Vodafone: Gigabit-Aufrüstung in Baden-Württemberg
Der den meisten Lesern eher als Anbieter von Mobilfunk bekannte Netzbetreiber Vodafone Deutschland hat bekanntlich in verschiedenen Stufen die "Erben" des TV-Kabelnetzes der ehemaligen Deutschen Bundespost zusammen gekauft, um im Festnetz einen direkteren Zugriff auf die Kunden zu haben, ohne beim Hauptwettbewerber Telekom die "letzte Meile zum Kunden" teuer mieten zu müssen.
Koaxkabel-Netze waren Verteilnetze
Wie schon öfters berichtet, sind die Koaxkabel-TV-Netze in den 1980er-Jahren ursprünglich als reine Verteilnetze konzipiert worden, um mehr TV-Programme und teilweise auch Radiosignale zum Kunden zu bringen. Erst später kam die Idee eines Rückkanals für Gewinnspiele, Meinungsumfragen oder Fragen und Kommentare zum Programm vom Nutzer zum Veranstalter transportieren zu können. Doch irgendwann kam das Internet und mithilfe des DOCSIS-Protokolls mussten die Kabel-Netze internet-tauglich gemacht werden.
Cluster verkleinern
Ortskern von Heidenheim an der Brenz (bei Ulm) in Baden-Württemberg. Im "Ländle" rüstet Vodafone seine Netze auf.
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Das geschieht dadurch, dass die Verteiler-Knoten ("Cluster") immer näher an die Kunden verlegt werden, immer weniger Kunden sich einen Cluster teilen müssen und die Cluster statt mit Koaxkabel mit moderner Glasfaser versorgt werden. Vodafone nennt dieses Prinzip "Kabel-Glasfaser".
Baden-Württemberg: 3,7 Millionen Anschlüsse möglich
In Baden-Württemberg hat Vodafone nach eigenen Angaben nun 3,7 Millionen Gigabit-Anschlüsse verfügbar, sofern die erreichbaren Kunden diesen Anschluss auch buchen möchten. Damit sei, so teilte das Unternehmen heute mit, die "Gigabit-Aufrüstung des Kabel-Glasfasernetzes in Baden-Württemberg vollendet". Die neue Technik erlaube Download-Geschwindigkeiten von "bis zu einem Gigabit pro Sekunde".
Alle Kabel-Anschlüsse im "Ländle" seien auf den DOCSIS-Standard, Version 3.1, aufgerüstet worden. Rund 99 Prozent der Kabel-Haushalte in Baden-Württemberg könnten somit einen Tarif mit einer Downloadgeschwindigkeit von 1.000 MBit/s buchen – was mehr als 70 Prozent der Bevölkerung des Bundeslandes entspreche.
Vereinzelt noch nicht buchbar
Doch Vodafone räumt ein, dass "vereinzelt in einigen Netzbereichen" noch keine Gigabit-Buchung möglich sei, verspricht aber, den Vermarktungsstart "in den kommenden Wochen oder Monaten". Vodafone hat seine Glasfaser-Kabel "tief in die Orte" verlegt und lässt sie an den "Glasfaser-Knoten in den Straßen" enden. Von dort folgt auf den letzten Metern zum Kunden der koaxiale Anteil des Gigabit-Netzes. Hier kommt die Kabel-Technologie DOCSIS 3.1 zum Einsatz, die aktuell eine Geschwindigkeit von mehr als 1000 MBit/s möglich macht.
Netzmodernisierung seit 2018
Die Netzmodernisierung des Kabelnetzes hatte Vodafone im Rahmen seines Netzausbauprogramms bundesweit schon im Oktober 2018 gestartet. In Baden-Württemberg konnte Vodafone erst nach der Unitymedia-Übernahme im Februar 2020 loslegen. Bundesweit, so betont man in der Konzernzentrale, könnten "mehr als 23 Millionen Kabel-Haushalte" über Vodafone mit Gigabit-Tempo surfen, sofern sie sich für einen Vertrag bei Vodafone entschieden haben.
Nächste Aufgabe: NRW und Hessen
Aber es gibt noch einiges zu tun: Noch nicht abgeschlossen ist die Netz-Aufrüstung in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen. Vodafone hatte das dortige Kabelnetz wie auch das in Baden-Württemberg im September 2019 durch den Zukauf von Unitymedia übernommen. Bereits vollendet sei "seit Mitte September 2020" die sogenannte "Gigabit-Aufrüstung im Kabel-Glasfasernetz" in den übrigen 13 Bundesländern.
Wo kein Koaxkabel ist, kommt keins mehr
Das bedeutet, wo das Koaxkabel liegt, können Kunden einen Anschluss buchen, wo es kein Koaxkabel gibt, sind die Chancen gering, dass es noch neu verlegt wird. Das wäre auch technologisch wenig sinnvoll. Hier wird eher Vodafone oder ein anderer Anbieter ein Glasfasernetz bis ins Haus legen oder die Kunden über Glasfasernetze bis zur Bordsteinkante (Abkürzung FTTC oder besser bekannt als "Vectoring-DSL") versorgen oder tut das schon.
Zukunft DOCSIS 4.0?
Da der Datenverkehr auch im Festnetz in Baden-Württemberg jährlich um etwa 20 Prozent wächst, möchte Vodafone die Kapazitäten seines Glasfaserkabelnetzes erweitern: Perspektivisch ist ein weiterer Technologieschub, z.B. auf den Standard DOCSIS 4.0, im Kabel-Glasfasernetz geplant. Dann könnten Spitzengeschwindigkeiten von mehreren Gigabit an jedem Anschluss erreichbar sein. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
40.000 Haushalte bekommen direkte Glasfaser
Aktuell erschließt Vodafone über 40.000 Haushalte im geförderten Breitbandausbau in mehreren Landkreisen (Breisgau-Hochschwarzwald, Ortenaukreis und Enzkreis) mit Glasfaser-Anschlüssen bis ins Haus (FTTH). In den vergangenen 12 Monaten seien rund 130 Neubaugebiete mit mehr als 10.500 Haushalten in Baden-Württemberg mit Glasfaser erschlossen worden; in weiteren 70 Neubaugebieten werde von Vodafone derzeit noch Glasfaser bis ins Haus gelegt. Vodafone nennt über "225 Gewerbegebiete mit Glasfaser", wodurch mehr als 11.250 Unternehmen mit schnellem Internet von Vodafone versorgt werden könnten.
160 Millionen Gigabyte im Mobilfunk
Neben dem Ausbau des Koaxkabel-TV-Netzes ist Vodafone auch dabei, sein Mobilfunknetz auf Vordermann zu bringen, denn die Nachfrage steigt unaufhörlich. Alleine in Baden-Württemberg wurden nach Angaben des Unternehmens im letzten Jahr rund 160 Millionen Gigabyte an Daten im Mobilfunknetz von Vodafone transportiert, da sei eine Steigerung um 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vodafone möchte mit dem Ausbau des LTE-Netzes und dem Aufbau des 5G-Netzes dem gestiegenen Bedarf Rechnung tragen.
Gigabit-Netze bringen Lebensqualität
Hannes Ametsreiter, Deutschland-Chef von Vodafone, findet, dass „Gigabit-Netze bringen mehr Lebensqualität und sind der entscheidende Rohstoff für Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand. Hier im ‚Ländle‘ bauen wir zurzeit so viel ‚Netz‘ wie noch nie. Mit der nun abgeschlossenen Aufrüstung unseres Kabel-Glasfasernetzes auf die Gigabit-Technologie DOCSIS 3.1 haben wir in Baden-Württemberg ein wichtiges Ziel erreicht. Unseren hiesigen Netzausbau setzen wir fort – wir machen unser LTE-Netz noch besser, bauen das 5G-Netz aus und stärken unser Festnetz mit immer mehr Glasfaser.“
Mobilfunk: 920 Ausbauprojekte bis Mitte 2022 geplant
Im letzten Jahr habe Vodafone im Mobilfunk alleine in Baden-Württemberg mehr als 1300 Bauprojekte realisiert. Darunter waren 83 Neubauten (wo vorher noch nichts war). An knapp 1300 bereits vorhandenen Mobilfunkstationen wurde zusätzliche Breitband-Technologie (z.B. 4G oder 5G) dazu installiert. Aktuell nennt Vodafone 3.148 Mobilfunkstationen alleine in Baden-Württemberg. Dadurch seien 99,8 Prozent der Bevölkerung an das Vodafone-Mobilfunknetz "angebunden". Mit LTE könne Vodafone 98,7 Prozent der besiedelten Gebiete in dem Bundesland erreichen. Bis Mitte 2022 seien 920 weitere Mobilfunk-Ausbauprojekte geplant, "um das Mobilfunknetz weiter zu verstärken sowie mehr Kapazitäten und Geschwindigkeiten ins Netz zu bringen".
5G-Netz in Baden-Württemberg
Vodafone hat sich als mittelfristiges Ziel gesetzt, möglichst die gesamte Bevölkerung auch an das 5G-Netz anzubinden. Dabei will Vodafone die 3.148 bereits vorhandenen Mobilfunkstationen – wo immer möglich – nach und nach mit 5G ausstatten. "Punktuell" werde es auch Neubauten geben, die dann die 5G-Technologie an Bord haben sollen. Aktuell habe bereits an 694 Standorten im Bundesland 5G-Technologie in Betrieb. 5G-Stand-Alone gibt es nur auf 3,5 GHz "mit Latenzzeiten unter 10 Millisekunden", bereits an 18 Standorten in Baden-Württemberg, so Vodafone. 5G könne eine Netzrevolution werden, die für zahlreiche Branchen und Industrien neue Produkte mit sich bringe und den Alltag lebenswerter mache, postuliert Vodafone.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Der Ausbau der Netze von Vodafone ist richtig und wichtig, wird aber so - wie angekündigt - bei weitem nicht ausreichen. Hier ist einfach - auch wenn das den Kostenrechnern im britischen Hauptquartier des Vodafone-Weltkonzerns schlaflose Nächte bereitet - noch viel mehr Netzausbau notwendig - und der kostet viel Geld.
Alleine im südlichen Baden-Württemberg, z.B. im Hochschwarzwald, gibt es noch massive Funklöcher, wo weder Vodafone, noch die Wettbewerber Telekom oder o2 mit Mobilfunk versorgen. Und die Klagen der mittelständischen Wirtschaft, von denen viele sicher aus der Vergangenheit eher auf Vodafone als den ersten privatem Wettbewerber der "Deutschen Bundespost" gesetzt haben, sind deutlich.
Vielleicht muss das politische Konzept von vier in der Fläche konkurrierenden Netzen über den Haufen geworfen und das Thema "Netzausbau" völlig neu gedacht werden.
Regelmäßig berichten wir über den Netzausbau der Mobilfunkanbieter.