Themenspezial: Verbraucher & Service Problem

o2 verweigert vermehrt Prepaid-Auszahlungen

In immer mehr Fällen weigert sich o2, das teils hohe Prepaid-Guthaben auszu­bezahlen, beispiels­weise wenn der Antrag­steller nicht der ursprüng­liche Prepaid-Inhaber ist. Wir haben bei der BNetzA nach­gefragt.
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o2 verweigert Prepaid-Auszahlungen o2 verweigert Prepaid-Auszahlungen
Bild: Telefonica / o2
Eigent­lich ist die Sache juris­tisch seit Jahren klar: Prepaid-Guthaben darf nicht verfallen, sondern muss vom Provider ausbe­zahlt werden. Dazu darf der Provider dem Kunden keine hohen Hürden setzen.

Seit einigen Wochen beob­achtet teltarif.de, dass o2 die Auszah­lung von Prepaid-Guthaben in Einzel­fällen unter einem Vorwand ablehnt. In einigen Fällen handelt es sich um die seiner­zeit ausge­gebenen "Easy-Money"-Prepaid­karten, zu denen das Oberlandes­gericht München geur­teilt hat, dass hier auch das "Easy-Money"-Guthaben mit ausbe­zahlt werden muss.

teltarif.de hat auf der Basis von zwei konkreten Fällen versucht, eine Auszah­lung des Prepaid-Rest­gut­habens zu errei­chen - und beides Mal wurde dies von o2 abge­lehnt. Wir haben nicht nur den Verlauf der Fälle rekon­stru­iert, sondern hierzu auch bei der Bundes­netz­agentur nach­gefragt und o2 um eine Stel­lung­nahme gebeten.

Was passiert, wenn Erst-Besitzer und jetziger Besitzer abwei­chen?

Einige der Prepaid­karten, um die es geht, sind schon in einer Zeit ausge­geben worden, als es noch keine gesetz­liche Prepaid-Akti­vie­rungs­pflicht gab - diese wurde erst 2017 verbind­lich vorge­schrieben. Zuvor gab es zwar bereits seit 2004 eine Regis­trie­rungs­pflicht für Prepaid­karten, eine Veri­fizie­rung der vom Kunden ange­gebenen Daten war bis zur Ände­rung 2017 für den Provider aber nicht verpflich­tend und wurde darum zum Teil auch von den Provi­dern sehr lax gehand­habt.

o2 verweigert Prepaid-Auszahlungen o2 verweigert Prepaid-Auszahlungen
Bild: Telefonica / o2
Die Folge war und ist, dass aus dieser Zeit noch sehr viele Prepaid­karten im Umlauf sind, die auf Phan­tasie­namen wie "Micky Maus" oder auf eine Hotel-Adresse regis­triert sind. Und darüber hinaus ist die Weiter­gabe einer Prepaid­karte nicht verboten. Bis 2017 gab es keine Verpflich­tung, bei einer Weiter­gabe den Inha­ber­wechsel dem Provider zu melden. Dies ist erst seit 2017 der Fall und erfor­dert seitdem eine persön­liche Akti­vie­rung mit Iden­titäts­fest­stel­lung durch den neuen Inhaber.

In den teltarif.de vorlie­genden Fällen geht es um die Auszah­lung von Prepaid-Guthaben, bei dem der Antrag­steller, der teils seit vielen Jahren im Besitz der Prepaid­karte ist, nicht mit den bei o2 hinter­legten Inhaber-Daten über­ein­stimmt. Und die Kunden haben teils sogar zwischen­zeit­lich Versuche unter­nommen, den Miss­stand abzu­stellen - aller­dings erfolglos.

Die Geschichte der vorlie­genden Fälle

Die Geschichte der beiden teltarif.de vorlie­genden Fälle lässt sich wie folgt zusam­men­fassen:

  1. Die Verbrau­cher erwerben vor ca. 15 Jahren (also noch vor Einfüh­rung der gesetz­lichen Iden­tifi­zie­rungs­pflicht 2017) o2-Prepaid­karten auf Floh­märkten oder bekommen diese von Bekannten geschenkt.
  2. Die neuen Besitzer bean­tragen über das offi­zielle Besit­zer­wechsel-Formular von o2 einen Besit­zer­wechsel bei o2, doch dieser wird abge­lehnt mit dem Hinweis, der Kunde dürfe nicht mehr als drei dieser Prepaid­karten besitzen.
  3. Die neuen Besitzer laden jähr­lich per Bank­über­wei­sung Guthaben auf die SIM-Karten und nutzen diese auch, damit der Akti­vitäts­zeit­raum verlän­gert wird.
  4. In den Jahren 2021 und 2022 beginnt o2 damit, diese SIM-Karten nach und nach zu kündigen und das Online-Kunden­center für den Kunden zu sperren.
  5. Die Kunden bean­tragen die Auszah­lung des Gutha­bens über das offi­zielle Auszah­lungs-Formular von o2.
  6. Das lehnt o2 ab mit der Begrün­dung, das Guthaben dürfe nur an den ursprüng­lichen Besitzer ausge­zahlt werden, obwohl der neue Besitzer durch die Aufla­dungen per Bank­über­wei­sung und die Vorlage der SIM-Karte nach­weisen kann, dass die Guthaben von ihm stammen. Außerdem waren vor 15 Jahren auch Regis­trie­rungen auf Phan­tasie­namen wie "Micky Maus" üblich und nicht verboten.
  7. Einen nach­träg­lichen Besit­zer­wechsel lehnt o2 bei einer bereits gekün­digten Prepaid­karte eben­falls ab.
  8. o2 verlangt für die Auszah­lung des Gutha­bens an den aktu­ellen Besitzer einen Nach­weis zur Abtre­tung der Auszah­lungs­ansprüche oder eine Einver­ständ­nis­erklä­rung der jewei­ligen ursprüng­lichen "Vertrags­inhaber", obwohl zwischen diesen und dem aktu­ellen Besitzer seit Jahren kein Kontakt mehr besteht und es sich mögli­cher­weise um dama­lige Regis­trie­rungen auf Phan­tasie­namen handelt.

Das LG Kiel hat in seinem Urteil vom 19.05.2015 (8 O 128/13) aller­dings fest­gelegt, dass die Erstat­tung von Rest­gut­haben bei Mobil­funk­ver­trägen nicht an derar­tige Bedin­gungen geknüpft werden darf, die eine Hürde für den Kunden darstellen.

Das sagt die Bundes­netz­agentur

Da es aktuell nicht klar ist, ob das Verhalten von o2 den gesetz­lichen Vorgaben entspricht, haben wir hierzu bei der Bundes­netz­agentur nach­gefragt. Diese schrieb uns recht ausführ­lich:

Das von Ihnen geschil­derte Thema war mehr­fach Gegen­stand der zivil­gericht­lichen Recht­spre­chung, weil es hier in erster Linie um allge­meine zivil­recht­liche Fragen geht. Dabei ging es insbe­son­dere um die Unzu­läs­sig­keit von AGB-Klau­seln, die einen Verfall von Prepaid-Guthaben vorsahen. Unge­achtet dessen kann selbst­ver­ständ­lich auch ein Anbieter Verträge kündigen und somit deak­tivieren. Die ordent­lichen Kündi­gungs­fristen können sich von Anbieter zu Anbieter unter­scheiden und ergeben sich aus den im Einzel­fall verein­barten Vertrags­bedin­gungen.

Der Anspruch auf Auszah­lung des Rest­gut­habens unter­liegt der allge­meinen Verjäh­rungs­frist von drei Jahren zum Jahres­ende.

Seit dem 1. Dezember 2021 hat die zivil­gericht­liche Recht­spre­chung nun auch einen Platz in einer gesetz­lichen Rege­lung gefunden, nicht im allge­meinen Zivil­recht, sondern im Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz (TKG): Nach Para­graf 64 Abs. 4 TKG sind Anbieter von voraus­bezahlten Diensten verpflichtet, Verbrau­chern auf Anfrage das Rest­gut­haben bei Been­digung des Vertrags zu erstatten. Diese gesetz­liche Rege­lung greift auch bei Altver­trägen, soweit die Been­digung des Vertrags am 1. Dezember 2021 oder später erfolgt ist.

Vor diesem Hinter­grund sollten sich Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher an die Bundes­netz­agentur wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass ihr Anbieter die gesetz­lichen Verpflich­tungen nach dem Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz im Einzel­fall nicht einhält (Anzei­gever­fahren): www.bundesnetzagentur.de/tk-formular.

Die Bundes­netz­agentur kann die Anzeigen im Inter­esse aller Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher prüfen und nach­gehen, sie setzt aber grund­sätz­lich keine einzelnen Geld­ansprüche durch. Dies bleibt nach wie vor den Zivil­gerichten über­lassen.

Sofern keine Lösung mit dem Anbieter gefunden werden konnte, besteht als güns­tige und schnelle Alter­native zu einem Gerichts­pro­zess die Möglich­keit, bei der Bundes­netz­agentur eine außer­gericht­liche Streit­bei­legung zu bean­tragen: www.bundesnetzagentur.de/schlich­tungs­stelle-tk.

Die Schlich­tungs­stelle setzt zwar keine Forde­rungen durch. Sie kann aber einen Schlich­tungs­vor­schlag entwi­ckeln, der auf einen Kompro­miss abzielt. Im Übrigen können sich Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher auch von den Verbrau­cher­zen­tralen oder von einem Rechts­bei­stand beraten lassen.

Diese Fragen hat die BNetzA nicht beant­wortet

Die Bundens­netz­agentur hat zwar in ihrer Antwort, auf den Para­graf 64 Abs. 4 TKG verwiesen, dort heißt es aber ledig­lich: "Bei voraus­bezahlten Diensten erstattet der bishe­rige Anbieter dem Verbrau­cher auf Anfrage bei Been­digung des Vertrages das Rest­gut­haben." Gleich­zeitig hat die Behörde es aber unter­lassen, die anhand der o2-Vorfälle von teltarif.de aufge­wor­fenen Fragen zu beant­worten.

Wir fragten beispiels­weise, ob o2 bereits seiner­zeit nach dem Erwerb der SIM-Karten einen Besit­zer­wechsel verwei­gern durfte mit dem Hinweis, der Kunde dürfe nicht mehr als drei dieser Prepaid­karten besitzen. Darüber hinaus wollten wir wissen, ob o2 die Auszah­lung verwei­gern darf mit dem Hinweis, es handele sich nicht um den bei o2 regis­trierten Besitzer der SIM-Karte.

Darüber hinaus erfragten wir, ob o2 für die Auszah­lung des Gutha­bens an den aktu­ellen Besitzer einen Nach­weis zur Abtre­tung der Auszah­lungs­ansprüche oder eine Einver­ständ­nis­erklä­rung der jewei­ligen ursprüng­lichen "Vertrags­inhaber" verlangen darf, obwohl zwischen diesen und dem aktu­ellen Besitzer seit Jahren kein Kontakt mehr besteht und es sich mögli­cher­weise um dama­lige Regis­trie­rungen auf Phan­tasie­namen handelt. Hierzu stellten wir auch die Frage, ob o2 nach der Kündi­gung der SIM-Karte (durch o2) einen Besit­zer­wech­sel­vor­gang gene­rell verwei­gern darf.

Unge­klärt blieb darüber hinaus die Haut­pfrage, ob o2 denn nun das Guthaben an den aktu­ellen Inhaber der SIM-Karte ausbe­zahlen muss. Auch hierzu fragten wir ergän­zend, was o2 entspre­chend dem Urteil des LG Kiel in derar­tigen Fällen zur Bedin­gung machen darf, damit das Guthaben ausbe­zahlt wird. Wir stellten beispiels­weise die konkrete Frage, ob das Guthaben ausbe­zahlt werden muss, wenn - wie in diesen Fällen - die Inha­ber­schaft durch Vorlage der SIM-Karten und die jähr­lichen Aufla­dungen per Bank­über­wei­sung zwei­fels­frei nach­gewiesen werden kann.

Gene­rell stellt sich anhand unserer Fälle die Frage, wie Gutha­ben­aus­zah­lungen nach einer Kündi­gung zu hand­haben sind, wenn Prepaid­karten vor Einfüh­rung der gesetz­lichen Iden­tifi­zie­rungs­pflicht 2017 auf Phan­tasie­namen regis­triert worden sind.

Das sagt o2 auf Anfrage von teltarif.de

Selbst­ver­ständ­lich stellten wir auch o2 alle diese Fragen, und o2 schrieb uns hierzu:

Der Anspruch auf Auszah­lung von Rest­gut­haben steht nach § 64 Abs. 4 TKG dem Vertrags­partner des jewei­ligen Prepaid-Vertrages zu. Zur Über­tra­gung eines (Pre- oder Post­paid-) Vertrags ist neben der Zustim­mung des Kunden auch die Zustim­mung des Anbie­ters erfor­der­lich. Die SIM-Karte ist diesem Vertrags­ver­hältnis ledig­lich ein tech­nisches Instru­ment zur Inan­spruch­nahme der Tele­kom­muni­kati­ons­leis­tungen. Gelangt ein Dritter in den Besitz einer SIM-Karte, wird er dadurch nicht auto­matisch Vertrags­partner.

Ein Vertrag, der bereits durch Kündi­gung einer der Vertrags­par­teien beendet wurde, kann nicht mehr über­tragen werden. Mit der Auszah­lung von Rest­gut­haben an Dritte, die nicht Vertrags­partner geworden sind, würde Telefónica Germany unbe­fugt in die Rechte ihrer Kunden eingreifen und wäre dem Risiko ausge­setzt, das Rest­gut­haben doppelt auszahlen zu müssen. Dritte können sich das Rest­gut­haben jedoch auszahlen lassen, wenn sie hierzu von unserem Vertrags­partner legi­timiert wurden, z. B. durch Abtre­tung des Anspruchs.

Zur weiteren Einord­nung: Zum Schutz vor Miss­brauch kann die Vorlage einer Ausweis­kopie unseres Vertrags­part­ners bei Auszah­lung des Rest­gut­habens verlangt werden, wenn dies zum Schutz unserer Vertrags­partner gegen Miss­brauch geboten ist. Dies steht nicht im Wider­spruch zum Urteil des LG Kiel vom 19.05.2015 (8 O 128/13). Danach ist die erneute Anfor­derung eines Ausweis­kopie nicht erfor­der­lich, wenn der Vertrags­partner selbst die Auszah­lung verlangt, diese auf ein zum Vertrags­partner bereits hinter­legtes Konto erfolgen soll und die Iden­tität des Vertrags­part­ners bereits bei Vertrags­schluss geprüft wurde.

In keinem der vorlie­genden Fälle traf dies zu.

In einem nächsten Schritt wird teltarif.de nun alle offenen Fragen zu diesen Fällen einem Rechts­anwalt stellen und um eine juris­tische Einschät­zung hierzu bitten.

Wer eine alte Prepaid­karte kündigt, will meist die Rufnummer portieren und das Rest­gut­haben ausbe­zahlt bekommen. o2 führte bei einem Kunden aller­dings nur einen Vorgang durch - und teltarif.de musste helfen.

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