Politisch

Telekom-Chef Höttges: Zur aktuellen Lage in Europa

Eine Europa-Telco nach Vorbild von Airbus schei­tert an natio­nalen Ängsten. Eine Telekom-Soft­ware­schmiede in St. Peters­burg (Russ­land) könnte nach Ost-Europa oder Indien verla­gert werden. In der Ukraine ist die Telekom nicht aktiv.
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Wie bereits berichtet, hat die Deut­sche Telekom heute ihre Jahres­bilanz 2021 vorge­stellt. Zu Beginn nahm Telekom Chef Tim Höttges erst einmal ausführ­lich Stel­lung zur aktu­ellen poli­tischen Welt­lage: "Wir sind entsetzt über den Angriff Russ­lands auf die Ukraine", das dränge seine guten Zahlen in den Hinter­grund.

Welt­markt: Telekom hat sich frei­gekämpft

Schon länger hat sich Höttges Gedanken über den euro­päi­schen Tele­kom­muni­kations-Markt gemacht. Die Telekom habe sich "frei­gekämpft", sei frei vom Korsett der EU-Indus­trie. Er findet, die Politik müsste endlich aufwa­chen. Nicht nur bei der Deut­schen Telekom, auch beim Wett­bewerb gebe es viele kluge Manager, welche die Probleme des Marktes längst erkannt hätten.

Es fehle ein digi­taler Binnen­markt. Schon eine grenz­über­schrei­tende Zusam­men­schal­tung von Netzen schei­tere an so banalen Dingen wie "legal inte­recp­tion" (damit bezeichnet man das legale Abhören durch Ermitt­lungs- und Straf­ver­fol­gungs­behörden).

Europa brauche kein Kartell­recht für 27 Einzel-Märkte, sondern eines für den gemein­samen Binnen­markt. Jedes Land wolle am liebsten drei bis vier eigene Anbieter im jewei­ligen Land haben. Dabei stünden die klas­sischen Spieler extrem unter Druck.

Telekom schaut, wo es sich rechnet

Auf dem euro­päi­schen Markt sieht Höttges eine Markt­kon­soli­die­rung. "Wir konzen­trieren uns darauf, wo wir reüs­sieren können". In Frage kommen für ihn Märkte mit Inte­gra­tion von Fest­netz und Mobil­funk, wo eine hohe Skalie­rung möglich sei.

Die großen Inves­titionen müssten sich durch eine hohe Auslas­tung rentieren, denn "eine Preis­erhö­hung geht nicht." Soll heißen: "Wir müssen unsere Kapa­zitäten mit hohen Markt­anteilen auslasten, um Geld zu verdienen. Das sehen wir z.B. in den Nieder­landen nicht. Dort gibt es zwei starke Wett­bewerber, nämlich Ziggo (mit Voda­fone) und die KPN (ehema­lige staat­liche nieder­län­dische Telecom). Dabei war T-Mobile.nl dort im Mobil­funk sehr gut.

Die Airbus-Telco

Höttges hatte eine euro­päi­sche Telco am Vorbild des euro­päi­schen Flug­zeug­bauers Airbus ange­regt. Ein euro­päi­scher Digital Single Market brauche große über­regio­nale Spieler. "Wir sehen eine Verdrei­zehn­fachung des Daten­ver­kehrs und dabei sinkt der Umsatz pro Kunde (ARPU) um 30 Prozent. Eine Preis­erhö­hung ist aber nicht möglich." Es bleibe nur die Kosten­sen­kung, um die hohen Inves­titionen zu schaffen.

Euro-Telco: Keine Chance

Mit güns­tigsten Preisen könnte man mehr Konnek­tivität in Europa schaffen, aber derzeit neigen die Länder zu stär­kerem Natio­nalismus. Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter erhalten hohe poli­tische Aufmerk­sam­keit im jewei­ligen Land, für eine Europa-Telco sei das momentan kein gutes Klima.

Kein Invest­ment in bedrängte Unter­nehmen

Etwa­igen Speku­lationen erteilte Höttges eine klare Absage. Die Telekom werde sich "bei Unter­nehmen, die unter Druck stehen", nicht einschalten. Was derzeit in Italien oder Spanien passiere, "ist für uns nicht von Rele­vanz". Zum Hinter­grund: In Italien stehen sowohl Telecom Italia als auch Voda­fone Italia zu Dispo­sition, in Spanien möchte Voda­fone gerne mit einem Partner zusammen gehen, weil die Geschäfte schlecht laufen.

USA schafft starkes Stand­bein

Die Telekom habe sich einen Befrei­ungs­schlag durch ihr Enga­gement in den USA verschafft, das sei ein starkes Stand­bein. Das bedeute auch, konse­quent nur in den Märkten aktiv zu sein, die in Ordnung sind.

Konzen­tra­tion auf den Westen

Die Telekom sei ganz bewusst "extrem auf die west­liche Welt fokus­siert. Wir sind in den USA und in West­europa wesent­lich resi­lienter gegen­über Krisen als bei Akti­vitäten in China oder Asien." Man habe sich lang­fristig posi­tio­niert.

T-System­haus in St. Peters­burg

Die Telekom hat in St. Petersburg (Russland) ein eigenes Systemhaus mit 2000 Mitarbeitern. (Das Bild zeigt den Winterpalast) Die Telekom hat in St. Petersburg (Russland) ein eigenes Systemhaus mit 2000 Mitarbeitern. (Das Bild zeigt den Winterpalast)
Foto: Image licensed by Ingram Image, Logo: Telekom, Montage: teltarif.de
Die Telekom hat weder in der Ukraine noch in Russ­land eigene Akti­vitäten - bis auf ein System­haus in St. Peters­burg, wo 2000 Personen arbeiten, "die sehr gute Soft­ware entwi­ckeln".

Diese Soft­ware wird bei T-Systems einge­setzt. Für die "Fiber Factory" sei die auto­mati­sierte Planung des Glas­faser­aus­baus in St. Peters­burg entwi­ckelt worden, von einem sehr kompe­tenten Team.

Man über­lege aller­dings, den Mitar­bei­tern dort Visa anzu­bieten, damit sie außer­halb von Russ­land weiter arbeiten könnten. Außerdem könnten künf­tige Aufgaben nach Osteu­ropa oder Indien verla­gert werden. Die Bezah­lung der Mitar­beiter in St. Peters­burg sei sicher­gestellt, auch die Versor­gung mit notwen­diger Hard- und Soft­ware. Derzeit sei die Lage aber unklar; die Telekom hat ein eigenes Krisen­zen­trum einge­richtet, um auf Verän­derungen reagieren zu können.

Bedro­hung durch Cyber­angriffe?

Die Bedro­hung durch Cyber­angriffe ist da, das macht Höttges "sehr besorgt". In der "west­lichen Disney-World", fehlt es an Reali­täts­sinn. "Wir spüren einen Anstieg von Cyber­angriffen auf Infra­struk­turen der Telekom. Wir werden alles tun, um das zu verhin­dern, und richten hohe Redun­danzen ein." Die Gefahr sei aber stei­gend. Dabei betreffe das nicht nur die Telekom intern, sondern auch deren Kunden, für welche die Deut­sche Telekom Sicher­heits­dienst­leis­tungen erbringt.

Klas­sische Angriffe auf Zugangs­codes habe es schon immer gegeben. Aber es gebe aktuell keine dezi­dierte Angriffe auf T-Infra­struktur, das könne er nicht bestä­tigen.

1&1 kann ab sofort Glas­faser-Anschlüsse im Telekom-Netz verkaufen - selbst wenn die Infra­struktur vor Ort noch gar nicht aufge­baut wurde.

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