Privatsphäre

Experten: Missbrauch der Vorratsdaten nicht auszuschließen

Zahlreiche Fragen zur Vorratsdatenspeicherung offen
Von Ralf Trautmann

Der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung bzw. die genauen Regelungen hierzu ist (mehr oder weniger) offen, wenngleich das Ganze natürlich schon seit geraumer Zeit läuft: Seit Anfang 2008 werden Verbindungsdaten via Festnetz und Handy aller Nutzer "anlassunabhängig" aufgezeichnet, also wer wann, wo und wie lange mit wem kommuniziert hat, seit Anfang dieses Jahres betrifft dies auch die Internet-Nutzung. Die Inhalte der Kommunikation indes werden nicht gespeichert. Gegen dieses Überwachungsprojekt zuvor undenkbaren Ausmaßes regte und regt sich allerdings Protest: Ein inoffizieller Fürsprecher der mittlerweile 34 000 Gegner, die mittlerweile Verfassungsbeschwerde eingelegt haben, ist der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat daher hier noch final zu entscheiden, schon vorab wurde die Nutzung der Daten durch Strafverfolgungsbehörden zum Beispiel auf so genannte "schwere Straftaten" eingeschränkt.

Nun vermeldet der Arbeitskreis, dass sich alle neun Experten, die das Bundesverfassungsgericht zu Rate gezogen hat, in der Einschätzung einig seien, dass sich der Missbrauch der erhobenen Daten nicht ausschließen lasse. Zu den Befragten zählten unter anderem der Bundesdatenschutzbeauftragte, Universitätsprofessoren, der Chaos Computer Club und Wirtschaftsverbände, die entsprechenden Stellungnahmen lägen jetzt vor.

Vorratsdatenspeicherung: Ungeklärte Fragen

Die Antworten der Befragten sind ausführlich und beleuchten verschiedene Aspekte. So wird zum Beispiel angemerkt, dass sich unter anderem über die gespeicherten IP-Adressen bei Nutzung wahlweise am Hotspot, Zuhause sowie auf der Arbeit Bewegungsprofile erstellen lassen könnten.

Darüber hinaus seien zahlreiche Fragen ungeklärt, die von den Experten unterschiedlich bewertet werden: Müssen nicht-kommerzielle Dienste wie E-Mail-Anbieter oder Anonymisierungssysteme die Daten ebenfalls vorrätig speichern? Die Bundesnetzagentur sieht hier offenbar keine Speicherpflicht, die Europäische Kommission dagegen schon.

Zudem zeige der Umgang mit klassischen, gespeicherten Verkehrsdaten abseits der Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel, dass Internet-Anbieter diese schon an die Musikindustrie herausgegeben hätten, obwohl dies laut Gesetz nur an Strafbehörden erlaubt ist. Mehr als naheliegend, hier auch bezüglich der Vorratsdatenspeicherung Bedenken zu haben.

Gefahr der Ausweitung auf Inhalte

Dies um so mehr, als sich die Frage nach der sicheren Speicherung der Vorrats-Daten stellt: Hier berichtet der Bundesdatenschutzbeauftragte, dass einige Unternehmen die Speicherung getrennt von "normalen" Verkehrsdaten vornehmen, andere dagegen in einem gemeinsamen System und dann über "Zugriffschutzkonzepte" sichern wollen. In wie weit solche Konzepte sinnvoll greifen, ist natürlich offen.

Des Weiteren besteht die nicht unberechtigte Sorge vor weiteren Begehrlichkeiten: So habe der Bundesdatenschutzbeauftragte die Befürchtung, es werde nicht lange dauern, bis auch die Speicherung von Inhalten gefordert werde.

Der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung wird indes weitergehen: So haben die Beschwerdeführer laut Arbeitskreis beantragt, dem "Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die von Deutschland umzusetzende EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung die Grundrechte der Bürger unverhältnismäßig weit beschränkt".

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