Neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung: Die Details
Heiko Maas (Archivbild)
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Ein neuer Name und einige Änderungen, und schon ist das Schreckenskind vieler Datenschützer wieder
auf dem Tisch: Bundesjustizminister Heiko Maas hat heute die
Leitlinien seines Ministeriums
zur
"Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten" vorgestellt - also dem,
was der Volksmund als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet. Dabei geht es Maas vor allem
darum, klarzumachen, dass nur bei gravierenden Gesetzesverstößen, nur mit richterlicher Anordnung und
auch nur zeitlich begrenzt auf die Daten zugegriffen werden darf. Dennoch: Nach seinen Plänen
werden künftig Standort- und Verkehrsdaten erfasst und gespeichert - auf Vorrat und ohne
Anfangsverdacht.
Von Maas heißt es dazu: "Um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der Digitalen Welt zu bewahren, legen wir klare und transparente Regeln zu Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten vor". Die Leitlinien würden zeitlich und inhaltlich eng begrenzte Speicherfristen mit sehr strengen Abrufregelungen kombinieren. "Wir bringen die Ziele der Verbrechensbekämpfung mit hohen Datenschutzstandards in Einklang. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs halten wir ein." Der EuGH hatte die Vorratsdatenspeicherung im vergangenen Jahr kassiert.
Festnetz, Internet und Mobilfunk: Das darf gespeichert werden
Heiko Maas (Archivbild)
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Inhalte von Kommunikation dürfen in keiner Weise gespeichert werden. Auch
dürfen keine Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden. Und auch der
gesamte E-Mail-Bereich ist komplett von der Speicherung ausgenommen, so die Pläne des Ministers.
Doch beim Telefon- und Internet-Verkehr wird fleißig gespeichert.
Denn erfasst werden soll die
Rufnummer des anrufenden und des angerufenen
Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten
Anschlusses samt Datum und Uhrzeit - von Beginn und Ende des Telefonates. Bei
Handygesprächen werden auch internationale Teilnehmer erfasst und
die Bezeichnungen der Funkzellen, die durch beide
Teilnehmer bei Beginn der Verbindung genutzt werden, werden gespeichert.
Das gilt auch für SMS.
Auch bei VoIP-Diensten werden die IP-Adressen der Teilnehmer erfasst.
Im Internetbereich müssen die Provider erfassen, welcher Kunde welche IP-Adresse zu welchem Zeitpunkt zugewiesen bekommen hat und wie lange diese zugeteilt wurde. Aufgerufene Internetseiten dürfen demnach nicht erfasst werden.
Datenspeicherung für zehn Wochen
Gespeichert werden darf nur zehn Wochen - und zwar bei den Telefongesellschaften, die als Speicherort Deutschland nutzen müssen. Wer die zehn Wochen überschreitet, soll sogar bestraft werden. Standortdaten dürfen nur vier Wochen gespeichert werden. Und auch wenn dem Ministerium die Sicherheit der Daten wichtig zu sein scheint, wird vorsichtshalber in den Plänen auch direkt der Handel mit gestohlenen Daten unter Strafe gestellt. Ebenso werde ein neuer Straftatbestand der "Datenhehlerei" geschaffen und damit eine Strafbarkeitslücke geschlossen.
Zugriff auf die Daten bekommen die Ermittlungsbehörden nur bei "einzeln aufgelisteten schweren Straftaten" und nur nach vorheriger Genehmigung durch einen Richter. Als Beispiele werden Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Bildung krimineller Vereinigungen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften, Mord- und Totschlag, schwerer Bandendiebstahl, aber auch bestimmte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder das Einschleusen von Ausländern genannt.
Wird auf die Daten zugegriffen, so sollen nach Vorstellungen des Ministers "die Betroffenen grundsätzlich darüber informiert werden". Übrigens sollen Verkehrsdaten, die sich auf Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen beziehen, die anonym bleibenden Anrufern telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten, grundsätzlich von der Speicherpflicht ausgenommen werden. Darüber hinaus dürfen Verkehrsdaten in Bezug auf alle zeugnisverweigerungsberechtigten Personen (Seelsorger, Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Beratungsstellen für Betäubungsmittelabhängigkeit und Schwangerschaftskonflikte, Abgeordnete, Presse) nicht abgerufen werden. Zufallsfunde sollen einem Verwertungsverbot unterliegen
Maas sieht Leitlinien als ausgewogenen Mittelweg
"Das ist nicht die alte Vorratsdatenspeicherung, wie die Sicherheitspolitiker sie sich wünschen. Anderen - wie etwa den Netzpolitikern - wird er eventuell zu weit gehen. Das zeigt: Diese Leitlinien sind ein ausgewogener Mittelweg", so Heiko Maas selbstkritisch. "Die Speicherung von Verbindungsdaten stellt keinen unerheblichen Eingriff in die Grundrechte dar. Deswegen legen wir ein besonderes Augenmerk darauf, Freiheitsrechte und Datenschutz soweit wie möglich zu sichern und zu bewahren. Die Einschränkungen bei der Speicherung und die hohen Hürden beim Abruf gehen weit über das hinaus, was in bisherigen Regelungen enthalten war. Nach unseren Leitlinien dürfen nur noch weniger Daten für einen kürzeren Zeitraum bei höheren Zugriffshürden gespeichert werden.“
Erste kritische Reaktionen von Politik und Anbietern
Dass es Kritik an den Leitlinien gibt, hat Maas richtig vorhergesehen. "Heiko Maas hat deutliche Verbesserungen erreicht, aber ich habe weiterhin grundsätzliche Zweifel, ob eine solche anlasslose Massenspeicherung vor Gericht Bestand haben wird, und halte sie deshalb für falsch", sagte der netzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Klingbeil, dem Handelsblatt.
Auch die Internetwirtschaft übt der Zeitung zufolge Kritik: "Es ist mehr als zweifelhaft ob nach den eindeutigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Regelung zur Einführung einer Speicherungspflicht für Verkehrsdaten technisch und rechtlich überhaupt möglich ist", sagte der Vorstand des eco-Verbandes, Oliver Süme, der Zeitung. "Die Leittragenden dieses politischen Kompromisses werden in jedem Fall die Unternehmen der Internet- und Telekommunikationsunternehmen sein. Diese würden gesetzlich verpflichtet, die Vorratsdatenspeicherung auf eigene Kosten umzusetzen und zu implementieren, die finanziellen Belastungen und der technische Aufwand seien derzeit noch vollkommen unklar. Auch der Telekomanbieter 1&1 äußerte sich kritisch: "Für uns stellt sich weiterhin die Frage, ob eine anlasslose Speicherung überhaupt angemessen sein kann", sagte ein Sprecher.