Mitschnitt obligatorisch

So funktioniert die Aufzeichnung von Banktelefonaten in der Schweiz

Seit Jahresanfang werden auch mobile Telefonate von Bankenmitarbeitern mit ihren Kunden aufgezeichnet, egal wo sich die Teilnehmer befinden - auch in der EU ist eine entsprechende Vorgabe für 2017 geplant. Doch wie funktioniert so eine Datensammlung überhaupt?
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Schweizer Banken müssen Telefonate ihrer Mitarbeiter aufzeichnen. Ab 2017 treten auch in Deutschland entsprechende Vorschriften in Kraft. Schweizer Banken müssen Telefonate ihrer Mitarbeiter aufzeichnen. Ab 2017 treten auch in Deutschland entsprechende Vorschriften in Kraft.
Bild: teltarif.de
Was Deutschland und Europa in den nächsten Jahren noch bevorstehen könnte, hat die Schweiz schon umgesetzt: Die komplette Speicherung von Telefongesprächen, zunächst nur für Banken und Finanzdienstleister, technisch wäre noch viel mehr möglich.

In der Schweiz können ab sofort nicht nur dienstliche Festnetz-Telefonate von Anlageberatern oder anderen Bankmitarbeitern mit deren Kunden zentral aufgezeichnet werden: Eine neue Lösung für Telefonnetzbetreiber ermöglicht Banken und anderen Branchen ab sofort die Aufzeichnung von Mobiltelefon-Gesprächen, SMS und Verbindungsinformationen entsprechend den aktuellen gesetzlichen Vorschriften.

Aufzeichnung soll Insider-Absprachen verhindern

Schweizer Banken müssen Telefonate ihrer Mitarbeiter aufzeichnen. Ab 2017 treten auch in Deutschland entsprechende Vorschriften in Kraft. Schweizer Banken müssen Telefonate ihrer Mitarbeiter aufzeichnen. Ab 2017 treten auch in Deutschland entsprechende Vorschriften in Kraft.
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Das deutsche Unternehmen CreaLog hat für die Schweizer Swisscom den Dienst Mobile Voice Recording entwickelt, der seit Jahresanfang erstmals auch in einem europäischen Mobilfunknetz zum Einsatz kommt. Der Dienst erfülle die Anforderungen der seit Jahresanfang gültigen Aufzeichnungs- und Archivierungsvorgaben der Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA.

Damit sollen Insider-Absprachen oder bewusste Falschinformationen in telefonischen Beratungsgesprächen der Finanzbranche vermieden werden, die in der Vergangenheit wiederholt zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den einzelnen Kunden führen konnten. Deshalb und zur Bekämpfung der Geldwäsche hat der Schweizer Gesetzgeber zum Jahreswechsel eine Regulierung der Beweisbarkeit von Aufträgen, Beratungen und Entscheidungen eingeführt. Die neue elektronische Aufzeichnungspflicht gemäß FINMA (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) [Link entfernt] gilt nicht nur für Festnetztelefonate, sondern auch für Mobilfunkgespräche und elektronische Korrespondenz wie zum Beispiel SMS. Die Aufbewahrungsfrist beträgt zwei Jahre. Telefonate und Kommunikationsmittel, die nicht aufgezeichnet werden können, sind im Bankbereich nicht mehr zulässig.

Was die Schweizer jetzt schon umsetzen, ist europaweit ab 2017 geplant: Das Europäische Parlament hat zum Schutz der Bankkunden im Mai 2014 eine Verschärfung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) verabschiedet. Sie soll das Finanzsystem laut dem damaligen Binnenmarktkommissar Michel Barnier "sicherer, transparenter und verantwortungsvoller machen." Spätestens Anfang 2017 müssen entsprechende Telefonate und Beratungsgespräche in allen EU- und EWR-Staaten aufgezeichnet werden - und zwar in Festnetz- und Mobilfunknetzen.

Startschuss in der Schweiz

Als erster Mobilfunkanbieter hat die Swisscom seine Kommunikationsinfrastruktur den neuen Vorgaben entsprechend modernisiert. Der neue Swisscom-Dienst Mobile Voice Recording wurde über die "Mobile Call Recording-Plattform" des Herstellers CreaLog realisiert. Er sei flexibel an Kundenanforderungen anpassbar und stehe branchenunabhängig potenziell auch anderen Unternehmen zur Verfügung, teilte der Hersteller mit.

Anbieter von Festnetztelefonie oder Internetzugängen haben die automatisierte Sprachaufzeichnung schon länger im Einsatz. Wer beispielsweise seinen Vertrag neu abschließen, ändern oder verlängern will, kennt die Situation, wenn der Hotliner plötzlich mitteilt, dass er das "Ja" des Kunden jetzt zusammen mit einer kurzen Erklärung, um was es geht, aufzeichnet.

Neu ist für die Unternehmen die Aufzeichnung von wirklich allen relevanten Gesprächen auch in Mobilfunknetzen. Der neue Service wurde deshalb direkt in die Vermittlungsstellen des Schweizer Swisscom-Telefonnetzes integriert.

Einfache Aufzeichnung - mit Ansage

Zur Nutzung dieser Dienstleistung müssen Banken oder interessierte Unternehmen aus anderen Branchen lediglich die Mobilfunk-Rufnummern derjenigen Mitarbeiter an den Netzbetreiber Swisscom melden, die aufzeichnungspflichtige Gespräche mit Kunden führen. Diese Rufnummern werden in einer sogenannten White-List-Datenbank gespeichert. Alles weitere erledigt die neue Mobile Voice Recording-Lösung - auch dann, wenn sich einer oder beide Gesprächspartner mit ihrem Handy im Ausland befinden und Roaming-Gespräche führen. Dieser Dienst funktioniert mit sämtlichen mobilen Voice-Endgeräten und benötigt keine spezielle App auf den Handys.

Bei Verbindungen mit einem für Mobile Voice Recording registrierten Anschluss hört der Gesprächspartner zunächst eine Ansage, die über die gesetzliche Aufzeichnungspflicht für diese Verbindung informiert. Die Gesprächspartner werden dann in zwei getrennten Datenströmen erfasst und in den beiden Tonkanälen einer Stereo-Audiodatei gespeichert. Zusätzlich werden in der Datei auch die Verbindungsinformationen (Metadaten) gespeichert, u.a. Datum, Gesprächsdauer und Teilnehmer-Nummer.

Aufnahmen werden verschlüsselt

Damit die aufgezeichneten Gesprächsinhalte sicher vor Missbrauch sind, werden sie direkt im Call Recording System nach dem Public-Private-Key-Verfahren mit dem Public Key verschlüsselt. So wird die Unveränderbarkeit der Daten jederzeit sichergestellt. Der dazugehörige private Schlüssel befindet sich ausschließlich beim Auftraggeber, zum Beispiel dem Finanzinstitut. Nur autorisierte Personen des Finanzinstituts können diese Daten später entschlüsseln und dies auch generell nur mit einer Protokollierung der Zugriffe.

Recherche und Wiedergabe von Sprach- oder SMS-Aufzeichnungen

Sollen Aufzeichnungen später zur Klärung strittiger Sachverhalte wiedergegeben werden, sei sichergestellt, dass dies nur im Vier- Augen-Prinzip möglich ist. Dem Datenschutz werde so in höchstem Maße Rechnung getragen. Die computergestützte Recherche von Gesprächsaufzeichnungen und SMS erfolgt gezielt nach Datum oder Gesprächspartnern. CreaLog bietet auch eine Software an, die Spracheingaben nach Schlüsselbegriffen durchsuchen kann, sofern die Teilnehmer deutlich sprechen.

Die aufgezeichneten Gespräche werden bei Swisscom nur auf Servern in der Schweiz abspeichert. Georedundanz, also die Speicherung auf Servern in unter­schied­lichen Lokationen, ist für Swisscom ebenso selbstverständlich, um maximale Datensicherheit zu ermöglichen.

Der Kommentar:

Ob die neue Aufzeichnungspflicht wirklich den erhofften wirksamen Schutz vor windigen Finanzgeschäften und ihren Drahtziehern bringen wird, muss bezweifelt werden. Eher werden Finanzjongleure sich ein Zweit- oder Dritthandy zulegen, deren Nummer dem Arbeitgeber nicht bekannt gegeben und damit auch nicht aufgezeichnet oder zugeordnet werden kann.

Mögen diese Aufzeichnungen bei den Banken noch "sicher" sein, darf man in Zukunft davon ausgehen, dass sie "auf Anfrage" auch Ermittlungsbehörden zugänglich gemacht werden können. Problematisch könnten dabei verwendete Sprachen und Dialekte sein. Das im Schweizer Wallis gesprochene "Walliserdütsch", ist selbst für Schweizerbürger anderer Kantone schwer bis nicht verständlich.

Das politische Signal hingegen ist deutlich: Wer sein Geld künftig vor dem Fiskus "in Sicherheit" bringen möchte, muss viel mehr "kriminelle Energie" entwickeln oder er lässt es besser bleiben. Die Kehrseite der Medaille ist eine Gesellschaft, die zu einem "globalen Dorf" wird. Viele "Geheimnisse" sind dort längst keine mehr.

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