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Sachsen: Zug wird über 5G ferngesteuert

Die Fern­bedie­nung am Fern­seher kennt jeder, aber einen Zug ohne Lokführer an Bord aus der Ferne steuern? Auch das geht, wie ein Forschungs­pro­jekt im Erzge­birge zeigt.
Von mit Material von dpa

Wenn man in einen Zug steigt, sitzt in der Regel vorne ein(e) Lokführer(in) und steuert den Zug. Bei U- und S-Bahnen gibt es auch auto­mati­sche Bahnen, die compu­ter­gesteuert fahren. Und neuer­dings gibt es auch Züge, wo das Kontroll­per­sonal fernab der Strecke in irgend­einem Büro sitzt und den Zug steuert.

Test­fahrt im Erzge­birge

DLR und Smart Rail Connectivity Campus steuern über das Vodafone-Netz einen fahrerlosen Zug in Annaberg-Buchholz fern. DLR und Smart Rail Connectivity Campus steuern über das Vodafone-Netz einen fahrerlosen Zug in Annaberg-Buchholz fern.
Foto: Vodafone
Um 11.38 Uhr rollt der Trieb­wagen am Bahnhof Schlettau (Erzge­birge, Sachsen) an, doch der Führer­stand ist verwaist. Aller­dings ist hier im Erzge­birge kein Geis­terzug unter­wegs, sondern es wird die "Bahn­technik der Zukunft" erprobt. Zeit­gleich sitzt in Braun­schweig Lokführer Volker Grube (nicht verwandt mit dem ehema­ligen Bahn­chef) vor zwei Bild­schirmen und steuert den Wagen mit sicherer Hand. Dazu bekommt er in Echt­zeit Kame­radaten aus dem Zug über­tragen.

Drei Jahre Forschung

Rund drei Jahre wurde an dem Projekt zur Fern­steue­rung von Zügen geforscht - mit dem Ergebnis zeigten sich die Betei­ligten aus Wissen­schaft und Wirt­schaft heute sehr zufrieden.

Züge aus der Ferne zu steuern ist nach Exper­ten­angaben ein wich­tiger Baustein hin zu auto­nomem Fahren auf der Schiene - etwa als Rück­fall­ebene. Dabei müsse sicher­gestellt werden, dass ein Lokführer in der Ferne alle Infor­mationen erhalte, um den Zug genauso sicher zu steuern, als säße er drin, erklärte der Leiter des Insti­tuts für Verkehrs­sys­tem­technik am Deut­schen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt, Michael Ortgiese. In Schlettau werden dazu die Daten mittels 5G-Mobil­funk im Netz von Voda­fone über­tragen.

Test­fahrt nur wenige 100 Meter

Für Laien ist die Test­fahrt bis auf den fehlenden Lokführer vor Ort relativ unspek­takulär: Der Trieb­wagen fährt mit maximal 15 Stun­den­kilo­metern wenige Hundert Meter. Dann wech­selt er die Fahrt­rich­tung und kehrt zurück. Ortgiese spricht dennoch von einem "wich­tigen Schritt". Ausschlag­gebend sei, das Funk­tio­nieren der Technik in einem realis­tischen Szenario unter Beweis zu stellen.

Fern­steue­rung für modernen Bahn­betrieb

Gerade die Fern­steue­rung und der Zugriff auf Schie­nen­fahr­zeuge über Mobil­funk­netze seien Meilen­steine in der Entwick­lung eines modernen Bahn­betriebs.

Sachsen wolle Vorreiter bei der Entwick­lung und Erpro­bung des auto­nomen Fahrens auf Straße und Schiene sein, betonte Landes­ver­kehrs­minister Martin Dulig. "Auto­mati­sierte Schie­nen­fahr­zeuge werden in Zukunft die Mobi­lität nach­haltig und prägend verän­dern." Dabei sei die Sicher­heit wichtig. Hierzu biete der Frei­staat mit dem Smart Rail Connec­tivity Campus samt Test­strecke im Erzge­birge eine wich­tige Voraus­set­zung. Eine solche Infra­struktur brauche es, um bei der Bahn­technik inter­national konkur­renz­fähig zu bleiben.

In Anna­berg-Buch­holz wird seit Jahren mit Millio­nen­för­derung der Aufbau eines Forschungs­campus rund um das Eisen­bahn­system der Zukunft voran­getrieben. Dabei geht es etwa um auto­mati­siertes Fahren sowie hybride Antriebe. Zum Netz­werk gehören mehr als 100 Partner, darunter wissen­schaft­liche Einrich­tungen wie die Tech­nischen Univer­sitäten Dresden, Chem­nitz, Ilmenau und Braun­schweig, Insti­tute der Fraun­hofer-Gesell­schaft und das Deut­sche Zentrum für Luft und Raum­fahrt.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Gerade, wo Lokführer wegen Krank­heit oder gene­rellem Perso­nal­mangel nicht immer verfügbar sind, wäre die Möglich­keit, Züge fern­zusteuern, eine Lösung. Was aber, wenn wie neulich bei GSM-R geschehen, irgend­welche "Verrückten" wich­tige Signal­lei­tungen durch­trennen? Dann bleibt der Zug irgendwo stehen und blockiert den gesamten Betrieb einer Strecke. Da wäre ein Lokführer an Bord oder eine Technik, die auto­matisch wenigs­tens noch "auf Sicht" bis in den nächsten Bahnhof fahren kann, wünschens­wert.

Und außerdem muss die Bahn­strecke dann 200-prozentig mit Mobil­funk versorgt werden. Das ist die eigent­liche Heraus­for­derung. Das schafft derzeit kein Netz­betreiber wirk­lich.

Alle Netz­betreiber verfehlen die Ausbau­ziele wohl deut­lich.

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