Telekom-Chef Höttges: Sorge um "Made in Germany"
Traditionell hielt Telekom-Chef Tim Höttges zur Eröffnung der Digital-X-Messe in Köln eine Grundsatz-Rede, heutzutage „Keynote“ genannt. Das ist weniger eine „Wir sind so toll und wir werden noch besser“-Rede, sondern verlief stellenweise eher philosophisch und war eine durch Fakten untermauerte Grundsatzrede.
Aufstehen und Machen
Tim Höttges findet, Deutschland sei ein Frosch, der in einem heißen Pott sitzt.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Höttges lobte die Leute, die jeden Morgen aufstehen und sich an die Arbeit machten. Ihm sei aufgefallen, dass Politiker erst hochgelobt werden und sobald es nicht so läuft wie gedacht, würde sofort nach Schuldigen gesucht. "Das ist unsere fürchterliche Ungeduld. Die Welt ist viel komplizierter. Wir können nicht nur draufhauen und aufhängen."
Klar, in diesen verrückten Zeiten fänden viele, über Digitalisierung zu reden sei doch nur noch zynisch. Die Leute würden stattdessen nur noch schauen, ob sie nächsten Tag überleben könnten. Das aber sei grundfalsch, es müsse viel langfristiger gedacht werden.
Erste Wirtschaftskrise in Solingen
Aktuell macht sich Tim Höttges, der als Jugendlicher in Solingen in den Messerfabriken Nuten im Akkord fräste und miterlebte, wie ein Messer-Hersteller nach dem anderen aufgeben musste, große Sorgen um die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“. Diese Marke war von den Briten nach dem Weltkrieg als „Negativ-Merkmal“ erfunden worden und avancierte schnell zum weltweiten Qualitätssymbol. Doch der Stellenwert ist „ramponiert, weil Deutschland viel zu wenig für Forschung und Entwicklung ausgibt", stellte der Konzernchef fest.
Das Gütesiegel seiner Geburtsstadt Solingen, also Schneidwerkzeuge (z.B. Messer) mit dem Etikett „Made in Solingen“, stand einst für Qualität. Dann kamen die Japaner und lieferten in großen Mengen Messer mit besserer Qualität zu wesentlich günstigeren Preisen. So wurde ein Großteil der lokalen Wirtschaft "von der ersten Welle der Globalisierung hinweggefegt". Oder wie es Höttges formuliert: "Die Japaner haben Solingen zur Wohnstadt gemacht." Schon damals soll Höttges beschlossen haben, einmal selbst ein Unternehmen zu leiten und es besser zu machen.
Nicht nur kritisieren
Höttges wolle nicht nur kritisieren, betonte er in seiner Rede, sondern man sollte überlegen, wie man es besser machen könne. Und da hat er durchaus Vorstellungen, wie das aussehen könnte: Einer Studie zufolge müssten jedes Jahr sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Innovationen investiert werden, damit eine Volkswirtschaft weiter wachse. 2021 habe der Deutschland-Wert nur ein Prozent betragen. „Wie soll die Marke ‚Made in Germany’ in einer digitalen vernetzten Welt funktionieren, wenn diese Gesellschaft nicht mehr in ihre Zukunft investiert?“
Großes Roulettespiel - risikoarm?
Höttges vergleicht die deutsche Wirtschaft mit einem Roulette-Spiel. Die Deutschen würden gleichmäßig auf alle Zahlen setzen, um das Risiko zu vermeiden. Nur damit sei am Ende nichts zu gewinnen. „Setzen Sie alles auf eine Karte“ und meint damit die Digitalisierung.
Mehr Forschung und Entwicklung
Zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland müssten Ausgaben in Forschung und Entwicklung (F&E) dringend hochgefahren werden. Höttges zieht die USA und China zum Vergleich heran. „Die haben ihre F&E-Ausgaben im vergangenen Jahr deutlich erhöht, während sie in Deutschland um 6,3 Prozent gesunken sei. Bei den Wachstumsinvestitionen pro Kopf fallen wir dramatisch zurück gegenüber Amerika und übrigens auch gegenüber China."
Kein gottgegebenes Label
"Das Label 'Made in Germany' ist nicht Gott gegeben - das ist keine Garantie, die für immer gilt. Wir müssen permanent fleißig daran arbeiten, damit das Etikett auch künftig einen hohen Stellenwert hat."
Erfolg der Vergangenheit - Risiko für die Zukunft
Deutschland müsse endlich aufwachen und dürfe sich nicht auf Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Sein Resümee ist klar: „Der Erfolg der Vergangenheit ist eigentlich das größte Risiko für den Misserfolg der Zukunft, wenn wir nicht mehr in die Transformation nach vorne gehen“, so seine Warnung und Forderung.
Viele Produkte werden irgendwann "kommod", sind selbstverständlich, der Preis verfällt. Wenn die Gesellschaft nichts investiert, wenn viel zu viel mit Verwaltung vergeudet wird, kann das nicht funktionieren. "Freiheit und Demokratie funktionieren nur mit Zukunftsinvestitionen. Unternehmen in den USA sind im Schnitt 41 Jahre alt, in Deutschland aber 98 Jahre alt. Viele Menschen wollten es sich gemütlich machen, nichts mehr ändern.
Heute investieren, für morgen
Wenn die Telekom heute viel Geld in Glasfaserinfrastruktur stecke, sei damit aktuell kein Geld zu verdienen. Erst viele Generationen nach ihm würden diese Investitionen zu schätzen wissen.
Der Frosch im heißen Pott
Höttges erklärte die Situation anhand eines plastischen Beispiels: "Wir sitzen in ein heißen Pott und springen nicht raus - wir sind ein Frosch." Stünden wir neben dem Pott, würden wir nicht hineinsteigen "ist ja viel zu heiß", aber da wir schon mal drin sind, seien wir zu träge auszusteigen. Wohin das führe sei klar, irgendwann ist es vorbei.
Probleme Stück für Stück lösen
Deutschland, so Höttges, brauche Dichter, Denker und Digitalisierer. Alleine bei der Telekom gäbe es 3.500 offene Stellen, aber aus Deutschland sei nichts zu finden. Hier könnten vernünftige Zuwanderungsregeln helfen. Man solle sich nicht von den vielen Problemen ablenken lassen, sondern "den Elefant in Scheiben schneiden" und damit die Probleme Stück für Stück lösen.
Die Messe Digital-X endet heute in Köln.