpa/BELGA
Es gibt aber noch ein anderes Problem: In vielen Orten lassen sich nicht alle Straßen "eigenwirtschaftlich" ausbauen, weil die Häuser zu weit "entfernt" vom nächsten Verteiler liegen und die Grabungskosten die Kalkulation sprengen würden.
Also muss ein kompliziertes Förderverfahren angeschoben werden. Viele Gemeinden haben "auf Verdacht" eine Förderung beantragt und damit den Topf des Digital-Ministers Wissing geplündert. Deshalb wurde die Förderung gestoppt und soll neu aufgesetzt werden.
VATM fordert "Überholspur"
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), in dem auch viele Glasfaserunternehmen zusammengeschlossen sind, hat nun die "Super Fast Lane" (auf Deutsch "extra schnelle Überholspur") für die effiziente Verzahnung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau gefordert.
Die Argumente klingen sehr vernünftig: "Wenn die Bagger sowieso im Ort sind, müssen sie auch die Häuser an das Glasfasernetz anschließen, die Förderung brauchen, damit nicht auf Jahre hinaus neue weiße Flecken entstehen", fordert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Nach dem Aussetzen der Förderung im Oktober aufgrund aufgebrachter Mittel liegt nun der Entwurf für die neue Gigabit-Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vor, der aber genau das nicht vorsieht.
Grützner findet: "Grundsätzlich geht der Entwurf an einigen Punkten in die richtige Richtung. Aber das Grundproblem von zu wenig Priorisierung und zu viel Fördermitteln verlangsamt den Glasfaserausbau und macht ihn gleichzeitig teurer." Genauer: "Die geplante Förderrichtlinie schafft nicht die dringend erforderliche Planungssicherheit für den schnellen eigenwirtschaftlichen Ausbau von Glasfasernetzen bis 2030", kritisiert Grützner.
"Es ist richtig, die bislang un- und unterversorgten Orte möglichst schnell und effizient mit Glasfaser zu versorgen und diese auf eine sogenannte 'Fast Lane' zu schieben sowie die Bagger priorisiert genau dorthin zuerst zu schicken", so der VATM-Geschäftsführer: "Aber noch wichtiger ist doch, dass dort, wo die Bagger im Einsatz sind, alle Häuser angeschlossen werden können und man die ausbauenden Unternehmen nicht für Jahre aus dem Ort wegfahren lässt."
Genau diese dringend notwendige Verzahnung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau habe auch der Minister selbst gefordert. Sie sei so auch im Koalitionsvertrag verankert. "Für diese Fälle brauchen wir eine 'Super Fast Lane', damit in einem Rutsch auch die meist wenigen Prozent förderbedürftiger Anschlüsse in einem Ort gleich miterledigt werden", appelliert Grützner an die Verantwortlichen in der Politik.
Warnung vor neuen weißen Flecken
Damit der verzahnte Ausbau auch zeitlich funktioniert, müsste bei Unterschreiten einer "Bagatellgrenze" von Förderanschlüssen ein pauschales schnelles Fördermittel greifen. Die Beantragung der wenigen Förderfälle müsste absolut prioritär abgearbeitet werden - in der 'Super Fast Lane'. Anderenfalls würden neue weiße Flecken bleiben, weil, statt solche Adressen zur Förderung in eine "Super Fast Lane" zu schieben, im vorgesehenen Konzept genau diese Anschlüsse nicht einmal die geplante "Fast Lane" und damit eine schnellere Förderung erreichen können. "Das ist ein elementarer Konstruktionsfehler, der die eigenen Vorgaben der Regierung aushebelt", warnt der VATM-Geschäftsführer.
Schwachstellen des Konzeptes bleiben
Weitere Schwachstellen des Konzeptes bleiben aus Sicht des VATM nach aktuellem Stand bestehen, obwohl die Verbesserungsvorschläge seit langem auf dem Tisch liegen. Die fehlende Übertragbarkeit nicht benötigter Mittel in das nächste Jahr verschärft den Druck auf immer mehr statt weniger Förderung.
Damit Förderung sinnvoll gesteuert werden kann, sollten die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, nicht abgerufene Fördermittel in das nächste Haushaltsjahr zu übertragen. "Auch mit Blick auf die Baukapazitäten macht es keinen Sinn, wenn die Länder um jeden Preis die zur Verfügung stehende Förderung bis Ende des Jahres abrufen müssen", so Grützner.
Auch die vermeintliche Stärkung der Betreibermodelle sehen die Investoren kritisch. Die Modelle beruhen wirtschaftlich in aller Regel darauf, dass die Betreiber später kleine örtliche Netze erwerben und in ihr Gesamtnetz integrieren können, wenn wieder genügend Kapitalmittel im Markt vorhanden sind. Nur so dürften viele der viel zu kleinen Netze überhaupt überlebensfähig sein und die Betriebskosten im Griff gehalten werden können. Der Entwurf präferiert nun den Verbleib der Netze dauerhaft bei den Kommunen. "Die in Deutschland einmalige Zersplitterung des Marktes würde damit perpetuiert (= auf Ewigkeit festschrieben) und das Ziel des sinnvollen Zusammenwachsens der Netze konterkariert. Unter derart absurden Bedingungen werden sich schlicht keine Investoren für Deutschland finden lassen, die bereit wären, für eine absehbare Zeit den Betrieb dieser kleinen sehr regionalen Netze zu organisieren und zudem dauerhaft hohe Pacht zu zahlen", warnt der VATM-Geschäftsführer.
Grundsätzlich positiv steht der Verband dem Vorschlag des Branchendialogs gegenüber. ";Auch hier komme es aber auf die konkrete praxistaugliche Ausgestaltung an. Landesweite Branchendialoge dürfe es nur im Ausnahmefall geben, wenn das neue Instrument regional spezifische Besonderheiten und Investitionsmöglichkeiten berücksichtigen wolle.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Prinzipiell hat der VATM recht. Es müsste schneller und flexibler gehen. Aber wir sind in Deutschland, das von Bürokraten regiert wird. Und die können nicht über ihren Schatten springen, weil Rechnungshöfe und andere Bürokraten oder die vor Ort unterlegene Konkurrenz sofort laut aufschreien würden, wenn sie sich "benachteiligt" fühlen. Solange passiert dann gar nichts.
Die Idee, dass die Gemeinden ihre Netze selber bauen, hätte Charme, setzt aber voraus, dass es vor Ort Expertise in Sachen Telekommunikation gibt. Nur Fachleute sind Mangelware. Kleine Ortsnetzanbieter müssten sich früher oder später überregional zusammenschließen oder größere Anbieter einladen, ihr Netz zu betreiben. Solche Modelle gibt es seit einiger Zeit - von der Öffentlichkeit relativ unbemerkt - von dem "großen T" aus Bonn, beispielsweise.
Anhand des Breitbandatlas hätten Ausschreibungen stattfinden müssen, die eine klare Kalkulation für die komplette Versorgung einer Gemeinde fordern. Die Unternehmen, die sich bewerben, sollten dann sagen, wieviel Förderung sie noch brauchen. Aber auch das dauert und dauert und manche Kritiker glaube längst, dass ein Vollausbau des Landes mit Glasfaser längst nicht mehr wirtschaftlich sei, weil viele (meist jüngere) Anwender sich voll auf den Mobilfunk abstützen möchten und das Festnetz für "überflüssig" betrachten. Und ältere Nutzer sind oft mit den vom Kupfer gebotenen Geschwindigkeiten "zufrieden". Dabei wird gerne übersehen, dass Mobilfunk-Stationen ein schnelles Festnetz brauchen, um stabil versorgt zu werden.
In einer weiteren Meldung geht es um das Thema: Beim "Überbau" von Glasfaserleitungen gibt es viel Kritik.