Telekom: Wird das Ende der Kupferdrähte eingeläutet?
Zunächst sah es so aus, als ob die Telekom am Freitag wieder einmal ihren lange Jahre "vernachlässigten" Glasfaserausbau promoten wollte. Der Vorwurf von Kunden und der Branche: Die Telekom habe sich viel zu lange auf ihren Kupferleitungen ausgeruht. Doch das lässt Telekom-Deutschland-Chef Srini Gopalan nicht gelten. Natürlich hätte man "für Wenige" schnelle Glasfaser bis ins Haus bauen können, und "die Masse" wäre ewig weiter "langsam" geblieben.
Stattdessen wurde die Glasfaser "nahe ans Haus" (FTTC = Fiber to the Curb - Glasfaser bis zur Bordsteinkante) verlegt und sei jetzt noch 300 Meter vom Kunden entfernt.
Gopalans Lieblingswort: "Genehmigungsverfahren"
Doch diese 300 Meter haben es in sich. "Wir brauchen für eine Straße 21 verschiedene Genehmigungen", kritisierte Gopalan die aktuelle Lage. "Genehmigungsverfahren" ist nach wie vor sein Lieblingswort.
1000 neue Glasfaser-Jobs
Glasfaser spleißen ist filigrane Feinarbeit und bedarf Fingerspitzengefühl
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Telekom habe ihren Glasfaserausbau trotz Weltkrise, Inflation und so weiter beschleunigt. 13.000 Mitarbeiter arbeiten in der "Glasfaser Factory" (also die Personen, die das Netz auf- und ausbauen) des Unternehmens, 1000 zusätzliche neue Fachkräfte für Glasfaser wurden eingestellt.
Spleißen ist eine Kunst
Ein Techniker demonstrierte das "Spleißen" (laienhaft "Zusammenkleben") von Glasfasern, von dem Gopalan bekannte, dass er das selbst bei drei Versuchen nur einmal geschafft habe. Es braucht eine sehr ruhige Hand, gutes Licht, gutes Werkzeug und Alkohol (um die Fasern zu reinigen).
Vom neuen TKG erhofft sich die Telekom eine Beschleunigung des Ausbaus, weil moderne Verfahren (z.B. Trenching) jetzt auch möglicher werden sollen.
Kommt das Ende der Kupferleitung?
Glasfaser: Telekom-Deutschland-Chef Srini Gopalan hat klare Vorstellungen
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Dann aber schälte sich ein Aspekt heraus, vor dem die private Konkurrenz schon länger "gewarnt" hatte: Der Tag wird kommen, wo die Telekom erste Kupferleitungen "abschalten" wird.
Das bedeutet, es wird in bestimmten Regionen nur noch Glasfasern geben, auch auf der letzten Meile (hin zum Kunden). Bislang muss die Telekom die letzte Meile aus Kupfer aktuell zu regulierten Preisen an die Konkurrenz vermieten.
Gespräche mit der Bundesnetzagentur
Man sei mit der Bundesnetzagentur im Gespräch, wie das künftig mit Glasfaser ablaufen könne. Die private Konkurrenz braucht möglichst günstige Einkaufspreise, um günstigere Preise als die des "Erzfeindes Telekom" (Jargon: "Incumbent") den Kunden anbieten zu können.
Die Telekom möchte nicht nur nackte Leitungen verkaufen, sondern auch Produkte und Dienstleistungen und ihren großen und kleinen Kunden ein Rundum Wohlfühl-Paket bieten. Mancher Kunde wird bei der Telekom bleiben (weil er es gewohnt ist), andere kehren zurück, weil sie sich von "alles aus einer Hand" Vorteile bei Problemen erhoffen.
Der Konkurrenz ist das natürlich unheimlich, sie fürchtet um ihre Kalkulationen, gar um ihre Existenz. Das wird noch einigen Diskussionsstoff bieten.
Abschalten, um Energie zu sparen
Ende des Jahres soll die aufwendige IP-Migration im Telekom-Netz abgeschlossen sein, d.h. das PSTN (Public Switched Telecommunication Network) mit Leitungsvermittlung und viel Analog-Technik ist dann endgültig Geschichte und kann abgeschaltet werden. Das spart übrigens einiges an Energie, was den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens entgegen kommt.
Glasfaser braucht weniger Linecards und damit weniger Strom. Auch durch an Abbau alter Gleichrichter können im Jahr 90 GWh gespart werden.
Als nächstes Projekt möchte Technik-Vorständin Claudia Nemat die SDH-(Synchronous Digital Hierarchy)-Technik abschalten. SDH ist vereinfacht, eine Art Multiplex-System, wo einzelne Signale (und Leitungen) gebündelt übertragen werden können, die Grundlagen reichen auf die 1980er Jahre zurück. Bis Ende 2024 soll SDH Geschichte sein.
Wann ist die Kupfer komplett "aus"?
Die Abschaltung von Kupfer ist an kein festes Datum gebunden, sondern wird eher "Schritt für Schritt" ablaufen. In Europa gibt es schon Beispiele, verriet Gopalan, beispielsweise in Frankreich und Großbritannien, wo schon konkrete Ausstiegsszenarien vereinbart wurden.
Für die Großhandelskunden, die Leitungen für ihre eigenen Angebote brauchen, müssen neue Einkaufspreise verhandelt werden. Werden die dann auch reguliert oder soll der "Markt" das regeln?
Glasfaser bis zum Kunden im Haus?
Für einen Glasfaseranschluss braucht es einen "Stich", einen OLT und ein Modem/Router
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ein Problem bleibt die Glasfaser ins Haus zu den einzelnen Kunden in ihren Wohnungen zu bekommen. Bei Einzelhausbesitzern oder kleineren Wohngebäuden ließen sich eher Lösungen finden, wusste Gopalan zu berichten, aber große Wohnungseigentümergesellschaften seien hier "sehr schwierig", beklagte der Telekom-Deutschland-Chef.
Abläufe sind noch nicht ideal
Selbstkritisch räumte Goplan aber auch ein, dass es aktuell eine große Nachfrage nach der Glasfaser gibt und die Abläufe ("Prozesse") mit Schwierigkeiten verbunden seien.
In der Tat: Glasfaserkunden berichten von Bautrupps vor Ort "im Auftrag der Telekom", die kein Wort Deutsch sprechen oder verstehen, von unklaren Abläufen (es wird etwas angefangen, aber niemand weiß, wann es weiter geht) und auch von aufgegeben Bestellungen, die im System nicht bekannt sind oder Hotlines, die nicht abheben oder dann an andere Hotlines verweisen.
Diese Probleme sind von der privaten Konkurrenz schon länger bekannt, treten aber auch bei der Telekom auf.
Unseriöse Verkäufertrupps unterwegs
Dann sind in Glasfaser-Ausbaugebieten "Personen in Telekom-Jacken" unterwegs, die vorgeben, im Auftrag der Telekom unterwegs zu sein. Nur ihre selbstgebastelten Ausweise entsprechen nicht den Vorgaben, und ein offizielles Beglaubigungsschreiben konnten sie auch nicht vorweisen.
Die Krönung erlebte ein teltarif-Leser: "Damit es schneller geht, wollte der Vertreter an der Haustüre von mir 50 Euro in bar kassieren". Er hat ihn an die Luft gesetzt und nicht gezahlt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Lange hat es gedauert, bis der Großtanker Telekom in Fahrt kam. Logisch, das Kupfernetz war schon da, teilweise noch aus Deutsche-(Bundes)Post-Zeiten, doch deren Technik wurde in vielen Fällen längst mehrfach ausgetauscht oder modernisiert. Hätte man schon zu Zeiten des legendären Kanzlers Helmut Schmidt den Glasfaserausbau wie geplant, bundesweit gestartet und unter seinem Nachfolger Helmut Kohl fleißig weiter gebaut (statt auf Kupfer-Koaxkabel zu setzen), wäre das Netz vielleicht heute schon fertig. Vielleicht aber auch so veraltet, wie die damals "fortschrittliche" OPAL-Technik, die nach der Wende punktuell verbaut und später überbaut werden musste.
Mit dem Umstieg von Kupfer auf Glasfaser hofft die Telekom sicher auch, ein Stück weit mehr aus der lästigen Regulierung herauszukommen. Man könnte sich dann durch geschickte Preispolitik lästige Konkurrenz, die nur über den Preis verkaufen kann oder will, ein Stück weit vom Leibe halten.
Bei den Konkurrenten könnte es eine Konsolidierung geben, kleinere Unternehmen schließen sich zu größeren zusammen oder geben auf. Die Konkurrenten werden sich neue Geschäftsfelder mit spezialisierten Dienstleistungen und Produkten suchen, die die Telekom nicht anbieten kann oder will.
Die Politik möchte gerne mehr Tempo in den Ausbau reinbringen, scheitert aber am politisch gewollten Föderalismus, wo jedes Bundesland und jeder Landkreis, jedes Bauamt sein eigenes Ding machen kann.
Wenn man Telekommunikation als Daseinsvorsorge betrachtet, kann es der Markt alleine wohl nicht richten, reine staatliche Planwirtschaft aber auch nicht.
Vodafone muss sich überraschend einen neuen Chef suchen. Mehr dazu lesen Sie in einer weiteren News.