Déjà-vu

Editorial: Auf VDS 2.0 folgt die Sammelklage 2.0

Die Vorratsdatenspeicherung bringt auch in der Neuauflage kaum Nutzen. Zugleich bleibt der Eingriff in die Grundrechte der Bürger erheblich. Entsprechend hoch sind die Erfolgsaussichten für die angekündigten Verfassungsbeschwerden.
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Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung zieht sich schon viele Jahre hin Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung zieht sich schon viele Jahre hin
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Die große Koalition hat sie nun beschlossen: Die Vorratsdatenspeicherung 2.0. Die Verbände haben schon angekündigt, dass dagegen die Sammelklage 2.0 vor dem Bundesverfassungsgericht folgen wird: Die Tk-Anbieter wollen die Verbindungsdaten nicht zwangsweise speichern, obwohl sie es freiwillig schon lange tun. Bestimmte Berufsgruppen (Ärzte, Pastoren, Anwälte, Psychotherapeuten etc.) fürchten Eingriffe in die gesetzlich garantierte Verschwiegenheit. Aber auch "ganz normale" Bürger wollen nicht permanent überwacht werden.

Nun haben sich in Sachen Vorratsdatenspeicherung die Argumente seit den beiden ablehnenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nicht geändert. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Bürger, der zugleich keine oder allenfalls minimale Vorteile beispielsweise bei der Aufklärung tatsächlicher Verbrechen bringt. Auch die Vorratsdatenspeicherung 2.0 wird daher von den Gerichten kassiert werden, vermutlich sogar schneller als bei der ersten Auflage.

Denn die Argumente ändern sich auch nicht dadurch, dass die Speicherfristen nun verkürzt worden sind. Der Eingriff in die informelle Selbstbestimmung findet ja trotzdem statt. Und die Aufklärungsquoten werden auch dieses Mal nicht besser werden. Zur Aufklärung von Einzeltaten, z.B. Vergewaltigung oder Mord, sind die Vorratsdaten in aller Regel viel zu ungenau: In der Mobilfunkzelle, in der der Tatort liegt, befindet sich ja nicht nur der Täter, sondern meist tausende weitere Personen. Und zur Aufklärung von Serientaten, die z.B. im Rahmen der organisierten Kriminalität oder von Terroristen verübt werden, gibt es schon heute den Daten-Vollzugriff, der bei ausreichendem Anfangsverdacht richterlich angeordnet werden kann.

Die über ein Jahrzehnt lange Serie von Morden und Banküberfällen des Nationalsozialistischen Untergrunds (kurz NSU) wurde nach der Darstellung der Polizei jedoch nicht durch Rasterfahndung, großem Lauschangriff und Telekommunikations-Überwachung aufgeklärt, sondern durch ganz biedere Zeugenaussagen: Nach einem Banküberfall hatte ein Anwohner gesehen, wie Mundlos und Böhnhardt ihre Fahrräder in ein Wohnmobil verladen hatten. Das kam dem Anwohner verdächtig vor, so dass er die Polizei informierte. Die suchten daraufhin nicht nur nach den per Fahrrad geflüchteten Bankräubern, sondern auch nach dem Wohnmobil - und wurden recht schnell fündig.

Bessere Tk-Ausstattung der Polizei

Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung zieht sich schon viele Jahre hin Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung zieht sich schon viele Jahre hin
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Nun könnte die Polizeiarbeit in der Tat davon profitieren, dass Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (kurz BOS) generell mit besseren Telekommunikations-Mitteln ausgestattet werden. Doch das föderale Kompetenzgerangel zwischen den für die Polizei zuständigen Bundesländern sorgt dann meist dafür, dass entsprechende Projekte jahrelang verzögert werden oder gar komplett scheitern. Das Chaos bei der Umrüstung auf den digitalen Behördenfunk TETRA-BOS ist beispielsweise durchaus vergleichbar mit dem bei der Einführung der Lkw-Maut oder dem bei den Bauten des Großflughafens Berlin-Brandenburg und der Elbphilharmonie im Hamburg.

Ebenso schaden föderale Grenzen der Aufklärungsquote. Wenn ein Ermittler aus Niedersachsen eine heiße Spur im Bereich der organisierten Kriminalität hat, der eigentliche Tatort aber in Bayern liegt, dann muss er die Sache nach Bayern abgeben. Wenn aber die zuständigen Ermittler dort gerade mit anderen Fällen ausgelastet sind, den Anfangsverdacht des Kollegen aus Niedersachsen nicht teilen oder (im schlimmsten Fall) gar den Täter bewusst decken, dann verläuft die Sache nach der Übergabe an die zuständigen Behörden im Sand.

Beispielsweise wird Deutschland von zahlreichen Organisationen vorgeworfen, ein Eldorado für Geldwäscher [Link entfernt] zu sein. Daran wird sicher auch die Vorratsdatenspeicherung nichts ändern. Schließlich sind Geldwäscher mehr oder weniger die einzigen Bürger, die sogar freiwillig Steuern zahlen, um schmutziges Geld aus dunklen Quellen in scheinbar legale Einkünfte umzumünzen. Es wird also auch künftig eher selten passieren, dass das Finanzamt bei besonders guten Steuerzahlern mal etwas genauer nachfragt, ob der ganze Geldsegen wirklich aus legalen Quellen kommt.

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