Unverständlich

teltarif hilft: Unitymedia kassiert 3 Jahre für nicht existenten Anschluss

Eine Unitymedia-Kundin zahlte drei Jahre lang für einen Anschluss, den es in ihrer Wohnung gar nicht gab. Als sie ihr Geld wiederhaben wollte, musste teltarif.de helfend eingreifen.
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Der Hauptsitz von Unitymedia Der Hauptsitz von Unitymedia
Bild: Unitymedia
In unserer Artikelserie teltarif hilft berichten wir regelmäßig über Kunden, die mit ihrem Provider Probleme haben wegen einer falschen Rechnung oder eines nicht oder verspätet geschalteten Anschlusses. Auch Kündigungen, die aus fadenscheinigen Gründen nicht akzeptiert wurden, kommen ab und zu vor. Der heutige Fall versetzte aber sogar unsere Redaktion in Erstaunen.

Eine Kundin beantragte Mitte September 2013 den Tarif 2play Plus 100 in einem Unitymedia-Shop. Nach einer Überprüfung des Shop-Mitarbeiters hieß es, ein Unitymedia-Kabelanschluss sei an der Adresse der Kundin vorhanden. Die Kundin erhielt die Hardware zugesandt - doch dann folgte das böse Erwachen.

Drei Jahre Grundgebühr, obwohl keine Dose vorhanden war

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Bild: Unitymedia
Nach der Aktivierung des Vertrags und der Zusendung der Hardware stellte sich heraus, dass es in der Wohnung überhaupt keinen Kabelanschluss gab. Die Mieterin der Wohnung eine Etage unter der Wohnung der Kundin hatte sich aus unerfindlichen Gründen geweigert, die Techniker in ihre Wohnung zu lassen, um den Kabelanschluss zu installieren. Dies hatte zur Folge, dass alle weiteren Wohnungen in den darüberliegenden Stockwerken keine Kabeldosen erhielten. Auch auf weitere Nachfragen weigerte sich die renitente Nachbarin, die Techniker in ihre Wohnung zu lassen.

Unitymedia stornierte daraufhin allerdings keineswegs den Vertrag, sondern versprach, sich um die Sache zu kümmern. Doch offenbar glaubte der Kabelnetzbetreiber der Kundin nicht und verlangte eine Bescheinigung der Hausverwaltung, dass in die betreffende Wohnung nie ein Kabelanschluss verlegt worden war. Dann trafen mehrere unglückliche Ereignisse zusammen. Zum Einen wurde die Kundin so schwer krank, dass sie sich für längere Zeit nicht mehr um die Sache kümmern konnte. Zum Anderen gab es in den darauffolgenden Monaten mehrmalige Wechsel des Hauseigentümers beziehungsweise der dazugehörenden Hausverwaltung.

Seitens Unitymedia konnte die Kundin keine außerordentliche Kündigung erreichen, der Vertrag wurde erst zum 27.09.2016 beendet, nachdem die Kundin einen schriftlichen Nachweis der aktuellen Hausverwaltung darüber vorlegen konnte, dass es in der Wohnung gar keinen Anschluss gibt. In diesem Schreiben bestätigte die Hausverwaltung auch, dass die Mieterin der darunterliegenden Wohnung an der Misere schuld war und nicht die Unitymedia-Kundin.

In den drei Jahren hatte Unitymedia allerdings fleißig jeden Monat die Grundgebühr abgebucht, ohne dass jemals auch nur ein Byte über den Internetanschluss geflossen ist oder irgendein Telefonat geführt worden wäre. Mittlerweile war ein Rechnungsbetrag von insgesamt 1116 Euro für nicht erbrachte Leistungen aufgelaufen.

teltarif.de schaltet sich ein

Im September 2016 übernahm dann der Freund der Unitymedia-Kundin in deren Auftrag die Angelegenheit und versuchte erfolglos, den aufgelaufenen Betrag von Unitymedia zurückzufordern. Unitymedia beharrte darauf, dass der Nachweis der Hausverwaltung über die Nichtexistenz der Kabeldose zu spät vorgelegt worden sei und verweigerte jegliche Erstattung.

Der Freund wandte sich daraufhin mit Einverständnis der Kundin an unsere Redaktion, schilderte den Sachverhalt und legte Teile des bisherigen Schriftverkehrs vor, unter anderem das Bestätigungsschreiben der Hausverwaltung sowie die Ablehnungsbescheide von Unitymedia.

teltarif.de wandte sich diesbezüglich an Unitymedia und schilderte nochmals, dass für den betreffenden Vertrag niemals eine Leistung erbracht worden ist und aufgrund der fehlenden Kabeldose auch gar nicht erbracht werden konnte. Unitymedia reagierte zunächst gar nicht auf unsere Anfrage. Nachdem wir nochmals in der Sache nachhakten, schrieb uns ein Unitymedia-Sprecher: "Ich fasse nochmals nach und melde mich. Ich glaube aber nicht, dass wir den vollen Betrag erstatten können."

Unitymedia erstattet nur die Hälfte des strittigen Betrags

Die Kundin und ihr Freund hatten sowohl gegenüber Unitymedia als auch gegenüber teltarif.de beteuert, dass die Kundin selbst auf jeden Fall eine Mitschuld trifft, weil sie aus gesundheitlichen Gründen über mehrere Monate nicht auf die Anfrage von Unitymedia reagiert hat. Trotzdem baten die beiden um eine Erstattung des vollen Betrags, da ja offensichtlich niemals eine Leistung erbracht worden war.

Dieses Zugeständnis nutzte Unitymedia dazu, der Kunden nicht den vollen Betrag zu erstatten. An unsere Redaktion schrieb der Netzbetreiber:

Da es sich nicht um ein reines Verschulden von Unitymedia handelt, werden wir der Kundin bei der Erstattung aus Kulanz um die Hälfte entgegenkommen, ihr also 557,92 Euro zurückzahlen. Wir werden sie darüber informieren.

Unitymedia gestand also keinerlei Schuld an der Misere ein und erstattete lediglich aus Kulanz aufgrund des Eingreifens von teltarif.de die Hälfte des Betrags. Damit konnte sich die Kundin aber keineswegs zufrieden geben. Auch teltarif.de führte weitere Argumente ins Feld.

Denn Unitymedia müsste aus den technischen Überwachungsprotokollen eigentlich leicht ersehen können, dass über den Vertrag niemals ein Telefonat geführt wurde und auch kein Internet-Verkehr stattgefunden hat. Auch wenn die Kundin ihre eigenen Versäumnisse eingestanden hat: In den Anschluss-Unterlagen von Unitymedia - sofern diese sorgfältig geführt wurden und werden - müsste verzeichnet gewesen sein, dass in der Wohnung keine Dose vorhanden ist. Wir stellten Unitymedia die Frage: Warum wurde der Tarif dann überhaupt aktiviert? Und wenn Unitymedia nach ein paar Monaten feststellt, dass der Anschluss überhaupt nicht genutzt wird: Warum hat Unitymedia dann nicht bei der Kundin nachgefragt und von sich aus den Vertrag beendet, sondern stattdessen einfach weiter kassiert?

Juristen haben eventuell das letzte Wort

Ohne Rücksprache mit teltarif.de hatte die Kundin sich mittlerweile bei einem Anwalt in der Sache erkundigt. Dieser schrieb an die Kundin:

Der Vertrag, den Sie mit Unitymedia haben, ist ein Dienstvertrag (mit miet- oder kaufvertraglichen Komponenten) nach § 611 BGB. Die Vorschriften im BGB über den Dienstvertrag kennen anders als beim Kaufvertrag keine Mängelgewährleistung. Das bedeutet, Sie müssen Unitymedia auf Schadenersatz verklagen. Das Gericht wird Unitymedia verurteilen. Sollte Unitymedia dem Urteil nicht nachkommen, so wird das Gericht auf Ihren Antrag hin ein Zwangsgeld gegen Unitymedia festsetzen. Der Schadensersatz umfasst die bereits gezahlten Beträge. Sollte sich herausstellen, dass die versprochene Leistung nicht erfüllbar ist (war), besteht aus meiner Sicht neben dem Schadensersatzanspruch auch die Möglichkeit einer Strafanzeige, da Unitymedia Leistungen verspricht, die sie nicht einhalten kann.

Die Kundin machte unserer Redaktion gegenüber klar, dass sie erwägt, die restliche Hälfte des Betrages gerichtlich einzufordern. teltarif.de unternahm nun einen letzten Schlichtungsversuch und versuchte, bei Unitymedia die Auszahlung des Restbetrages zu erwirken, um eine juristische Auseinandersetzung zu vermeiden. Unitymedia beharrte aber weiter auf der bisherigen Position und wies der Kundin erneut eine Mitschuld zu:

Wir haben uns den Fall in Gänze nochmals detailliert angesehen. Uns wurde seinerzeit durch den Techniker mitgeteilt, dass eine MMD vorhanden ist, jedoch das Signal schlecht sei. Wir wollten die notwendigen Arbeiten an der HVA vornehmen, erhielten hierzu aber nicht die Genehmigung. Die Kundin hatte sich erstmals im Januar 2014 gemeldet und danach nur einmal mit Widerruf, der sicher "verfristet" war. Auf unseren Hinweis hin hat sich die Kunden dann nicht mehr gemeldet, weshalb wir eine Erstattung auf Kulanzbasis nach den bisherigen Erkenntnissen für wohlwollend und mehr als angemessen ansehen. Sofern der juristische Vertreter der Kundin von Schadensersatz spricht, ist darauf hinzuweisen, dass dies Verschulden voraussetzt - dieses ist hier aber vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen gerade nicht erkennbar. Auch sehen wir keinen Anlass für eine Strafanzeige, da wir die Leistung ja erbringen können, es aber - wie auch zugestanden - an der notwendigen Mitwirkung der Kundin fehlt(e). Ich hoffe, Sie können unsere Position nun besser nachvollziehen.

teltarif.de konnte in dem Fall also immerhin eine Auszahlung der Hälfte des strittigen Betrags erwirken. Die Kundin und ihr Freund überlegen nun, wie sie in der Sache juristisch weiter verfahren und ob der zu erstreitende Betrag ein Gerichtsverfahren rechtfertigt oder nicht.

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