Deutsche Bahn: 5G-Mobilfunk auf 3,6 GHz im Zug
Die Deutsche Bahn (DB), der Netzwerkausrüster Ericsson, der Telekommunikationsanbieter o2/Telefónica und der Funkmastbetreiber Vantage Towers wollen gemeinsam ein Konzept entwickeln, wie in Deutschland eine umfassende 5G-Mobilfunkinfrastruktur mit 3,6 GHz entlang der Bahngleise aufgebaut werden kann.
Bahnreisende sollen für ihre Telefon- und Datenverbindungen "Gigabit-Übertragungsraten" nutzen können, zugleich sollen für die weitere Digitalisierung des Bahnbetriebs leistungsfähige Übertragungstechnologien bereitstehen. Die Partner haben dafür heute Förderbescheide des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) zur Erprobung innovativer Technologien für die Mobilfunkversorgung entlang der Gleise erhalten.
Das Bundesministerium unterstützt das Projekt zum sogenannten "Gigabit Innovation Track" (GINT) mit rund 6,4 Millionen Euro als "wichtigen Baustein in der Gigabit-Strategie der Bundesregierung". Gemeinsam wollen die GINT-Partner die technischen und wirtschaftlichen Optionen für eine leistungsfähige und nachhaltige 5G-Mobilfunkversorgung entlang der Gleise ausarbeiten und erproben.
Erwartung der Bahnreisenden steigen
5G-Versorgung im Zug: Dazu wären 20.000 neue Masten notwendig. In Mecklenburg-Vorpommern wird das ausprobiert
Grafik: Deutsche Bahn, o2, Ericsson, Vantage Towers
Es ist klar: Bahnreisende erwarten immer selbstverständlicher exzellente Daten- und Mobilfunkverbindungen. Die Herausforderung dabei ist: Der Datenverbrauch moderner Office- und Entertainment-Anwendungen ist immens - und wird in den kommenden Jahren weiter deutlich wachsen: Schon zu Beginn der 2030er-Jahre werden nach Expertenschätzungen zwischen den Funkmasten an der Strecke und den vorbeifahrenden Zügen Datenraten bis zu fünf Gigabit pro Sekunde pro Zug notwendig sein, damit Reisende an Bord Telefon- und Datenverbindungen in der dann üblichen Mobilfunkqualität "erleben" können.
Das ist ein Vielfaches der mit heutiger LTE-Technologie möglichen Datenraten. Wie die künftig notwendigen hohen Übertragungsraten gelingen und die dafür notwendige Infrastruktur ressourcenschonend aufgebaut werden kann, wollen die Projektpartner gemeinsam bis Ende 2024 ausarbeiten.
5G-Testfeld in Mecklenburg-Vorpommern geplant
Um technologische Ansätze und Möglichkeiten in der Praxis zu erproben, entsteht als Teil des Projekts entlang eines gut zehn Kilometer langen Gleisstücks zwischen Malchow und Karow (Mecklenburgische Seenplatte) ein Versuchsfeld: Voraussichtlich zehn "innovative" Funkmasten unterschiedlicher Bauart werden dort aufgestellt. Sie sollen für eine lückenlose Gigabit-Ausleuchtung der Strecke sorgen. Die Strecke sei wenig befahren und daher ideal für Tests geeignet.
Geprüft werden dabei unter anderem verschiedene Designs von Funkmasten - auch solche, bei denen die Masten sicher in die Erde geschraubt werden, ohne dass aufwändig wenig nachhaltige Beton-Fundamente gegossen werden müssen. Das soll Zeit, Geld und CO2 sparen.
Der Bau der Test-Masten soll zeitnah losgehen, das Projekt soll bis Ende 2024 laufen.
3,6 GHz an der Bahnstrecke: 20.000 neue Masten notwendig
Für die Gigabitversorgung der Bahnreisenden wollen die Projektpartner außerdem 5G-Mobilfunk auf den 3,6-Gigahertz-Frequenzen von o2/Telefónica verwenden. Diese Frequenzen ermöglichen eine besonders schnelle mobile Datenübertragung, haben allerdings eine wesentlich geringere Reichweite als beim heutigen 4G-Mobilfunk. Ein Funkmast kann auf 3,6 GHz nur rund einen Kilometer Bahnstrecke versorgen, so dass entlang der Schienen deutschlandweit rund 20.000 neue Masten gebraucht werden.
Ebenso braucht der künftige Bahnfunk "Future Rail Mobile Communication System" (FRMCS) mit seinem dedizierten Frequenzspektrum bei 1900 MHz zusätzliche Funkmasten. FRMCS soll das Nachfolge-Ergänzungs-System zu GSM-R (auf 800 MHz) werden.
Neue Betreiber und Kooperationsmodelle
Das Projektteam entwickelt deshalb auch Vorschläge für Betreiber- und Kooperationsmodelle zwischen Bahn- und Mobilfunkindustrie sowie Funkmastbetreibern, bei denen beispielsweise Funkmasten wettbewerbsneutral für FRMCS-Verbindungen und 5G-Versorgung für Fahrgäste gemeinsam genutzt werden können. Das spart Bauzeit, Ressourcen und Kosten. Die Projektergebnisse sollen der Politik helfen, den 5G-Ausbau entlang der Schiene und dessen Finanzierung zu konzipieren.
Minister: Züge sind ein rollendes Büro
Dr. Volker Wissing, der Bundesminister für Digitales und Verkehr findet, dass die Attraktivität der Bahn nur dadurch steigt, wenn die Züge nicht nur pünktlich und zuverlässig sind, sondern auch, wenn Bahnfahren "so angenehm wie möglich und noch komfortabler" wird. Sein Anspruch ist "der Zug als rollendes Büro oder Wohnzimmer, in dem mobiles Arbeiten, Video-Streaming und Telefonate mit dem Handy technisch einwandfrei möglich sind." Diese hohe Qualität werde nur mit einer Gigabitversorgung zu erreichen sein. Hierfür soll das Förderprojekt "Gigabit Innovation Track" einen entscheidenden Grundstein legen.
Daniela Gerd tom Markotten, bei der Deutschen Bahn im Vorstand für Digitalisierung und Technik zuständig, möchte für einen zügigen Ausbau der 5G-Netze entlang unserer Gleise die Kräfte von Bahn- und Mobilfunkindustrie sowie Funkmastbetreibern bündeln.
Valentina Daiber, Vorständin für "Legal und Corporate Affairs" bei o2/Telefónica möchte "die Weichen für die zukünftige Gigabitversorgung an den Gleisen" stellen. Sie forderte "neue technologische Konzepte und eine tragfähige Finanzierung".
Daniel Leimbach, CEO von Ericsson in Deutschland, findet, eine "ressourcenschonende und gleichzeitig hochleistungsfähige Mobilfunknetz-Infrastruktur am Gleis für Passagierkommunikation und den zukünftigen digitalen Bahnbetrieb FRMCS" sei eine "technologisch spannende Herausforderung". Ericsson setzt auf aktive und passive Mehrantennenkonfigurationen (MIMO = Multiple Input Multiple Output) und Beamforming-Technologien. Beim Beamforming werden die Funksignale so auf die Empfangsgeräte ausgerichtet, dass eine besonders zielgerichtete und effiziente Übertragung der Daten möglich ist. Das ist gerade in schnell fahrenden Zügen interessant.
Christian Sommer von Vantage Towers findet, dass die große Herausforderung einer Gigabitversorgung der Schienenwege sich nur durch die konsequente gemeinsame Nutzung von Infrastruktur lösen lässt. Entlang der Gleise sollen innovative Funkmastkonzepte umgesetzt werden, die sich schnell, kosteneffizient und umweltschonend realisieren lassen.
Kurioserweise ist die Deutsche Telekom nicht im Konsortium. Sie will ihre eigene Zugversorgung auf 200 MBit/s erweitern.