Kapitalmarkt-Tag: Ausblicke in die Zukunft der Telekom
Beim Kapitalmarkt-Tag stellte Telekom CEO Tim Höttges mit seinem Vorstands-Team den Vierjahresplan der Telekom vor.
Foto: Deutsche Telekom
Beim Kapitalmarkt-Tag der Telekom ging es um viele Zahlen, aber auch um Technik. "Heute ist Zeugnistag und Berufswahltag", überschrieb Telekom CEO Tim Höttges die Veranstaltung, um sich dabei selbst die Frage zu stellen: "Wie geht es mit der Telekom und der Digitalisierung weiter?"
Vier-Jahres-Plan
Beim Kapitalmarkt-Tag stellte Telekom CEO Tim Höttges mit seinem Vorstands-Team den Vierjahresplan der Telekom vor.
Foto: Deutsche Telekom
Er sei hier hergekommen, um ein "Committment" (= verpflichtende Erklärung) für die nächsten vier Jahre abzugeben, für ihn ist das übrigens der 4. Kapitalmarkt-Tag und der findet alle vier Jahre statt.
In einer Tour d'horizon sagte Höttges voraus, dass sich die Industrie dramatisch verändern werde; die Digitalisierung werde sich beschleunigen und das gehe auch an der Telekom nicht vorbei.
Auf der Welle des Erfolges dürfe man aber nicht innehalten, sondern müsse sukzessive weiterarbeiten, der Sand zerrinnt zwischen den Fingern, "wir müssen neuen Sand schaufeln".
Sechs Kernbotschaften
Höttges lieferte sechs Kernbotschaften
- Lieferung: Was versprochen worden sei, sei auch geliefert worden.
- Wachstum: Alle Zahlen stünden auf Wachstum, deutlich stärker als bisher.
- Netzwerk-Marktführerschaft (Network Leadership): Höttges möchte seine führende Position in der westlichen Welt mit 5G und Glasfaser ausbauen. "Wir schaffen das aus der Organik heraus". Dabei konzentriert sich sein Unternehmen auf das Investieren in Netze. Wo es gute Netze gibt, kommen auch die Nutzer, und wo es gutes Netz gibt, sind die Nutzer auch bereit dafür Geld auszugeben, womit sich die Investitionen in die guten Netze rentieren.
Wenn man den Kunden mehr Bandbreite gebe, lasse sich das vermarkten. Die Telekom habe einen Neukundenmarktanteil von 50 Prozent und kaum Anschlussverluste. Noch seien die Kunden in älteren Tarifen mit wenig Bandbreite. Hier ergeben sich Chancen auf "Upselling".
Er würde liebend gerne mehr 5G auf 3,6 GHz ausbauen, "aber die Genehmigungsverfahren dauern mit zwei Jahren viel zu lange". Noch am Morgen hatte er die neuesten Netztests gelesen, die "wir signifikant vor VF und TEF gewonnen" haben. Das Ausrollen von 5G-StandAlone sei eine Aufgabe für seinen neuen Deutschland-Chef Srini Gopalan.
- Mehrheit in den USA: Höttges konnte sich den Seitenhieb auf die Kollegen von AT&T in den USA nicht verkneifen. Im Angesicht der starken Konkurrenz von T-Mobile USA muss AT&T jetzt seine Anteile an Time Warner verkaufen. Auch für Yahoo sei viel Geld ausgegeben worden, da könne man "nix verdienen".
Wie schon berichtet, möchte die Telekom die Mehrheit an T-Mobile USA erwerben, Ziel sind 50 Prozent plus eine Aktie, es könne auch etwas mehr sein. Dafür hat er sich einen "Werkzeugkasten" bereitgelegt: Er kann ein Aktienrückkaufprogramm (Shary Buy Back) starten, wodurch seine Anteile steigen und er hat Liquidität, um 40 Millionen Aktien zum Sonderpreis von 101 US-Dollar pro Aktie zu erwerben. Den genauen Termin, zu dem die Telekom das machen wird, sagte sie nicht, nur dass sie es machen werden - und ihre Aktienoption gilt noch bis 2024. Amerika gebe "klare Sicherheit über die Jahre".
- Effizienz: Höttges möchte den Kundensupport von Grund auf digitalisieren und sicher für die Zukunft machen. Sein Credo lautet "digitalisiere, digitalisiere, digitalisiere".
- Attraktiv für Aktionäre: Er möchte die Telekom-Aktie attraktiv für Anleger machen. Für ihn zählt nicht der Free Cash Flow, er rechnet in "Earnings per Share" (Gewinn pro Aktie, englisch "EpS"). 40-60 Prozent des bereinigten Gewinns je Aktie solle ausgeschüttet werden, es gebe Potenzial nach oben. Diese Gewinne lägen zwischen 1,10 Euro und 1,75 Euro und mehr pro Aktie, davon sollen die Aktionäre garantiert 60 Cent pro Aktie als Dividende bekommen. Ein Aktienkurs von über 20 Euro hält Höttges durchaus für denkbar, aktuell liegt er bei ungefähr 17 Euro.
Ist Telekom die Nummer 1 in Europa?
Höttges bewertet die Telekom "souverän die Nr. 1 in Europa, wir sind so groß wie Orange, TEF und KPN zusammen oder wie VF und Orange zusammen." Eigentlich sehe er sich "nicht mehr im Vergleich mit Vodafone, Orange oder Telefónica" und er sei auch kein Internetgigant - "das ist nicht unser Anspruch", sondern er will sich eher mit einem Unternehmen wie dem Haushaltschemie-Konzern Henkel verglichen sehen.
Höttges' Strategie steht auf zwei Säulen: Das organische (Alltags-)Geschäft und die kapitalseitige Gestaltung des Portfolios. Da habe er aufgeräumt und gute Deals gemacht. Seit seinem Amtsantritt als CEO seien 85 Milliarden investiert worden, das wären 37 Milliarden mehr als Vodafone und 28 Milliarden mehr als Telefónica.
Die Strategie der Telekom sei nicht mehr sechs verschiedene Strategien zu haben. "Was wir in Deutschland tun, passiert auch irgendwie in Europa". Das Ziel: Marktführer bei 5G, deutsche Qualität, höchste Konvergenz (Festnetz und Mobilfunk integriert) und höchste Zufriedenheit der Kunden.
Mehr Qualität - mehr Kunden - besser ausgelastet
Mit besser Qualität habe er mehr Kunden gewonnen, die Infrastruktur wurde besser ausgelastet und dadurch profitabler. Das bedeutet: Bei gleicher Verschuldung ist mehr Invest möglich; Höttges nennt das ein "Flywheel" (Schwungrad), das seit 2014 funktioniere. 2021 habe er 4 Milliarden Free Cash Flow gehabt, 2025 sollen das mehr als 18 Milliarden werden, der Umsatz (inkl. Endgeräte) solle um 1-2 Prozent, der Service-Umsatz um 3-4 Prozent wachsen.
Höttges peilt eine führende Kapitalrendite von mindestens 6,5 Prozent an, er wisse, dass das sehr ambitioniert sei. Dabei sei es extrem wichtig, hier weiter zu arbeiten. "Wir investieren in Infrastruktur und hören immer, es reicht nicht, wir wollen der Igel Telekom im Rennen Hase - Igel sein.
Räum die Garage auf
Der Kapitalmarkt findet heute und morgen rein digital und virtuell statt.
Foto: Deutsche Telekom
Wenn es aber in einem Markt beispielsweise regulatorisch nicht läuft zögert er auch nicht auszusteigen, etwa in Albanien und in Kürze in Rumänien.
Sein Portfolio steht unter dem Motto: "Clean the Garage: Was nicht funktioniert, was wir nicht reparieren können, wird verkauft."
Höttges kann "Nein" sagen
Und Höttges kann durchaus "Nein" sagen. Er kaufe keinen Premium-Content ein, nur um ihn zu haben. Die spanische Telefónica habe die Fußballrechte für 3 Milliarden für 3 Jahre gekauft. "Rechte sind eine Droge", brächten aber keine Erweiterung des Fußabdrucks. "Put your Money where you mouth ist", nennt er das.
Sicherlich, räumt er ein, auch die Telekom hatte Rechte z.B. für die UEFA EM "2020" erworben. Aber dann wurde sofort ein Deal mit ARD und ZDF abgeschlossen, was seiner Plattform MagentaTV im Endeffekt für mehrere Jahre im gegenseitigen Austausch die Rechte an Fußballübertragungen sichert.
Und die Schulden?
Die Telekom werde immer noch gut bewertet, aber man wolle seine Schulden ("Leverage on return") zurückführen, um zurück zum "Triple Class Rating" (z.B. AAA) zu kommen, aktuell sagt Moodys "Baa1". Die Schulden, die hauptsächlich aus den USA stammen, sollen bis 2024 wieder auf ein normales Niveau zurückgeführt werden. Der Termin liege derzeit ein Jahr später als ursprünglich geplant; "damit können wir gut leben", so Finanzchef Christian Illek.
Labor Group Development
In den Berichten der Telekom taucht immer die Abteilung GD für Group Development auf. Das, so erklärte es Höttges recht plastisch, ist das "Gewächshaus für Geschäfte, die in Schwierigkeiten sind." Dort stehen derzeit zwei Objekte im Schaufenster zum Verkauf: Zum einen T-Mobile Niederlande und die Funkturm-Aktivitäten.
Die Telekom hat ihr Funkturmgeschäft europäisch zusammengefasst. Die Türme sollen neu aufgestellt und ausgegründet, das Geschäft professionalisiert werden.
Die Telekom verfüge aktuell über 55.000 Türme und sei damit der zweitgrößte Turm-Anbieter nach Cellnex. Man sei nicht mehr in der Position "wir müssen das halten". Ob es komplett verkauft wird, ob die Telekom eine Minder- oder Mehrheit behalten wird, sei noch nicht ausgemacht: "Wir müssen keine schlechten Deals machen. Wir müssen nicht verkaufen, aber wir können."
Kundenerfahrung "revolutioniert"
Während alle schrumpfen, wachse die Telekom. Die Kundenerfahrung sei "revolutioniert" worden, man habe die niedrigsten Anschlussverluste und die Erstlösungsquote sei mit 52 Prozent am höchsten, Ziel seien demnächst 60 Prozent. Derzeit werde eine Kunden-App entwickelt, die für ganz Europa verwendbar sein soll.
Bis 2024 sollen 30 Prozent der Einkäufe über elektronische Kanäle stattfinden. Bedeutet das eine weitere Reduktion der Shops? Nein, erklärt Höttges, denn "Shops sind das haptische Aushängeschild mit Menschen - Service Points für 260 Millionen Kunden, da kann der Kunde hingehen! Der Service ist immer ein Mensch. Das ist die Rolle des Shops. Alles was der Kunde digital erlebt hat, muss für den Mitarbeiter, der den Kunden im Laden begrüßt, sofort erkennbar sein. Der Laden (Shop) muss den Service machen, der Shop ist der Showroom, z.B. bei der Heimvernetzung.
Sicher wird das digitale Kunden-Tool noch stärker genutzt werden. Aber "die Telekom wird immer vor Ort präsent sein! Es wird Menschen in der Region des Kunden auf Augenhöhe geben, wo man in den Laden gehen kann und die Werbeaussage Wir sind wie ihr erleben kann."
Telekom gewinnt Anteile in der Business-Klasse
"Alle wollen in die Business-Klasse - wir sind Marktführer und wachsen 2 Prozent pro Jahr - viele anderen Unternehmen haben da Probleme."
Hat sich die Unternehmenskultur verändert?
Höttges ist stolz auf seine rund 200.000 Mitarbeiter, die eine eigene "kulturelle Identität" leben. 30 Prozent der Mitarbeiter arbeiten in "agilen Environments", arbeiten "crossfunktional". Stolz ist er, im Vorstand 30 Prozent Frauen zu haben, im Aufsichtsrat 40 Prozent und auf Führungsebene sind es bereits 27 Prozent. 25 Prozent der Neueinstellungen der letzten Zeit kamen übrigens nicht aus Deutschland, "wir nehmen Best of Bread - international".
Die nächste Generation im Blick
Beiläufig erwähnte Höttges, der eher auf klassische Musik oder Rock und Pop der 1970er oder 1980er Jahre steht, dass der bei jugendlichen Musikfans angesagte Star "Billie Eilish" als Werbetestimonial der Telekom gecastet wurde: "Catching the Youngster. Wir haben die nächste Generation im Blick."
"Wir brauchen neue Werbung, neues Marketing, wir sind in neuen Feldern im Social Media, es gibt Telekom-Botschafter im realen Leben und im Netz", dabei hat die Telekom sehr früh neue soziale Apps wie TikTok, Snapchat ("Vertical Video Ads") oder Twitch bespielt, bei Instagram und Twitter ist die Telekom schon länger.Und die Arbeitsplätze?
In den vergangene Jahre habe die Telekom erheblich Personal abgebaut, räumte Finanzvorstand Christian Illek ein. Das wird "geräuschlos abgehen". Und sein Chef erklärt: "Was wir tun, sehen die Arbeitnehmer als riesen Chance, denn 10 Millionen Anschlüsse bauen sich nicht von selbst. Wir können nicht nur bei Dritten kaufen, sondern müssen auch viel interne Leistung liefern". Es gibt keinen Restrukturierungsplan, es gibt einen Beschäftigungsplan: "Wir ziehen mit den Arbeitnehmern an einem Strang."
Kommt die Europa-Telekom?
teltarif.de stellte die Frage, ob sich die Telekom als Europakonzern sehe und damit eine Filiale ("Footprint") in jedem Land haben sollte.
Höttges rechnete vor, dass es in der EU 27 Staaten gibt und es "gebe keinen Anbieter, der alle Länder mit einer Marke abdecken wird." In der Industrie herrscht enormer Wettbewerb, je Land könne man drei bis vier Mobilfunkanbieter rechnen - "und das mal 27!" Einige dieser Anbieter sind Nachfolger von ehemaligen Monopol-Anbietern ("Incumbents"), die staatlich reguliert sind. Die Öffentlichkeit, also Politik und Kunden, erwarteten Investitionen in Glasfaser und Netzausbau, das koste enorm viel Geld.
Höttges sieht eine Chance in der "Disaggregation", man könne aus den Netzen viel Komplexität herausnehmen und auf Software umstellen. Das sein effektiver und weitaus günstiger.
Der Frage, ob die Telekom darüber nachdenke, durch Kauf oder Fusion mit anderen großen Europäern wie Orange (France Telecom) oder Telefónica (Spanien) einen noch größeren europäischen Spieler zu bilden, wich Höttges teilweise aus. Solches sei derzeit nicht geplant, vielleicht auch, weil ihm klar ist, dass das ein hochpolitisches Thema ist, wo dann Aspekte wie Kartellrecht, nationale Befindlichkeiten und eine verständliche Angst von Arbeitnehmern in nicht so effektiv wirtschaftenden Ländern eine große Rolle spielen würden.
Im Vergleich dazu gibt es in den USA landesweit rund drei große Anbieter. Und die riesige AT&T muss sich neu konzentrieren, weil Telekom dort angreift. In Europa ist der Markt nach wie vor zu stark fragmentiert. Viel zu oft würden die Grenzkosten die Preise definieren, das sei "nicht freundlich".
Gibts einen echten Willen, einen Single Market zu schaffen? Die Infrastruktur hänge stark an der politischen Steuerung, aber prinzipiell würde er ja sagen. Die Telekom würde dann aber nicht Geld holen und den und den kaufen, sondern das könnten eher Verbünde, z.B. durch Aktientausch werden. Man habe derzeit keine Initiative in diese Richtung - aber eigentlich wäre es erforderlich.
Lokale Märkte, wo die Regulatorik (sprich die Politik) den Markt kaputt gemacht hat - da geht die Telekom raus.
Die Telekom sei in einer "transatlantischen Position" und nicht mehr abhängig von kleineren Märkten.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Telekom steht derzeit sicher blendend da. Das impliziert das Risiko, dass man vor lauter Kraft und Größe gewisse Entwicklungen nicht mehr rechtzeitig wahrnimmt oder übersieht. Sicher, ohne die Telekom läuft in Europa wenig bis gar nichts, aber es gibt eine Menge Wettbewerber, die versuchen, über den Preis anzugreifen. Und da neigen einige Kunden dazu, Kompromisse zu machen, wenn es nur schön günstig ist.
Die Idee der Telekom, beste Netze aufzubauen, welche die Kunden überzeugen und weitere Kunden und damit Wachstum erzeugen, ist richtig. Doch beim Netzausbau muss die Telekom noch verschärfter Gas geben, denn in einigen Punkten nähern sich die Konkurrenten "gefühlt" an.
Beim Glasfaserausbau haben Investoren ein neues Betätigungsfeld gefunden und pumpen Milliarden in Firmen, die vor wenigen Jahren noch niemand kannte. Wenn in einem Ort die Werbetrupps dieser neuen Anbieter vorsprechen, könnte mancher lange wartender Kunde unterschreiben und ist dann auf längere Zeit für die Telekom erst einmal verloren.
Beim Mobilfunk muss sich die Telekom dem Thema Indoor-Versorgung annehmen, was ihr vermutlich nicht so gut gefällt, weil sie indoor lieber ihre Festnetzangebote vermarkten möchte. Die Nutzer möchten aber lieber mit einem System alles erschlagen.
Egal, ob mobil oder fest: Sprach-Telefonie ist in der Pandemie wieder beliebter geworden. Da liest man Kritik, wonach die Sprachqualität bei WLAN und VoLTE-Calls nicht immer so sei, wie Kunden das von der Telekom erwarten. Da die Preise der Telekom spürbar über dem Wettbewerb liegen, sind die Qualitätsansprüche höher als hoch.
Dass das Geschäft in den USA so gut läuft, zeigt, welche Möglichkeiten die Telekommunikation noch bieten kann. Es ist durchaus zu erwarten, dass sich mit 5G und 6G dieser Trend später fortsetzt. Wenn die Europäer in der Weltpolitik eine Rolle spielen wollen, müssen sie noch enger zusammenrücken, um von den USA oder von China deutlicher wahrgenommen zu werden. Eine Europa-Telekom (wie immer die auch aussehen wird), ist da auf die Dauer gar nicht so unwahrscheinlich.
Alle Mobilfunk-Tarife der Telekom finden Sie übrigens auf unserer Telekom-Übersichtsseite.