Kritik an TKG-Novelle: Entwurf mit Nachbesserungsbedarf
Die Novellierung des TKG soll den Glasfaserausbau beschleunigen. Während der VATM harsche Kritik übt, sieht der BREKO eher die konstruktiven Punkte.
Foto: Uwe Anspach/dpa
Verbände und Interessengruppen haben den Entwurf für die Novellierung (Überarbeitung) des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erhalten und wurden um Stellungnahme gebeten. Das aktuelle Papier ist über 400 Seiten stark. Je nach Interessenlage reicht die Kritik von Zustimmung bis zu harscher Kritik.
VATM: Mehr Unterstützung der Glasfaser-Ausbauer
Die Novellierung des TKG soll den Glasfaserausbau beschleunigen. Während der VATM harsche Kritik übt, sieht der BREKO eher die konstruktiven Punkte.
Foto: Uwe Anspach/dpa
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations und Mehrwertdienstleistungen (VATM) findet, dass die Novelle die Glasfaser ausbauenden Unternehmen deutlich klarer unterstützen müsse. Neuregelungen würden eher die Telekom begünstigen, "als die seit langem schon viel stärker ausbauenden Wettbewerber".
Ein noch weitergehender Verzicht auf Regulierung gegen bloße Zugangszusagen der Telekom zu ihrem Netz sei so nicht im europäischen Rechtsrahmen vorgesehen. Der geforderte Zugang zur passiven Infrastruktur (Kabelstrecken, Leerrohre) der Telekom sei nicht vollständig umgesetzt. Wettbewerber müssten die Bundesnetzagentur anrufen können, um neue Märkte zu definieren und zu untersuchen.
70 Prozent von Telekom Konkurrenten gebaut
70 Prozent der von den Kunden gebuchten Glasfaseranschlüsse (FTTH/B) seien von den Wettbewerbern der Deutschen Telekom gebaut worden. Der VATM bemängelt, "eine für Wettbewerber planbaren Migration von alten Kupfernetzen auf moderne Glasfaser komme viel zu kurz". Andere Länder seien deutlich weiter und klarer als Deutschland. Der VATM fordert ein investitions- und wettbewerbskonformes Preisniveau für die Kupfer- und Glasfaserleitungen, womit die sinnvolle, schrittweise Abschaltung des Kupfernetzes für den Weg in die Gigabit-Gesellschaft nicht von "disruptiven Endkundenpreisentwicklungen" (= Verteuerungen) für Breitbandanschlüsse begleitet wird.
Soll heißen: Wenn überall Glasfaser verlegt ist, könnte die Telekom die Preise für ihre alten Kupferleitungen so krass erhöhen, um den tatsächlichen Umstieg auf Glasfaser zu beschleunigen, was kleineren privaten Anbietern, die nicht in Glas investieren können oder wo es sich für sie nicht lohne, kaum gefallen dürfte.
Der stetige Regulierungsabbau würde den Glasfaserausbau der Telekom nicht beschleunigen, notwendig sei ein starker Wettbewerb.
Angst vor mehr Verbraucherschutz
Wieder einmal verhakt sich der VATM im Verbraucherschutz, weil die Branche einen Untergang befürchtet, wenn Kunden früher kündigen können oder schneller aus (nicht wirklich gewollten) Verträgen aussteigen könnten. Dass zufriedene Kunden nicht kündigen sondern bleiben, wird gerne übersehen.
„Keinesfalls darf es im Rahmen der weiteren Beratungen zu zusätzlichen Belastungen für die Glasfaser oder 5G ausbauenden Unternehmen kommen“, unterstreicht VATM-Geschäftsführer Grützner.
Gibt es auch etwas Gutes im Entwurf?
Immerhin wurden einige wichtige Vorschläge aus dem Digital-Gipfel-2019-Entwurf (unter Beteiligung des VATM) aufgegriffen. Das seien Erleichterungen bei Wegerechten und der Bürokratieabbau bei Genehmigungsverfahren. Abschließend fordert der VATM, "bei nicht lösbaren Streitpunkten exakt an die EU-Vorgaben halten.“
BREKO mit konstruktiver Kritik
Konstruktiver befasst sich der Bundesverband Breitband-Kommunikation (BREKO) mit dem Entwurf und möchte eine "moderne Regulierung für einen dynamischen Glasfaserausbau". Anders als die „Kupferwelt“ sei der Glasfaserausbau "nicht durch ein ehemaliges Staatsmonopol in der Hand eines Unternehmens gekennzeichnet", sondern durch zahlreiche lokale und regionale Ausbauprojekte einer Vielzahl von Unternehmen.
Da auch die Telekom zukünftig Glasfaser ausbauen wird, wäre es nicht zielführend, die neuen Netze mit den gleichen Regeln zu behandeln, wie die aus Monopolzeiten stammenden Kupfernetze.
Der neue europäische Rechtsrahmen, der mit dem TKG umgesetzt wird, sieht weitgehend wettbewerbliche Instrumente wie Selbstverpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens vor. Durch sogenannte Verpflichtungszusagen zu Ko-Investitionen und Netzzugang können weiterreichende Regulierungsauflagen abgewendet werden. Hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) das geprüft und für verbindlich erklärt, kann von weiteren Regulierungsauflagen abgesehen werden. Bei Problemen muss die BNetzA "zielgenau die Regulierungsintensität jederzeit wieder erhöhen" können. Der BREKO findet diesen Ansatz richtig, weil er "der besonderen Marktstruktur im Glasfasermarkt entspricht" und flexibel ist.
Kupfer wird an Bedeutung verlieren
Je mehr Glasfaser in die Gebäude kommt, desto mehr verliert das bestehende Kupfernetz an Bedeutung. Daher ist absehbar, dass die Telekom irgendwann ihr Kupfernetz abschalten wird. Die neue Regelung soll sicherstellen, dass Unternehmen, die Leitungen ("Vorleistungen") von der Telekom haben möchten, auch nach Abschaltung des Kupfernetzes reibungslos weiter versorgen können.
Auch der BREKO sieht da Probleme, wenn nicht die Telekom motiviert wird, "volkswirtschaftlich sinnvoll und nachhaltig auf Glasfasernetze von Wettbewerbern" zu migrieren, sprich, auch bei der Konkurrenz (den Mitgliedern des BREKO und des VATM) Leitungen anzumieten oder einzukaufen.
Realistisch sieht der BREKO, dass die Branche sich zusätzliche Spielregeln geben muss, unter "Moderation" und Aufsicht der Bundesnetzagentur.
„Recht auf schnelles Internet“ – Universaldienst verzögert zukunftssicheren Ausbau
Im Gesetz ist ein „rechtlich abgesicherter Anspruch auf schnelles Internet“ vorgesehen. Das bedeutet, dass die BNetzA bestimmte Unternehmen dazu verdonnern könnte, in Regionen mit besonders schlechten Netzen, "auf Antrag eine Versorgung mit einem Mindeststandard an Bandbreite zu realisieren" auch als "Universaldienst" bekannt. Diese Anbindung sollen dann alle anderen Anbieter, die in dem Gebiet nicht selbst bauen wollen, mitfinanzieren.
Der BREKO befürchtet eine Vereinzelung des Ausbaus statt einer "Skalierung". Nur dort, wo weder ein eigenwirtschaftlicher noch staatlich geförderter Glasfaserausbau Aussicht auf Erfolg versprechen, beziehungsweise im Fall von Förderverfahren schon gescheitert ist, käme das als letzter Ausweg in Betracht. Der Mobilfunk sollte dabei mit einbezogen werden.
Gutschein 2.0: Glasfaser-Prämie
Nach wie vor hält der BREKO eine „Glasfaser-Prämie“ für zielführend. Die Idee wurde früher als "Gutscheine" deklariert: Bürger und Unternehmen in unterversorgten Gebieten erhalten eine finanzielle Unterstützung für die Realisierung eines Glasfaseranschlusses und die Abdeckung eines Teils der monatlichen Kosten des gebuchten Tarifs. Artikel 90 des Europäischen Rechtsrahmens (EECC) erlaubt als Alternative zum Umlageverfahren des TKG-Entwurfs auch die Möglichkeit einer staatliche Entschädigung der Firma die dort ausbaut. Gewisse Grenzen sollten aber beachtet werden.
Vereinfachte, beschleunigte Genehmigungsverfahren = schnellerer Ausbau
Schnellere Genehmigungsverfahren werden der Schlüssel sein. Oft müssen Kommunen oder Kreise, Naturschutz-, Denkmalschutz- oder wasserhaushaltsrechtliche Aspekte und Vorgaben des Straßenverkehrsrechts beachten werden, jeder will sein eigenes Verfahren. Im Entwurf wird eine Forderung des BREKO umgesetzt, Genehmigungsverfahren an einer zentralen Stelle (auf Kreisebene) zusammenlaufen zu lassen, was nicht länger als drei Monate dauern darf.
Umlagefähigkeit bei Mieten für Breitbandanschluss – Motor für Glasfaserausbau
Wie bereits berichtet, sollen die Kosten von Breitbandanschlüssen in Mietshäusern umlagefähig bleiben, wenn dadurch der Ausbau beschleunigt wird. Die gebauten Netze sollen aber von allen Anbietern genutzt werden dürfen. Die Umlagen sollen enden, wenn der Ausbau erfolgt und bezahlt ist.
Eigentlich hätte das neue TKG schon Ende 2019 diskutiert werden sollen. Oft kommt es anders, als gedacht. Im neuen TKG soll auch ein Höchstpreis für Anrufe zur Vorwahl 0700 festgelegt werden.