Zu schlecht

Bundesnetzagentur nennt erste unterversorgte Orte

Beim Wort Bundes­netz­agentur denken Viele an einen "zahn­losen Tiger". Mitnichten: Jetzt werden unter­ver­sorgte Orte aufge­deckt.
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Beim Thema Bundes­netz­agentur denken viele Mitmen­schen an einen "zahn­losen Tiger", oder einfa­cher formu­liert: "Die tun ja doch nichts".

Von daher "verblüfft" die Bundes­netz­agentur mit der Nach­richt, Orte in Deutsch­land gefunden zu haben, wo die vorge­schrie­bene Mindest­ver­sor­gung mit Tele­kom­muni­kation nicht erfüllt ist.

BNetzA nennt konkrete Namen und Orte

Die Gemeinde Stuhr hat 33.500 Einwohner und einen Autobahnanschluss. Teile davon sind TK-mäßig völlig unterversorgt, sagt die BNetzA. Die Gemeinde Stuhr hat 33.500 Einwohner und einen Autobahnanschluss. Teile davon sind TK-mäßig völlig unterversorgt, sagt die BNetzA.
Foto: Picture Alliance/dpa
Nicht nur das: Die Netz­agentur nennt ganz konkrete Orte und Namen: Im Bundes­land Nieder­sachsen sind die Gemeinden 21770 Mittelste­nahe (Land­kreis Cuxhaven), 21646 Halves­bostel (Kreis Harburg), 21438 Brackel (Lüne­burger Heide, Kreis Harburg) sowie 28816 Stuhr (Kreis Diep­holz) nicht ausrei­chend mit Tele­kom­muni­kati­ons­dienst­leis­tungen versorgt, "weder aktuell noch in objektiv abseh­barer Zeit ange­messen oder ausrei­chend".

Ergo hat die Bundes­netz­agentur förm­lich fest­gestellt, dass Bedarf an Versor­gung besteht.

Förm­liche Fest­stel­lung der Unter­ver­sor­gung

Damit wird sie tätig: Erst­malig stellt die Bundes­netz­agentur förm­lich "Unter­ver­sor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten" fest. Präsi­dent Müller stellt klar: "Wir wollen möglichst schnell Versor­gung errei­chen. Wir stellen heute zum ersten Mal für einige Haus­halte in Nieder­sachsen förm­lich fest, dass die recht­lich vorge­schrie­bene Mindest­ver­sor­gung nicht erfüllt ist. Im weiteren Verfahren wird es nun darum gehen, die Versor­gung so schnell wie möglich herzu­stellen. Die betrof­fenen Haus­halte sollen möglichst bald eine Mindest­band­breite erhalten.“

Aufruf zum Ausbau

Der nächste Schritt ist klar defi­niert: Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter können sich nun in einem nächsten Schritt inner­halb eines Monats gegen­über der Bundes­netz­agentur zur Versor­gung der betrof­fenen Haus­halte verpflichten. Sollte kein Unter­nehmen ein Angebot machen, wird die Bundes­netz­agentur inner­halb von spätes­tens vier Monaten eines oder mehrere Unter­nehmen dazu verpflichten, die betrof­fenen Haus­halte mit einem Tele­kom­muni­kati­ons­anschluss zu versehen und Tele­kom­muni­kati­ons­dienste anzu­bieten.

Die verpflich­teten Anbieter müssen spätes­tens nach drei Monaten beginnen, die Voraus­set­zung für die Anbin­dung zu schaffen. In der Regel sollte das Mindest­angebot dann inner­halb von weiteren drei Monaten zur Verfü­gung stehen. Wie lange es dauert, bis ein Anschluss zur Verfü­gung steht, hängt zum Beispiel davon ab, ob erheb­liche Baumaß­nahmen erfor­der­lich sind.

Recht auf Versor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten

Nach dem Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz von 2021 hat jede Bürgerin und jeder Bürger einen Rechts­anspruch auf Versor­gung mit einem Mindest­angebot an Sprach­kom­muni­kation, also Telefon, und einem schnellen Inter­net­zugangs­dienst für eine ange­mes­sene soziale und wirt­schaft­liche Teil­habe.

Die Down­load-Geschwin­dig­keit muss mindes­tens 10 Megabit pro Sekunde betragen und die Upload-Rate muss bei mindes­tens 1,7 Megabit pro Sekunde liegen. Die Latenz, also die Verzö­gerungs­zeit bis zum Refe­renz­mess­punkt aus der Breit­band­mes­sung-Desktop-App der Bundes­netz­agentur, darf nicht höher als 150 Milli­sekunden sein. Die Bundes­netz­agentur über­prüft diese Werte jähr­lich und veröf­fent­licht ihre Ergeb­nisse detail­liert auf ihre Webseite.

Verbände üben massive Kritik

In Reak­tion darauf melden sich die Verbände VATM und BREKO zu Wort.

Sie kriti­sieren die Umset­zung des Rechts auf Versor­gung mit Tele­kom­muni­kati­ons­diensten zur Sicher­stel­lung einer Internet-Grund­ver­sor­gung. Dabei seien erstaun­licher­weise fast ausschließ­lich Neubau­gebiete adres­siert worden. „So weit ist es in Deutsch­land gekommen, dass wir Neubau­gebiete nicht, falls wirt­schaft­lich nicht erschließbar, über die seit vielen Jahren bestehende Breit­band­för­derung mit Glas­faser versorgen, sondern nun versu­chen, diese mit der Internet-Grund­ver­sor­gung von 10 MBit/s anzu­schließen“, so VATM-Geschäfts­führer Jürgen Grützner. „Das ist“, so Dr. Stephan Albers, BREKO-Geschäfts­führer, „eine poli­tische Fehl­ein­schät­zung, die zeigt, dass wir in Deutsch­land nicht die rich­tigen Förder- und Anreiz­struk­turen haben. Der Fokus des Rechts auf Internet-Grund­ver­sor­gung muss auf den auch über bestehende Förder­pro­gramme nicht erreich­baren, schwer erschließ­baren Einzel­lagen liegen.“

Der Anschluss von Neubau­gebieten dürfe nicht über die Internet-Grund­ver­sor­gung abge­sichert werden, sondern müsse, im Falle der Unwirt­schaft­lich­keit, wie bei Gas, Wasser und Strom, in der Verant­wor­tung des Erschlie­ßungs­trä­gers liegen, so die Verbände.

In der Vergan­gen­heit hätten Kommunen viel­fach beson­ders teure Anschlüsse nicht in die Breit­band­för­derung mit einbe­zogen, um den Eigen­anteil an der Förde­rung gering zu halten. Damit blieben die Erschlie­ßungs­kosten gerade für die teuersten Anschlüsse an den ausbau­enden Unter­nehmen hängen.

„Wir fordern die Bundes­regie­rung auf, die Tele­kom­muni­kati­ons­branche bei der Konzep­tion des neuen Förder­pro­gramms von Anfang an einzu­binden, um best­mög­liche Bedin­gungen für den weiteren Glas­faser­ausbau zu schaffen.“

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Es ist klar: Die Zeiten, als die Deut­sche (Bundes-)Post noch einen Versor­gungs­auf­trag hatte, - koste es was es wolle - bis zum letzten Winkel eine Tele­fon­ver­sor­gung zu orga­nisieren, gibt es nicht mehr. Gleich­wohl ist es gut, dass die Bundes­netz­agentur jetzt die gesetz­liche Grund­lage hat, hier tätig zu werden, wenn auch der Zeit­punkt der Bauar­beiten noch einige Zeit auf sich warten lassen dürfte.

Wenn ein Ort nur wenige Einwohner hat, ist das tragisch. Für die 33.500 Einwohner zählende Gemeinde Stuhr ist der Bescheid aber irgendwo pein­lich, doch die Flur­stücke 6-31-106, 109, 110 und 112 sind nicht ausrei­chend versorgt. Punkt.

Man braucht kein Prophet sein, welcher Anbieter am Ende alle diese Orte erschließen wird. Für Anbieter im Wett­bewerb lohnt sich das halt alles nicht, so die land­läu­fige Meinung.

Viel­leicht setzt der Auftrag der Bundes­netz­agentur endlich einmal auch krea­tive Ideen frei, wie man solche Orte abseits der Haupt-Tram­pel­pfade kosten­günstig und doch effi­zient erschließen kann.

Die privaten Mitbe­werber müssten halt auch einmal in den sauren Apfel beißen. Das wäre mehr als fair und würde deren Glaub­wür­dig­keit sicher erhöhen.

Wir erklären, welche Aufgaben die Bundes­netz­agentur hat.

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