Auf Gigabit-Kurs: Zwei Jahre Unitymedia bei Vodafone
Logo-Austausch am Standort Kerpen nach der Unitymedia-Übernahme
Bild: Vodafone
In dieser Woche jährte sich ein Ereignis zum zweiten Mal, das den Festnetz-Markt in Deutschland verändert hat: Zum 2. September 2019 wurde mit Unitymedia einer der letzten größeren TV-Kabel-Gesellschaften in Deutschland in Vodafone integriert. Zuvor war bereits KabelBW in Unitymedia aufgegangen. 2014-2015 war schon Kabel Deutschland von Vodafone übernommen worden. Vodafone ist damit der dominierende Kabel-Netzbetreiber in Deutschland und im Festnetz-Bereich dadurch auch der größte und wichtigste Konkurrent der Deutschen Telekom.
Die Unitymedia-Eingliederung sollte natürlich nicht nur positive wirtschaftliche Effekte für Vodafone mit sich bringen, sondern auch ganz neue Produkte und Services für die Kunden ermöglichen. Anlässlich des zweijährigen Jubiläums der Unitymedia-Integration haben wir uns mit Gerhard Mack, Geschäftsführer Technik und
Commercial Operations bei Vodafone, darüber unterhalten, welche Herausforderungen, aber auch Chancen die Unitymedia-Übernahme mit sich gebracht hat und wie die Zukunft des TV-Kabelnetzes aussieht.
Logo-Austausch am Standort Kerpen nach der Unitymedia-Übernahme
Bild: Vodafone
teltarif.de: Herr Mack, welche Kundenrückmeldungen hat Vodafone von ehemaligen Unitymedia/KabelBW-Kunden in den vergangenen zwei Jahren seit der Eingliederung erhalten, beispielsweise zur Kundenansprache, Kundenservice, Netzqualität und Tarifgestaltung?
Gerhard Mack: Vor exakt zwei Jahren haben wir die Unitymedia-Kunden mit Willkommensgeschenk und einem kombinierten Festnetz- und Mobilfunktarif in der Vodafone-Welt begrüßt. Das war ein guter Beziehungsstart. Dann kam der Alltag und damit auch die Rückmeldungen: Unsere Kunden erwarten von uns ein top Netz zu einem top Preis. Und das bieten wir: 1000 Mbit/s für unter 50 Euro. Unsere Wettbewerber verlangen das Doppelte, wenn sie überhaupt solche Geschwindigkeiten bieten können. Wir können das bereits für 23 Millionen Menschen in ganz Deutschland. Auf dem Land genauso wie in den Städten. Und wir bauen kräftig weiter aus. Jeden Tag. Verdichten das Netz, sorgen für noch mehr Kapazität. Das kommt an, das zeigt unsere Marktforschung. Die Wahrnehmung für die Marke Vodafone bei den früheren Unitymedia-Kunden entwickelt sich positiv. Preis-Leistung, Technik und Netz-Performance sind die Reputationstreiber.
Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Eingliederung erschwert?
Mit Beginn der Integration kam die Corona-Pandemie. Die hat vieles bei uns auf den Kopf gestellt. Rund 16.000 Vodafone-Mitarbeiter mussten ins Home-Office. Von einem Tag auf den anderen. Das hat die Eingliederung der neu hinzugekommenen Mitarbeiter erschwert. Viele von uns haben sich aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen über Monate nie persönlich getroffen. Alles lief digital. Doch die Zusammenarbeit hat gut funktioniert. Dies bescheinigen uns nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die regelmäßigen Mitarbeiterumfragen, die wir während der Pandemie durchführen. Da gab es aus der Unitymedia-Welt viel Lob. Viele der Integrationsprojekte konnten wir dank der neuen digitalen Werkzeuge erheblich beschleunigen.
Die größte Herausforderung war jedoch eine andere: Home-Office, Home-Schooling, Streaming - deutschlandweit und zu jeder Zeit. Wir haben ein Bandbreitenwachstum von bis zu 200 Prozent gehabt. Das brachte unser Netz vielerorts zum Glühen. Es gab nicht mehr die eine Lastspitze in den Abendstunden. Stattdessen dauerhaften Hochbetrieb. Von neun Uhr morgens bis 21 Uhr abends. Trotz allem hat unser Netz standgehalten. Lediglich auf lokaler Ebene kam es zeitweilig mancherorts zu Engpässen.
Welche Harmonisierungsarbeiten mussten nach der Eingliederung von Unitymedia in Vodafone Kabel durchgeführt werden, beispielsweise bei Netzkomponenten, Kunden-Hardware, TV-Senderbelegung, Tarifgestaltung, Materialeinkauf usw.?
Bereits im Februar 2020 haben wir mit GigaCableMax ein gemeinsames Produkt beider Marken vorgestellt, das Rebranding abgeschlossen und den Gigabit-Ausbau gestartet. Danach die Produkte und Tarife harmonisiert, den Service zusammengelegt und die Netze verheiratet. Nicht sichtbar, aber doch entscheidend für alles andere war die Verzahnung der unterschiedlichen IT-Systeme und Datenbanken.
Welche davon waren aus wirtschaftlicher Sicht dringend notwendig, damit der gewünschte Synergieeffekt entsteht, also eine dauerhafte Einsparung von Kosten und Ausgaben? Was ist abgeschlossen, was muss noch erledigt werden?
Auf finanzielle Annahmen und Ziele der Übernahme haben wir zielgerichtet hingearbeitet. Weit über 50 Technologie-Dienste haben wir abgelöst oder von Unitymedias Mutterkonzern Liberty Global entkoppelt. Synergieeffekte gab es überall. Beim Einkauf oder auf Produktseite. Die Vodafone Station hat die Connect Box als Router ersetzt. Im TV-Bereich löst GigaTV jetzt die Horizon-Plattform ab. Das alles vereinfacht unser Angebot und reduziert Kosten.
Welche Investitionsrückstände mussten in den ehemaligen Unitymedia/KabelBW-Netzen aufgeholt werden (erstmalige Rückkanalfähigkeit/erstmailger DOCSIS-3/3.1-Ausbau...)? Was ist abgeschlossen, was muss noch erledigt werden?
Kein Kabelnetz ist wie das andere, die Netzarchitektur und der Evolutionsgrad unterscheiden sich sogar regional. DOCSIS 3.1 im Downstream gab es bei Unitymedia nur in wenigen Städten. Hier haben wir angesetzt, um unsere Gigabit-Vision mit Leben zu füllen. Dafür greifen wir auf einen umfangreichen Maßnahmenmix zurück. Wir haben die Anzahl der klassischen Segmentierungen deutlich erhöht, die Voraussetzung für virtuelle Netzsegmentierungen geschaffen und DOCSIS 3.1 im Down- und Upstream ausgerollt. Zudem bauen wir eine verteilte Netzarchitektur, bei der zentrale Funktionen aus den Technik-Standorten in die lokalen Glasfaser-Knotenpunkte wandern. Der Vorteil: Die Netzinfrastruktur wird digitaler, die Signalqualität besser und der Energieverbrauch des Netzes sinkt. Und durch ein einheitliches TV-Angebot machen wir unser Netz noch flexibler und robuster.
Wie ist nach zwei Jahren der Stand bei der Aufholung dieser Investitionsrückstände?
Viele Ampeln stehen auf grün. DOCSIS 3.1 ist netzweit im Down- und Upstream eingeführt. Die Netzsegmentierungsmaschinerie läuft auf Hochtouren. Mehrere tausend Netzsegmentierungen sind es allein auch wieder in diesem Geschäftsjahr und die Glasfaser rückt dadurch immer näher in Richtung Kunde. Seit März haben Kunden im Gebiet der ehemaligen Unitymedia-Gesellschaften in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg Zugang zur GigaTV-Welt.
Vodafone-CTO Gerhard Mack
Bild: Vodafone
Mit welchen Einschränkungen hat Vodafone derzeit beim Netzausbau zu kämpfen, für die Vodafone selbst nicht verantwortlich ist (zu wenig Tiefbaufirmen, internationaler Chipmangel usw.)? Wie kann Vodafone die Folgen dieser Einschränkungen abmildern?
Der Glasfaserausbau in Deutschland hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Das ist gut für Deutschland und gut für die Tiefbauer, deren Auftragsbücher gut gefüllt sind. Auswirkungen auf unseren Netzausbau hat das nicht. Wir verbuddeln schon seit Jahren gemeinsam mit unseren Partnern aus der Baubranche Glasfaser im Boden und rüsten unsere Netztechnik auf. Denn ein Netz ist niemals fertig, es gibt immer viel zu tun. Durch den weltweiten Chip-Mangel waren bestimmte Router-Modelle nur eingeschränkt lieferbar, aber das wirklich nur zeitweilig. In Kürze startet übrigens die Vermarktung einer neuen Vodafone Station, die dann auch über WiFi6 verfügt.
Gibt es überhaupt noch Anschlüsse in den Netzen von Vodafone (egal ob ehemals KabelDeutschland oder Unitymedia/KabelBW), die nicht rückkanalfähig sind und wenn ja: wie viel Prozent der Anschlüsse sind das?
Die Zahl ist schwindend gering. Bei Unitymedia war das Netz zum Zeitpunkt der Übernahme nahezu vollständig rückkanalfähig. Zuletzt haben wir noch einige verbliebene Inseln in den anderen Bundesländern mit Rückkanälen ausgestattet.
Wie geht Vodafone mit der aktuellen Situation um, dass in manchen Bereichen des Vodafone-Kabelnetzes eine tadellose Performance für die Kunden (z. B. mit dauerhaft Gigabit-Speed) geboten werden kann, während in anderen Regionen die Netzknotenpunkte hoffnungslos überbucht sind und die Kunden deswegen kündigen?
Wir gewinnen eher Breitbandkunden hinzu – der Bedarf nach schnellem Internet steigt schließlich weiter. Und kein anderes Unternehmen in Deutschland bietet so viele Gigabit-Anschlüsse wie wir. Indem wir immer mehr Glasfaser in unsere Netze bringen, sie näher an die Haushalte heranbringen und durch Segmentierungen die Zahl der Kunden in den Segmenten verringern, kommt das Gigabit beim Kunden auch an.
Testet oder plant Vodafone derzeit einen DOCSIS-4-Ausbau? Nur teilweise oder für das ganze Netz?
Wir wirken an der Entwicklung von DOCSIS 4.0 mit. Bis jetzt gibt es nur Prototypen der Technik. Und DOCSIS 3.1 bietet ausreichend Reserven für höhere Geschwindigkeiten. Entscheidend sind gutes Kapazitätsmanagement und ausreichend Bandbreiten-Reserven in den Netzen.
Aktuell besteht ja die Gesamtstrategie darin, die Glasfaser so nah wie möglich an die Gebäude der Kunden zu bekommen und nur die letzten Meter mit Koaxialkabel bis in die Wohnungen zu überbrücken und hierüber Gigabit anzubieten. Ab wann plant Vodafone, generell alle Koaxial-Strecken in die Wohnungen der Kunden durch Glasfaser zu ersetzen?
Im Vodafone Netz legen die Daten schon heute den Großteil des Weges über Glasfaserleitungen zurück. Der koaxiale Anteil im Nahbereich des Kunden ist klein und dort zündet DOCSIS 3.1 den Gigabit-Turbo. Wir konzentrieren uns daher auf zwei Aspekte. Zum einen wollen wir die Gigabit-Aufrüstung im Kabel-Glasfasernetz bis 2022 vollenden. Zum anderen bringen wir kontinuierlich weiter Glasfaser in den koaxialen Bereich des Netzes und führen dort auch weiter mehr Netzsegmentierungen durch. Das Resultat: Netzqualität und Leistungsfähigkeit steigen.
Wie kann Vodafone seine Kabel-Kunden in Zukunft noch mehr davon überzeugen, Gigabit-Anschlüsse zu buchen statt niedrigerer Bandbreiten?
Wir haben schon mehr als eine Million Gigabit-Kunden, das sind mehr als andere Unternehmen Gigabit-Anschlüsse haben. Und die Erfolgsformel habe ich eingangs schon genannt: ein top Netz zu einem top Preis! Dazu der Zugang zu unserem TV- und Entertainment-Angebot GigaTV, das lineares Fernsehen, Mediatheken und die populärsten Streaming-Anbieter unter einer Oberfläche zusammenbringt.
Wie geht Vodafone mit der Situation um, dass in einigen Jahren der Kabelanschluss nicht mehr Bestandteil der Mietnebenkosten-Abrechnung ist, sondern auch an bisherige Bestandskunden ganz neu direkt vermarktet werden muss?
An neuen Modellen für attraktive Angebote arbeiten wir bereits, es gibt aber auch noch viele technische Herausforderungen zu meistern. Zum Beispiel den Umgang mit dem TV-Signal. Eines kann ich versichern: Unsere Produkte und Dienstleistung werden auch morgen von den Bewohnern nachgefragt werden – die Vertragsform ist dabei unerheblich. Denn wir punkten weiter mit unserem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis bei Gigabit-Internet und einem einfachen Zugang zu unserem TV-Produkt.
Zur Person:
Gerhard Mack (Jahrgang 1968) ist seit Dezember 2018 Chief Technology Officer (CTO) und damit Technik-Chef von Vodafone Deutschland. Bereits seit 1. April 2016 leitet Mack den Bereich Commercial Operations bei Vodafone Deutschland. Er verantwortet somit neben der Netzinfrastruktur und den IT-Systemen auch das Kundenerlebnis und den Kundenservice für Privat- und Geschäftskunden im Mobilfunk-, Festnetz- und TV-Geschäft. Der Nachrichtentechnik-Ingenieur Gerhard Mack ist bereits seit 2006 für Kabel Deutschland und Vodafone tätig. Bei Kabel Deutschland hat er das Ressort Technical Operations aufgebaut und wurde 2014 als COO in den Vorstand berufen. Nach der Übernahme durch Vodafone verantwortete er als Deputy Technology Director die Integration der Technikbereiche von Vodafone und Kabel Deutschland.
Ex-Kunden von Unitymedia haben teilweise noch Handytarife ohne Grundgebühr - die Marke nennt sich PureMobile. Aktuell erhalten die Kunden nun Briefe von Vodafone mit einer Preiserhöhung: Sie sollen nun plötzlich 3,93 Euro monatlich zahlen.