Telekom-Vorstand: Tim Höttges 10 Jahre im Amt
Der Autor erinnert sich an eine Tarif-Pressekonferenz im Bonner Landgrabenweg. Dort stellte der damalige Telekom-Chef René Obermann im persönlichen Gespräch seinen neuen Finanzchef vor. Tim Höttges, damals mit Strickweste und Ärmelkantenschonern aus Leder bekleidet, wirkte schüchtern. "Eigentlich hätte nur noch der Bleistift hinter dem Ohr gefehlt", witzelte ein Beobachter damals.
Spannende Entwicklung
Telekom-Chef Timotheus Höttges seit 2014 im Amt
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Die Entwicklung von Tim Höttges vom fast schüchternen Zahlen-fixierten "Kostenrechner" zum CEO eines weltweit bedeutenden Telekommunikationsunternehmens ist beachtlich.
Nachdem René Obermann auf eigenen Wunsch den Chefsessel der Telekom verlassen hatte, trat Höttges dieses Amt an und verblüffte bei einem hochrangigen Presseevent in Berlin die versammelten Journalisten mit einer längeren Rede. Kernpunkt: Der Kundenservice bei der Telekom sei eine einzige Katastrophe, dort funktioniere nichts richtig. Das war absolut ungewöhnlich, dass ein Unternehmenschef sein Unternehmen in ein so schlechtes Licht rückte.
Eingeweihte berichteten damals, dass Höttges mit einem riesigen Notizblock bewaffnet, in den Call-Centern der Telekom ungewöhnlich viel Zeit verbracht habe. Er habe Kundengespräche mitgehört und sich unendlich viele Notizen gemacht. Danach wurde der Kundenservice komplett neu organisiert.
Veränderungen
Auch wer nicht so tief ins Innere des Unternehmens blicken konnte, bemerkte Veränderungen.
Nachdem Höttges Vor-Vor-Vorgänger Ron Sommer in den USA auf Mobilfunk-Einkaufstour gegangen war, wurde er heftig kritisiert: "Soviel Geld für einen nicht funktionierenden Anbieter". Auch Sommers Nach-Nachfolger Obermann wurde heftig bedrängt, das teure Abenteuer in den USA endlich zu beenden. Ein unterschriftsreifer Verkauf an AT&T wurde dann aber von den US-Behörden gekippt. Doch Obermann hatte sich für diesen als "unwahrscheinlich" geltenden Fall weitgehende Frequenzrechte und sogar Entschädigung in bar ausbedungen. Ein Schachzug, welcher der Telekom den Weg zum Erfolg in den USA ebnete. Höttges "erbte" das US-Unternehmen und die geplante Fusion mit US Sprint.
Obermann hatte noch John Legere eingestellt, einen charismatischen Typen, der 2013 bei T-Mobile US die "Un-Carrier Strategie" startete. Eine Marke - vergleichbar mit simyo in Deutschland -, die alles anders machte und bis heute damit Erfolg hat. Viele US-Amerikaner wissen wohl gar nicht, dass T-Mobile US ein "deutsches" Unternehmen ist. Höttges war von der lockeren Art von Legere ziemlich beeindruckt und überlegte sich wohl, ob das auch in Deutschland funktionieren könnte.
2013 und 2014
In Deutschland wurde am 15.05.2013 beschlossen, Tim Höttges als Nachfolger von René Obermann zum 1.1.2014 zu berufen. In den USA startete der Verkauf von Apple-Produkten, damals war das iPhone 5 angesagt. Höttges wurde Aufsichtsratsvorsitzender bei T-Mobile US. Für 3,9 Milliarden US-Dollar kaufte T-Mobile US (TMUS) den Mobilfunkanbieter Metro PCS. T-Mobile Tschechien wurde vollständig erworben und kostete 800 Millionen Euro.
In Deutschland startete das Angebot MagentaEINS, das Privatkunden, die Mobilfunk und Festnetz von der Telekom beziehen, Vorteile bietet. Es wurde später von Vodafone ("GigaKombi") oder o2 ("KombiVorteil") mehr oder weniger "kopiert".
Im Festnetz wurde die Vectoring-Technologie vorgestellt. Sie erfordert, dass ein einziges Unternehmen alle Leitungen in einem Ortsnetz "unter technischer Kontrolle" haben muss, damit höhere Geschwindigkeiten möglich werden. Der Clou ist ein mathematisch komplexes Verfahren, womit gegenseitige Störungen herausgefiltert werden können. Die Bundesnetzagentur erteilte dem Verfahren ihren Segen, legte aber fest, dass sich konkurrierende Unternehmen bewerben konnten. Es galt das Windhund-Prinzip.
Im September startete die Vermarktung von VDSL-Vectoring. Nicht in allen Ortsnetzen konnte oder wollte die Telekom sich die Herrschaft über die Kabel sichern. Einige treue Telekom-Kunden wurden deshalb gekündigt, sie verstanden die Welt nicht mehr. Später kaufte die Telekom bei örtlichen Anbietern die Leistung ein und vermarktet sie seitdem unter "Magenta Regio".
2014 hatte die Telekom 70 Prozent des Scout24-Portals verkauft.
2015 und danach
2015 wurde der erste Hybrid-Router vorgestellt, der unter MagentaZuHause Hybrid langsames Festnetz mit LTE-Mobilfunk kombinieren konnte. Der große Haken an der Geschichte: Wer das nutzen wollte, musste direkter Kunde der Telekom sein oder werden. An konkurrierende Anbieter verkaufte die Telekom dieses Angebot nicht. Entsprechende Klagen wurden abgewiesen. Auch verschiedene Routerhersteller, die dafür Endgeräte anbieten wollten, bissen auf Granit. Die ersten Telekom-Router, die das konnten, wurden in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Huawei entwickelt. Später wurde zum Hersteller Sagemcom (Frankreich) gewechselt.
In den USA war die erweiterte TMUS der drittgrößte Mobilfunkanbieter nach Verizon und AT&T geworden und hatte Sprint überholt, die damals noch eigenständig waren.
Die Telekom stellte ihre IP-Netzstrategie vor, die zuerst in Kroatien, Ungarn und der Slovakei technisch umgesetzt wurde.
Für 900 Millionen übernahm die Telekom die restlichen Anteile der Slovak Telekom vom dortigen Staat.
Ende 2015 wurde ein Teil von T-Online an das Unternehmen Ströer verkauft und dafür ein Anteil an diesem "Stadtmöblierer" erworben. Dieser Deal ist technisch kompliziert und doch reizvoll. Die populären E-Mail-Adressen "@t-online.de" werden weiter von der Telekom technisch und administrativ betreut. Nur die Nachrichten-Inhalte auf www.t-online.de stehen unter der Verantwortung von Ströer, die dort ein in der Medienwelt stark beachtetes Nachrichten- und Infoportal betreiben.
Die Infotafeln der Ströer KGaA sind an strategisch interessanten Punkten zu finden.
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Unter Stadtmöblierung versteht man die beleuchteten Werbetafeln in Innenstädten oder an Ausfallstraßen. Der Deal hat einen Sinn: Diese Werbetafeln sind ideale Standorte für Small-Cells zur Netzverdichtung und sie sind bereits mit Strom oder sogar schon mit Glasfaser versorgt.
Zu Ströer gehört übrigens auch die Ranger Communications, deren gefürchteten Door-2-Door-Vertriebler von Haustür zu Haustür eilen, um den Kunden Telefonanschlüsse oder ähnliches zu verkaufen. Nicht immer sind die Betroffenen vom Verhalten der Vertriebsmitarbeiter begeistert oder überzeugt.
In England war die Telekom-Tochter T-Mobile durch den Kauf von One2One in den dortigen Mobilfunkmarkt eingestiegen und hatte das Angebot später gemeinsam mit der französischen Orange (ursprünglich von einem Deutsch-Briten gegründet) zur EE (= Everything Everywhere) fusioniert. 2016 wurde das Unternehmen EE an die Britisch Telecom verkauft. Durch einen Aktientausch plus Bargeld wurde die Deutsche Telekom auf einmal mit 12 Prozent Anteilseigener an British Telecom. Der politisch unsinnige Brexit verdarb der Telekom weitere Entwicklungspläne in Großbritannien gewaltig. Die Angst vor den "Hunnen" (= die Deutschen) ist in England heute noch allgegenwärtig.
2016
2016 war das Jahr von EntertainTV, das mit neuem Design und einer Replay-Funktion aufgewertet wurde.
Ende des Jahres wurden alle Service-Aktivitäten der Telekom in eine eigene "Einheit" bei der TDG gebündelt. Die TDG ist die Telekom Deutschland GmbH, die alle Aktivitäten in Deutschland durchführt.
Schon im Frühjahr war die Partnerschaft mit der koreanischen SK Telecom (SKT) vertieft worden. Korea gehörte zu den Pionieren bei 5G-Netzen und IoT (Internet der Dinge).
2017
2017 wurde der indisch-stämmige Manager Srini(vasan) Gopalan zum Vorstand Europa der Deutschen Telekom AG berufen.
Die Telekom-Tochter DeTeMedien, die bisher die Herausgabe der gedruckten Telefonbücher verantwortete, wurde an ein Konsortium mittelständischer Verlage verkauft. Noch gibt es gedruckte Telefonbücher, sie werden aber immer dünner, weil sich viele Kunden aus Angst vor "Spam-Anrufen" aus den Büchern austragen oder nicht mehr neu eintragen lassen.
Nicht nur DeTeMedien, auch die Reste der "Scout24"-Kette (Dating, Auto, Immobilien etc.) wechselten endgültig den Besitzer. Im Telekom Vorstandsbereich wurde das Ressort VTI gegründet, was für "Technologie & Innovation" steht. Als neue Vorständin für diesen Bereich wurde Claudia Nemat ernannt. Das bisherige Ressort "Europa und Technik" wurde seitdem als "Europa" weitergeführt.
2017 war auch das Jahr von StreamOn. Für den Kunden war das eine Quasi-Flatrate im mobilen Internet, allerdings nur zu Anbietern oder Angeboten, die vorher mit der Telekom entsprechende Abkommen geschlossen hatten. Damit wurden aber Anbieter, die kein Abkommen hatten oder die geforderten technischen Voraussetzungen nicht erfüllen konnten oder wollten, diskriminiert, und schließlich landete die Geschichte vor dem Europäischen Gerichtshof, der die Sache kippte.
Im gleichen Jahr wurde der Rollout von "LTE überall" gestartet, schon in der Gewissheit, dass ab 2020 die fünfte Generation (5G) folgen würde.
Der Internet-Hosting-Provider Strato hatte eine Zeitlang der Telekom gehört, er ging für 600 Millionen Euro an die United Internet AG, deren bekannteste Marken 1&1 (und Ionos) sein dürften.
2018
2018 waren vier Jahre rum, Tim Höttges wurde als Gesamtvorstand bis zum 31.12.2023 "wiederbestellt". Seit 2018 melden die Finanzkennzahlen der Telekom "ununterbrochenes EBITDA Wachstum". Erstmalig lud die Telekom zu sogenannten CapitalMarketDays ein, die sich an Finanzinvestoren und Analysten richten. In Polen wurde ein Großhandelsvertrag (Wholesale) unterzeichnet, der T-Mobile Polen (TMPL) den Zugang zu 1,7 bis 4 Millionen Haushalten per Glasfaser für die nächsten 20 Jahre ermöglicht.
Bereits Ende 2018 wurde die 5G-Strategie der Telekom vorgestellt. Das Ziel: 99 Prozent der Bevölkerung, sowie 90 Prozent der Fläche mit 5G im Jahre 2025 zu erreichen. Was die Bevölkerung betrifft, reklamiert die Telekom aktuell bereits 96 Prozent. Für den Rest der Fläche gibt es aber noch einiges zu tun.
Ein von den Vorgängern von Höttges geerbtes Problemkind war und ist T-Systems, intern mit TSI bezeichnet. 2018 wurde der US-Amerikaner Adel Al-Saleh zum Vorstand bestellt, der das als "unregierbar" geltende Unternehmen ziemlich auf den Kopf stellte. In Österreich kaufte die Telekom den dortigen Kabel-TV-Anbieter UPC-Austria von Liberty Global ab. An der Kasse waren 1,8 Milliarden Euro in bar zu entrichten.
2019 und danach
2019 hat die Telekom ihr "Entertain"-Angebot in "MagentaTV" umbenannt. Zugleich wurde die Tele2-Niederlande gekauft, in Form einer 25-prozentigen Beteiligung und 189 Millionen Euro in bar.
Die Telekom Albania "performte" wohl nicht so erfolgreich wie erhofft und wurde daher von der griechischen Telekom-Tochter OTE für 50 Millionen Euro an eine "Telecom Invest AD" verkauft. In vielen Kritiken war damals öfters zu lesen, dass das Netz der Telekom in Albanien "besser" als der Telekom in Deutschland sei. Das wird von der Telekom aber deutlich dementiert.
Der damalige albanische Präsident Edi Rama war stolz, die Deutsche Telekom im Land zu haben.
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Organisatorisch wurde dem Telekom-Vorstand ein neues Ressort GD (Group Development) hinzugefügt. Dort wurden die Bereiche "USA & Unternehmensentwicklung" zusammengefasst. Spöttisch könnte man sagen, dass dort alle Aktivitäten und Beteiligungen zu finden sind, von den sich die Telekom-Entscheider nicht sicher sind, was sie damit machen wollen. Für die Beteiligung in den USA hingegen gilt das sicher nicht. Denn T-Mobile USA befeuert heute wesentlich den Erfolg der Deutschen Telekom weltweit.
Im gleichen Jahr wurde Christian P. Illek zum Finanzchef der Telekom bestellt. Er besitzt eine Detailkenntnis über Vorgänge und Produkte der Telekom, auch wenn diese nicht direkt mit Finanzen zu tun haben. Der studierte Chemiker und Betriebswirt Illek war schon 2010 bei der Telekom als Privatkundenvorstand und ab 2012 Chef von Microsoft in Deutschland gewesen.
Birgit Bohle wurde zur CHRO (Chief Human Ressources Officer, auf Deutsch: Personalvorständin) ernannt.
In Österreich wurde die T-Mobile Austria (die vorher die populäre Marke max.mobil ("Klax Max") eingestellt hatte) mit der frisch eingekauften UPC-Austria fusioniert und in "Magenta" umbenannt.
Erstmalig wurden sogenannte ESG (Klimaschutzziele) formuliert.
2020
Das Jahr 2020 war ein turbulentes Jahr.
Die Telekom startete mit dem MagentaTV Stick den Umstieg ihres Internet-TV-Angebotes ins OTT-Zeitalter (OTT = Over the Top) und gründete die Glasfaser Nordwest, eine sehr erfolgreiche Kooperation mit der privaten EWE Tel. Das Ziel: 1,5 Millionen Haushalte mit Glasfaser bis ins Haus oder die Wohnung zu versorgen.
Nach jahrelangen Verhandlungen mit Regierungen, Gewerkschaften, Bundesstaaten und vor Gericht passierte das lange für unmöglich gehaltene: Die Fusion von T-Mobile US und US Sprint zur neuen T-Mobile US wurde vollzogen.
In Deutschland, Kroatien, Ungarn und Tschechien nahm die Telekom erste 5G-Campus-Netze in Betrieb.
In Deutschland wurde der Geschäftskundenbereich neu geordnet und in die TDG integriert.
Da Anbieterwechsel (speziell im Festnetz) immer noch eine ziemlich diffizile Angelegenheit werden können, wurde bei der Telekom der sogenannte "Concierge Service" für Wechsel, Umzug und Bauherren eingeführt. Seitdem bietet die Telekom eine spezielle Beratung für eine optimale Heimvernetzung an, etwa durch die neuen Speed Home WiFi/WLAN-Mesh-Repeater, welche die Heimversorgung verbessern können.
Ende des Jahres wurde bei der Telekom Deutschland erstmals ein neuer Chef ernannt, der nicht in Deutschland geboren und muttersprachlich mit Englisch aufgewachsen ist. Srini Gopolan, der in Rekordgeschwindigkeit Deutsch gelernt hat und dessen deutsches Lieblingswort "Genehmigungsverfahren" lautet, hat viele Probleme des deutschen Marktes besser verstanden als seine heimischen Kollegen. Für die Telekom Europa wurde die belgisch-stämmige TK-Managerin Dominique Leroy (früher bei Belgacom/Proximus) berufen.
2020 war auch das Jahr der Corona-Pandemie, die "trotz extremer Nachfrage" bewältigt werden konnte, wie die Telekom betont. Die von SAP und Telekom gebaute und organisierte amtliche Corona Warn App erzielte 50 Millionen Downloads. Sämtliche Call-Center-Aktivitäten der Telekom wurden vorübergehend ins Home-Office verlegt. Das gab, so makaber es klingt, der Digitalisierung im Lande einen gewaltigen Schub.
2021
2021 wurde das Funkturmgeschäft in den Niederlanden in einen Infrastrukturfonds (DIV) umgelagert.
Nach 17 Jahren wurden alle UMTS-Netz-Systeme ausgeschaltet. Die bisher mit 3G (UMTS) genutzten Frequenzen bei 2,1 GHz stehen seitdem für 4G und 5G zur Verfügung.
In den USA hat die Telekom ihren Anteil an der T-Mobile USA durch "Aktientausch" mit dem japanischen Unternehmen Softbank erhöht.
Das Thema Open RAN drang erstmalig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Im Berliner "Open Lab i14y" können interessierte Netzbetreiber, Hersteller und Diensteanbieter ihre Open-RAN-Produkte auf Interoperability (zwischen dem ersten "I" und dem letzten "y" sind 14 Buchstaben, deswegen "i14y") prüfen.
Stolz vermeldet die Telekom, über 90 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgt zu haben. Abseits der Ballungszentren warten aber Bürger immer noch drauf, überhaupt einmal mit Mobilfunk versorgt zu werden. In extremen Fällen greift die "Mobilfunkbehörde" MIG unter die Arme.
Derweilen wurde TMUS zum zweitgrößten Mobilfunkanbieter in den USA. Damit die US-Kunden schneller auf 5G umsteigen, wurde dort ein kostenloses Geräte-Umtauschangebot aufgelegt.
Im Sommer 2021 schockte eine Flutwelle das Ahrtal und die Welt. In allerkürzester Zeit musste die komplett zerstörte Infrastruktur wieder auf- oder besser neugebaut werden. Hier hatte die Telekom den Vorteil, dass sie schon aus historischen Gründen auf Groß-Schadensereignisse besser vorbereitet ist als ihre meist kleineren privaten Konkurrenten. Einige Orte wurden dabei von Grund auf mit Glasfaser versorgt, die Kupferleitungen und ganze Gebäude voller Vermittlungstechnik hatte es schlicht "fortgeschwemmt".
Nutzer von MagentaEINS können seit 2021 eine Unlimited-Option bekommen, wenn der Grundtarif MagentaMobil L gebucht ist. Durch die Kombination von Festnetz und zahlreichen Mobilfunk-Zusatzkarten kann die Nutzung von Telekom-Produkten günstiger werden. Allerdings muss der Gesamtvertrag auf ein "Familienoberhaupt" laufen, wobei die Beziehungs-Verhältnisse nicht von Belang sind. Das "Oberhaupt" zahlt und haftet. Single-Haushalte ohne Festnetz zahlen dafür im Mobilfunk weiterhin oft viel zu viel.
Die letzten Funklöcher geraten mehr ins öffentliche Bewusstsein. Der Begriff "graue Flecken" wurde vorgestellt. Das sind Bereiche, wo wenigstens ein Netzbetreiber bereits versorgt, die anderen aber nicht. Mit Unterstützung der Bundesnetzagentur wurden erste Vereinbarung zwischen der Telekom, o2-Telefónica, Vodafone und sogar 1&1 geschlossen.
Die Technik MOCN erlaubt es, das ein Netzbetreiber nicht nur seine eigene Kennung, sondern auch eine fremde Kennung ausstrahlt. Die Signale der fremden Kunden werden dann mitversorgt und später im Netz an den Konkurrenten übergeben. Doch es gibt Einschränkungen: Nur auf 800 MHz, nur auf Gegenseitigkeit und nur eine stark begrenzte Anzahl von Stationen, die daran teilnehmen dürfen. Die Telekom möchte ihren USP (Alleinstellungsmerkmal) des "besseren" oder "besten" Netzes nicht verlieren und begründet damit ihre - je nach Tarif und Rechnungsweise - höheren Preise.
Weltweit wurde 2021 bei der Telekom die Funktion "Network Slicing" vorgestellt. Hier kann in einem 5G-Netz ein spezieller abgeschirmter "Bereich" definiert werden, wo Datenverbindungen zuverlässig zustande kommen, wenn außerhalb des "Slice" bereits Überlastungen auftreten. Wer einen Slice buchen will, muss einen Aufpreis bezahlen. Zielgruppe sind zunächst Hochsicherheits-, Industrie- oder andere "wichtige" Nutzer, etwa Radio- oder TV-Stationen, die aus Hotspots berichten wollen und garantierte Bandbreiten brauchen.
2022 und 2023
2022 wurde der Vertrag von Tim Höttges erneut verlängert. Seine Wiederbestellung ist vom 1.1.2022 bis zum 31.12.2026 terminiert. Es ist durchaus denkbar, dass Tim Höttges diesen Job bis zum letzten Tag ausfüllen wird, er wäre dann 64 Jahre alt.
Aus Protest gegen den Angriff auf die Ukraine zog die Deutsche Telekom ihr Personal aus Russland ab.
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Im Ukraine Krieg zeigte die Telekom klare Haltung: Der IT-Betrieb in St. Petersburg wurde geschlossen, russischen Mitarbeitern wurde bei der Auswanderung geholfen. Ukrainische Flüchtlinge wurden mit kostenlosen SIM-Karten unterstützt. Dem Vorbild der Telekom folgten bald Vodafone und o2-Telefónica.
In den USA wurde eine Partnerschaft mit dem Raumfahrt-Unternehmen SpaceX begründet. Die Idee ist, eines Tages Mobilfunkversorgung in entlegenen Regionen per Satellit für die Massenkundschaft anbieten zu können. Idealerweise sollte das mit bereits im Markt befindlichen Endgeräten nutzbar sein. Die dafür notwendigen Satelliten fliegen aber noch nicht.
Die Telekom verkauft ihre Tochter T-Mobile Niederlande an eine Investorengruppe, zu der auch die Investmentbank Warburg-Pincus gehört, bei der unter anderem der ehemalige Telekom-Chef René Obermann an führender Stelle arbeitet.
In Tschechien einigen sich T-Mobile.cz (TMCZ) und Vodafone.cz auf den gemeinsamen Ausbau von Glasfaseranschlüssen und (teilweise) gegenseitigen Netzzugang.
Im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom gibt es eine Zäsur: Prof. Ulrich Lehner geht in den Ruhestand. Neu gewählt wird Dr. Frank Appel, zu dem Zeitpunkt noch Vorstand der Deutsche Post/DHL. Das wird von einigen Aktionärsvertretern deutlich kritisiert, weil sie eine Doppelbelastung fürchten.
In Österreich arbeiten die neue Magenta und Meridiam bei 650.000 neuen Glasfaseranschlüssen im ländlichen Raum zusammen.
Weltweit wird das Smartphone T-Phone eingeführt. Basis ist ein Modell der erfolgreichen REEVL-Baureihe aus den USA, die vom HK-Hersteller WingTech stammt. Das Ziel: Ein erschwingliches 5G-fähiges Smartphone, für das es regelmäßig Updates gibt, das bereits von Android 12 auf 13 aktualisiert wurde und in Kürze mit Android 14 versorgt werden soll.
T-Mobile USA wird Ende 2022 zur wertvollsten Telefongesellschaft weltweit.
2023
Anfang 2023 ist die Telekom die wertvollste europäische Marke. Die Telekom verkauft 51 Prozent ihrer Funkturm-Tochter DFMG an die Finanz-Investoren DigitalBridge und Brookfields für knapp 13 Milliarden Euro, behält aber die Hoheit was Standorte und Netzausbau betrifft.
Nachdem bereits Ende 2022 99 Prozent der Bevölkerung (nicht der Fläche) als "mit LTE versorgt" angesehen wird, habe die Telekom 2023 diese Marke in jedem Bundesland "geknackt", gleichwohl gibt es immer noch Orte und Bereiche, wo es aktuell gar kein Netz gibt.
Stolz gibt die Deutsche Telekom bekannt, die Mehrheit an ihrer Tochter T-Mobile USA (TMUS) erreicht zu haben. Die Telekom-Aktie - lange Jahre Sorgenkind - hat die 20-Euro-Kurs-Marke deutlich überschritten.
Das Thema Glasfaser rückt in den Fokus. Der Ausbau von Telekom und ihren privaten Mitbewerbern ist in Fahrt gekommen. Da es keinerlei staatliche oder private Koordinierung der Ausbauaktivitäten gibt, kommt es an bestimmten Stellen zu Konflikten, wenn die Telekom an Orten ihren Ausbau ankündigt oder durchführt, wo private Unternehmen in der Hoffnung auf rentable Exklusiveinnahmen den "eigenwirtschaftlichen" Ausbau versprochen haben.
Wo es nach langen Zitterpartien "staatlich geförderten" Ausbau gibt, kommt es auch nicht immer voran, weil die Unternehmen dann verpflichtet sind, ihre Leitungen anderen Anbietern zur Verfügung stellen zu müssen. Das stößt weder bei der Telekom noch bei den Konkurrenten immer auf Begeisterung, wie Betroffene berichten.
Die Telekom gibt bekannt, dass etwa 8 Millionen Haushalte in Deutschland einen FTTH-Anschluss bei der Telekom buchen könnten. Die "Take Up"-Rate (der wirklich gebuchten und aktivieren Anschlüsse) liegt deutlich darunter.
Ende 2023 wurde bekannt, das T-Systems-Chef Adel al Saleh das Unternehmen verlässt, sein Nachfolger wird der erfolgreiche Service-Vertriebschef Dr. Ferri Abolhassan.
Der Chef interessiert sich für Details
10 Jahre ist Telekom-Chef Tim Höttges im Amt. Er interessiert sich für die Technik seines Hauses, testet in launigen Videos auf Social Media seine Produkte oder gratuliert seinen Mitarbeitern per YouTube Video, indem er zu Weihnachten Plätzchen backt, Hütten schreinert oder andere Dinge versucht, sogar die "Take Outs" (Fehler beim Dreh) fehlen nicht.
Was nicht rentabel ist, kommt weg
Regelmäßig hinterfragt Höttges intern die Profitabilität neuer oder bestehender Produkte, und manches Angebot wurde schon trotz Kundenprotesten eingestellt, weil es sich "nicht rechnet." Das war beispielsweise der Parallelruf im Telefonnetz (ein Anruf konnte "parallel" auf mehreren Anschlüssen z. B. Fest/Mobil) klingeln). Auch die persönliche Rufnummer (0700) wurde bei der Telekom als Nummernhoster gekippt.
Ein besserer OTT-Messenger der Telekom namens IMMMR wurde vorgestellt, erprobt und verschwand wieder.
Aufwendig angekündigte "eigene" Produkte wie eine hoch intelligente "KI"-Smartwatch wurden in Barcelona vorgeführt. Die Uhr verschwand danach auf Nimmerwiedersehen. Ein intelligenter Lautsprecher "Hallo Magenta" wurde später wegen Erfolglosigkeit "eingestampft", obwohl er in weiser Voraussicht schon "Alexa" mitintegriert hatte.
Die plausible Idee, dass die Deutsche Telekom als internationaler Anbieter in jedem Land Europas unter der eigenen Marke und mit eigenen Produkten vor Ort präsent sein müsste, wurde auf dem Altar der Rentabilität geopfert, beispielsweise in Albanien oder Rumänien.
In den Niederlanden wurde die im Prinzip erfolgreiche T-Mobile.NL verkauft, da sie kein Festnetzangebot machen konnte.
Die Euro-Telco, ein Traum?
Höttges hatte mehrfach kritisiert, dass es z. B. im 300-Millionen-Einwohner-Land USA nur drei bis vier große Mobilfunkanbieter gibt, in Europa hingegen sind es 94 Mobilfunk-Netzbetreiber aus 28 Ländern, wie das Unternehmen Umlaut ermittelt hat.
Höttges plädierte für eine Europäische Telco, die bisherige nationale Anbieter zusammenschließen müsste.
Doch dieser Plan dürfte unerreichbar sein: Erstens gibt es in Europa unterschiedliche Sprachen und Mentalitäten. Zweiten würde eine Europa-Telco als erstes die Personalzahlen radikal kürzen, weil viele Unternehmensteile dann europaweit agieren würden und die Leute in den nationalen Außenstellen "überflüssig" wären. Das könnte je nach Land und Unternehmen zu gewaltigen "Verwerfungen" und Protesten führen.
Auch die Leitung einer europäische Telco müsste auf nationale Befindlichkeiten Rücksicht nehmen und wäre dann entweder schwerfällig oder man würde kompromisslos eine Linie durchziehen, was entweder eine lange Durststrecke, (politische) Proteste oder Kundenverlust bedeuten könnte.
Verständliche Reden
Höttges wurde mehrfach für die verständlichsten Vorstandsreden ausgezeichnet. Vielleicht könnte man ihn früh morgens wecken und ihn um eine Finanzzahlenübersicht bitten, die er vermutlich aus dem Stand allgemein verständlich wiedergeben könnte.
Wer könnte Höttges Nachfolger/in werden?
Wer könnte Nachfolger von Höttges werden? Vorständin Technik & Innovation Claudia Nemat (links) oder Deutschland Chef Srini Gopalan (rechts)?
Foto: Deutsche Telekom
Aktuell steht das Thema Nachfolge noch nicht zur Debatte. Allgemein wird Deutschland-Chef Srini Gopalan als möglicher Nachfolger gesehen, ihm könnte dann Wolfgang Metze als neuer Deutschland-Chef folgen. Andere meinen, dass Technik-Vorständin Claudia Nemat gute Chancen hätte. Wer es am Ende wird, ist heute noch nicht absehbar.
Telekom = Behördenpost?
Vielen Kritikern ist die Telekom "unheimlich", weil sie mit der Telekom immer noch die Behördenpost verbinden. Jeder Mensch im Land kann über persönliche Erlebnisse und Eindrücke berichten. Nicht immer verliefen die so, wie der einzelne Kunde sich das vorgestellt hat.
Eins ist aber klar: Ohne die Deutsche Telekom läuft in Deutschland und darüber hinaus nichts. Würde das Unternehmen - aus welchen Gründen auch immer - über Nacht ersatzlos verschwinden, hätten die Konkurrenten und Mitbewerber gewaltige Probleme.
Also kann die Konkurrenz nur durch Kooperation und durch bessere und preiswertere Produkte und vor allen Dingen einen besseren Service punkten. Doch da hat die Telekom eine sehr hohe Latte vorgelegt.
Tim Höttges wünschte sich mehr Kauflust der Deutschen.