EU-Strafzahlungen

Vorratsdaten: Deutschland kommt mit blauem Auge davon

Strafzahlungen an EU werden erst nach Urteil des Gerichtshofs fällig
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Vorratsdatenspeicherung: Deutschland kommt mit blauem Auge davon Vorratsdatenspeicherung: Deutschland kommt mit blauem Auge davon
Bild: vorratsdatenspeicherung.de
Wie es aussieht kommt Deutschland wegen der nicht umgesetzten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit einem blauen Auge davon: Aufgrund der geltenden Rechtslage könnten die Strafzahlungen deutlich niedriger ausfallen als bisher vermutet - oder vielleicht ganz entfallen.

In einer nichtöffentlichen Sitzung hat sich der Innenausschusses des Bundestags laut Informationen der Süddeutschen Zeitung auf ein Prozedere geeinigt, das nicht nur die europäische Rechtslage, sondern auch die Behäbigkeit der Behörden berücksichtigt. Damit sollen einerseits Wähler und Verbraucherschützer nicht mit einem neuen Gesetzesentwurf zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Verbindungsdaten verschreckt und andererseits die Steuerzahler nicht mit hohen EU-Strafzahlungen belastet werden.

Deutschland kann Gerichtsurteil gelassen entgegenblicken

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Nach Angaben von Beobachtern ist mit einer Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof erst im nächsten Jahr zu rechnen. Die Klage wurde seitens der EU-Kommission noch nicht einmal erhoben; dies soll noch diesen Monat geschehen. Aber bis zu einer Verurteilung muss Deutschland keinen müden Cent an Strafzahlungen leisten.

Der bei der Sitzung des Innenausschusses anwesende Reinhard Priebe, Leiter der Direktion Innere Sicherheit bei EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, brachte eine Überraschung mit: Die EU-Kommission wolle zusammen mit der Klage nur ein Zwangsgeld, nicht aber einen Pauschalbetrag für die noch nicht einmal bewiesene deutsche Nichtumsetzung der Richtlinie beantragen. Denn mit einem Pauschbetrag würde die EU sozusagen zwischen den Zeilen suggerieren, dass sie das europarechtswidrige Verhalten eines Mitgliedstaates billigt.

Ein Zwangsgeld verfolgt im Gegensatz dazu den Zweck, die Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat voranzutreiben. Es wird pro Tag berechnet: Für jeden Tag ab der Verurteilung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes wäre ein gewisser Betrag zu bezahlen. Im Falle von Schweden betrug dieses Zwangsgeld 350 000 Kronen pro Tag (entspricht etwa 38 920 Euro). Schweden hat deswegen nach anfänglichem Widerstand schnell zum 1. Mai ein entsprechendes Gesetz durchgedrückt. Experten gehen davon aus, dass daher der auf Deutschland zukommende Betrag recht niedrig ausfallen würde. Im Übrigen herrscht im Sommer 2013 in Deutschland Bundestagswahlkampf - von der jetzigen Bundesregierung ist also kein Gesetzesentwurf mehr zu erwarten.

Vorteil für Deutschland: EU-Richtlinie könnte unwirksam sein

Ein weiterer Pluspunkt für Deutschland: Die entsprechende EU-Richtlinie steht momentan bei so vielen Mitgliedsstaaten in der Kritik, dass sie vielleicht bis zu einer Verhandlung der deutschen Nichtbeachtung vor Gericht gar nicht mehr existiert oder eventuell nur noch in abgeschwächter Form. Das oberste Gericht Irlands hat nämlich vom Europäischen Gerichtshof feststellen lassen, dass die Richtlinie sowohl höherem EU-Recht als auch der Grundrechtecharta widerspricht. Ob und wann die Richtlinie aus dem Jahr 2006 im Hinblick auf datenschutzrechtliche Belange überarbeitet wird, steht noch in den Sternen.

Deutsche Internetnutzer können also erst einmal aufatmen - mit einer in technischer, finanzieller und vor allem datenschutzrechtlicher Hinsicht völlig ungeklärten Massenspeicherung privater Daten ist in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren nicht zu rechnen.

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