Telekom-Chef: "Reservierte Liege muss auch genutzt werden"
Telekom-Deutschland-Chef Niek Jan van Damme war zu Besuch in der teltarif.de-Redaktion. Er hat sich im zweiten Teil des Interviews mit teltarif.de-Redakteur Thorsten Neuhetzki über den VDSL-Ausbau, Vectoring und die Netzneutralität unterhalten. Auf Seite zwei erklärt der Manager, warum Kunden aus seiner Sicht eine Drosselung im Mobilfunk akzeptieren und ob bei der Telekom ein Router-Zwang kommt. Auf der dritten Seite sprechen wir darüber, wie WLAN-Ausbau im ICE schneller vorangehen soll, warum es teilweise ungenutzte LTE-Sender gibt und warum nicht alle Kunden LTE nutzen können.
Teil Eins des Interviews, bei dem der Manager eingestand, bei der Datendrossel seien Kommunikationsfehler gemacht worden, hatten wir bereits am Montag veröffentlicht.
Die Themen des Gespräches:
Telekom Deutschland-Chef Niek Jan van Damme
Foto: teltarif.de / Marleen Frontzeck
Herr van Damme, Sie haben im ersten Teil unseres Gespräches gesagt, dass Sie eine Übernahme von Kabel Deutschland nicht in Betracht gezogen haben. Neben dem Kartellamt, das etwas dagegen haben dürfte, haben Sie auch gerechnet und sehen nicht genügend Synergieeffekte. Wie lautet Ihre Alternative?
Niek Jan van Damme: Wir bauen unser VDSL-Netz aus
und wollen Vectoring einsetzen. Wir glauben
auch, dass Glasfaser langfristig die Lösung sein wird, um hohe Datenraten zu
den Kunden zu bringen. Somit ist das Investment in VDSL ein sehr
sinnvolles und ein Zwischenschritt zum Glasfaserausbau bis in die Wohnungen.
Beim Vectoring gab es jetzt von der Bundesnetzagentur den Regulierungsentwurf zu Vectoring. Können Sie damit leben oder missfällt Ihnen beispielsweise die Vectoring-Liste?
Niek Jan van Damme: Grundsätzlich sind wir mit dem Entwurf zufrieden. Wir können, sobald
Brüssel den Entwurf genehmigt hat, Vectoring einsetzen - das ist natürlich
positiv. Was wir kritisch sehen, ist die Entwicklung im ländlichen Raum.
Wir sehen das Risiko, dass Wettbewerber hier nur besonders lukrative Kabelverzweiger
ausbauen und andere Haushalte damit unversorgt bleiben. Für uns lohnt sich
der Ausbau meist nur, wenn wir für das gesamte Ortsnetz planen können.
Fordern Sie hier eine Verordnung, dass die Wettbewerber gezwungen werden, auch die Fläche auszubauen und nicht nur die Rosinen zu picken?
Niek Jan van Damme: Ob so etwas machbar und durchsetzbar wäre, wage ich zu bezweifeln. Man
würde ein Privatunternehmen verpflichten, zu investieren. Grundsätzlich sollten Wettbewerber, wenn
sie begonnen haben, einzelne Verteiler auszubauen, möglichst
das gesamte Ortsnetz versorgen. Wenn sich das nicht rechnet, sollte über Förderungen nachgedacht
werden. Andere Wettbewerber könnten dann über das Netz des
ausbauenden Unternehmens den Kunden ebenfalls Angebote machen.
Einen Flickenteppich im Anschlussmarkt kann eigentlich niemand wollen.
Wird ein angemeldeter Kabelverzweiger nicht ausgebaut, sind Sanktionen geplant. Welche das sind, steht noch nicht fest. Mit welchen können Sie denn leben?
Niek Jan van Damme: Zunächst einmal halte ich nicht die Sanktionen für wichtig, sondern dass
bei einer entsprechenden Anmeldung dann auch wirklich gebaut wird. Wenn
aber klar ist, dass jemand versucht, Gebiete zu reservieren aber nicht
baut, dann muss es ein grundsätzliches Verbot für diesen Anbieter geben,
weitere Kabelverzweiger zu reservieren und so andere zu blockieren. Eine Liege
mit dem Handtuch zu reservieren, aber dann nicht zu nutzen, gehört sich nicht,
wenn ich dieses Bild jetzt zur Urlaubszeit mal verwenden darf.
Haben Sie Angst vor den Netzneutralitätsplänen der Politik? Oder gilt es nun erst einmal die Bundestagswahl in knapp 10 Wochen abzuwarten und darauf zu hoffen, dass sich das Thema dann eh erledigt hat?
Niek Jan van Damme: Ich warne vor einem Schnellschuss, um das Thema jetzt noch vor der Wahl
durchzubekommen. Dafür ist das Thema zu wichtig. Wir müssen uns Zeit
nehmen für die Debatte und auch als Anbieter eine vernünftige Lösung
vorschlagen. Zudem könnte es passieren, dass der deutsche Entwurf wieder
zurückgenommen werden muss, wenn auf EU-Ebene eine Regelung kommt. Der
Entwurf, so wie er jetzt vorliegt, ist in sich widersprüchlich und könnte dazu führen, dass Innovationen verhindert werden.
Welche?
Niek Jan van Damme: Unser Spotify-Angebot zum Beispiel. Wer das bei uns bucht und extra zahlt,
muss sich um das Datenvolumen von Spotify auf dem Smartphone keine Gedanken machen. Das
Angebot kommt bei den Kunden sehr gut an. Natürlich darf
es keine Zensur oder Diskriminierung geben, deswegen ist
Netzneutralität durchaus wichtig. Genau so wichtig sind aber auch neue
Geschäftsmodelle, an denen sowohl Endkunden als auch wir interessiert
sind.
Also könnten Sie grundsätzlich mit einem Gesetz oder einer Verordnung in Richtung Netzneutralität leben?
Niek Jan van Damme: Das hängt am Ende natürlich vom Inhalt ab, aber es wäre gut, wenn wir dann
alle Klarheit und eine Definition haben, was unter Netzneutralität zu
verstehen ist. Hier gibt es heute zu viele unterschiedliche Auffassungen.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum Kunden aus Sicht von Niek Jan van Damme eine Drosselung im Mobilfunk akzeptieren, ob bei der Telekom ein Router-Zwang kommt und wie der Deutschland-Chef zum möglichen kostenlosen EU-Roaming steht.