Themenspezial: Verbraucher & Service Zu langsam

Lahmes Handy-Netz: Minderungsrecht noch in diesem Jahr

Deutsch­lands Handy­netze werden zwar besser, mancher­orts sind trotzdem nur Schne­cken­tempo-Über­tra­gungen möglich - wenn über­haupt. Ein Rechts­anspruch soll den Frust etwas lindern.
Von dpa /

Ein Rechts­anspruch, der Verbrau­chern bei schlechtem Handy­netz helfen soll, soll in diesem Jahr nutzbar werden. Das soge­nannte Mobil­funk-Minde­rungs­recht gilt zwar schon seit Ende 2021. Bisher fehlt dafür aber ein nötiges Internet-Mess­instru­ment. Auf dpa-Anfrage kündigte die Bundes­netz­agentur nun an, diesen Über­wachungs­mecha­nismus 2024 zur Verfü­gung stellen zu wollen. Konkreter wurde sie nicht. Warum dauert die Umsetzung des Minderungsrechts für Handy-Verträge so lange? Warum dauert die Umsetzung des Minderungsrechts für Handy-Verträge so lange?
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Verbrau­cher­schützer hatten der Behörde Untä­tig­keit vorge­worfen. "Seit Ende 2021 gilt bei schlechtem Mobil­funk ein Rechts­anspruch, den die Bundes­netz­agentur mit einem Mess­tool prak­tikabel machen sollte - aber weil es das Tool für den Mobil­funk bis heute nicht gibt, ist das nur eine leere Hülle", sagte der Rechts­anwalt Felix Flos­bach von der Verbrau­cher­zen­trale NRW.

TKG stärkte Posi­tion der Verbrau­cher

Im Dezember 2021 trat das über­arbei­tete Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz in Kraft, das die Posi­tion der Verbrau­cher gegen­über den Inter­net­anbie­tern stärkt. In dem Produkt­infor­mati­ons­blatt von Mobil­funk-Verträgen müssen die Anbieter den geschätzten Maxi­mal­wert für Down­loads und Uploads angeben. Gibt es "erheb­liche, konti­nuier­liche oder regel­mäßig wieder­keh­rende Abwei­chungen" zwischen der vertrag­lich verein­barten und tatsäch­lichen Leis­tung, hat der Verbrau­cher Anspruch auf vorzei­tige Kündi­gung oder auf eine gerin­gere Zahlung. Die Netz­agentur muss hierfür dem Gesetz zufolge einen Über­wachungs­mecha­nismus - auch Mess­tool genannt - erstellen, um den Anspruch auf Minde­rung tech­nisch zu ermit­teln.

Für das Fest­netz tut die Netz­agentur dies bereits. Auf breitbandmessung.de kann der Verbrau­cher entspre­chende Tests vornehmen, die aller­dings aufwendig sind und seither nur wenig genutzt werden. Mit dem Mess­ergebnis - sollte es das Minde­rungs­recht bestä­tigen - kann der Verbrau­cher dann an seinen Anbieter heran­treten. Stellt sich der Anbieter quer, ginge der Fall zum Amts­gericht - dort hätte der Verbrau­cher auf Basis des Mess­pro­tokolls gute Karten.

Kritik von Mobil­funk­firmen

Die Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter sind von dem Minde­rungs­recht wenig begeis­tert. Sie verweisen darauf, dass sie Milli­arden in den Ausbau ihrer Netze gesteckt haben und diese stetig besser werden. Das ist unstrittig: Im Schnitt werden Fest­netz und Handy­netz von Jahr zu Jahr besser. Mancher­orts hapert es aber - und wer ausge­rechnet in so einer Gegend lebt oder arbeitet, dem bringt es wenig, dass der Netz­ausbau insge­samt in Deutsch­land voran­kommt.

Verbrau­cher­schützer bemän­geln eine Diskre­panz zwischen Schein und Sein: Verträge versprä­chen viel zu oft viel zu viel, sagt Flos­bach. Immer wieder meldeten sich Bürger bei der Verbrau­cher­zen­trale und beklagten Defi­zite im Handy­netz. "Bisher kommen sie nicht vorzeitig raus aus dem Vertrag, selbst wenn er ihnen kaum noch was bringt und sie einen Vertrag bei einem anderen Netz­betreiber brau­chen, um an ihrem Wohn- oder Arbeitsort gute Verbin­dungen zu haben." Vorzei­tige Kündi­gungen oder gerin­gere Monats­zah­lungen wären Druck­mittel, damit Anbieter auch in dünn besie­delten Gegenden stärker ausbauten, sagt der Verbrau­cher­schützer.

Lange keine Wort­mel­dung

Im Sommer 2022 veröf­fent­lichte die Netz­agentur ein Eckpunk­tepa­pier, in dem es um die Struktur der Handy­netz-Messungen geht. Für ein Minde­rungs­recht sollen künftig 30 Messungen nötig sein, die sich auf fünf Tage verteilen. In städ­tischen Berei­chen müssen mindes­tens 25 Prozent des geschätzten Über­tra­gungs­maxi­mal­werts erreicht werden, in halb­städ­tischen Berei­chen 15 Prozent und auf dem Land zehn Prozent. Wer also durch die Innen­stadt einer Groß­stadt flaniert und laut Produkt­infor­mati­ons­blatt seines Handy­ver­trags eine Down­load-Maxi­mal­geschwin­dig­keit von 100 Megabit pro Sekunde zuge­sichert bekommen hat, muss eine Daten­über­tra­gung von mindes­tens 25 Megabit haben.

Bran­chen­ver­treter äußern Bedenken. Solche Messungen seien wesent­lich anspruchs­voller als im Fest­netz, sagt Frederic Ufer vom Internet-Bran­chen­ver­band VATM. "Der Mobil­funk­anbieter hat keinen direkten Einfluss auf die Verbin­dungs­qua­lität des Kunden, die von verschie­denen Faktoren wie dem Aufent­haltsort des Kunden, der Netz­aus­las­tung in der Funk­zelle oder auch dem Wetter abhängt."

Dennoch seien die Firmen verpflichtet, eine "geschätzte maxi­male Band­breite" anzu­geben, die nur unter opti­malen Bedin­gungen erreicht werden könne. In Bezug auf ein rechts­sicheres Mess­ver­fahren sollte eine ausge­wogene Lösung gefunden werden. "Wir begrüßen, dass die Bundes­netz­agentur dieses Verfahren sorg­fältig prüft", sagt Ufer.

Sorg­fäl­tige Prüfung oder Untä­tig­keit?

Die einen nennen es sorg­fäl­tige Prüfung, die anderen Untä­tig­keit - die Frage, warum die Netz­agentur bei dem Thema seit Sommer 2022 keine Fort­schritte mehr verkündet hat, wird von der Branche und von Verbrau­cher­schüt­zern unter­schied­lich beant­wortet. Aus der Politik kommen mode­rate Töne. "Das Minde­rungs­recht im Mobil­funk ist ein entschei­dendes Verbrau­cher­recht", sagt der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Maxi­milian Funke-Kaiser. "Ein adäquates Mess­tool ist uner­läss­lich, um dieses Recht zukünftig wirksam einzu­for­dern." Aller­dings räumt der Libe­rale ein, dass der Nach­weis einer zu geringen Leis­tung im Mobil­funk deut­lich komplexer als im Fest­netz ist.

Das betont auch der SPD-Bundes­tags­abge­ord­nete Johannes Schätzl: "Die Entwick­lung eines geeig­neten Programms muss daher alle Aspekte berück­sich­tigen, sowohl die der Verbrau­cher als auch die tech­nischen Gege­ben­heiten der Anbieter." Die Netz­agentur tue gut daran, sich für die Erstel­lung einer geeig­neten Soft­ware die nötige Zeit zu nehmen. Der Rechts­rahmen müsse aber einge­halten und das Mess­tool bereit­gestellt werden.

Bei schlechtem Internet hat der Verbrau­cher seit 2021 ein etwas schär­feres Schwert, damit der Provider für Besse­rung sorgt. Doch das Minde­rungs­recht hält nicht das, was es verspricht, monieren Verbrau­cher­schützer. Sollte es sofort eine pauschale Reduk­tion des Tarifs um 15 Euro pro Monat geben?

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