keine Veranlassung

Gericht: Vorratsdatenspeicherung ist unverhältnismäßig

Verwaltungsgericht Wiesbaden sieht Verstoß gegen Grundrecht auf Datenschutz
Von Marie-Anne Winter

Nachdem bereits das Verwaltungsgericht Berlin die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ausgebremst hat, ist nun das Verwaltungsgericht Wiesbaden zu der Ansicht gekommen, dass die flächendeckende Aufzeichnung der Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetnutzung der gesamten Bevölkerung unverhältnismäßig sei.

In der heute vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 27. Februar 2009, Aktenzeichen 6 K 1045/08.WI) heißt es wörtlich: "Das Gericht sieht in der Datenspeicherung auf Vorrat einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Sie ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. Der Einzelne gibt keine Veranlassung für den Eingriff, kann aber bei seinem legalen Verhalten wegen der Risiken des Missbrauchs und des Gefühls der Überwachung eingeschüchtert werden [...] Der nach Art. 8 ERMK zu wahrende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die Richtlinie [zur Vorratsdatenspeicherung] nicht gewahrt, weshalb sie ungültig ist".

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der eine Verfassungsbeschwerde von über 34 000 Bürgerinnen und Bürgern gegen die Totalprotokollierung des Kommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung initiiert hat, begrüßt die Gerichtsentscheidung sehr. Er fordert SPD und Union nun auf, das neueste Vorhaben der Regierung zu stoppen, Internetanbieter künftig auch zur flächendeckenden Aufzeichnung des Surfverhaltens im Internet zu ermächtigen.

Aufruf an alle

"Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, bei ihren Abgeordneten jetzt gegen die geplante Surfprotokollierung zu protestieren", erklärt Werner Hülsmann, Vorstandsmitglied im Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung und aktiv im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Zum Stopp des Vorhabens, über das der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung beraten wird, hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine Kampagnenseite im Internet eingerichtet. Anfang März warnte auch der Bundesrat, die im Gesetzentwurf vorgesehenen "anlasslose oder flächendeckend durchgeführte Speicherungen sämtlicher Nutzungsdaten" seien mit dem Grundgesetz "nicht vereinbar".

"Die neuerliche Kritik von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung belegt, dass sein Überwachungswahn keine Grenzen kennt", kritisiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Es ist eben nicht 'Sache des Gesetzgebers', den Schutz unserer Verfassung vor Fehlern und Missbräuchen von Behörden immer weiter auszuhöhlen. Wir brauchen endlich eine Grundrechteagentur, die alle bestehenden Eingriffsbefugnisse und Programme der Sicherheitsbehörden systematisch und nach wissenschaftlichen Kriterien auf ihre Wirksamkeit, Kosten, schädlichen Nebenwirkungen, auf Alternativen und auf ihre Vereinbarkeit mit unseren Grundrechten untersucht."

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