5G in der Bahn: Berater dämpfen Erwartungen
5G wird der Bahn nicht automatisch Verbesserungen bringen. Dafür müssen erst Voraussetzungen geschaffen werden.
Bild: mm1.de
Alle reden von 5G. Wer darf liefern, wer darf bauen, wird das Netz besser? Von 5G erwarten auch viele Anwender im Schienenverkehr dramatische Verbesserungen, beispielsweise mehr Netzabdeckung unterwegs im Zug.
Das Stuttgarter Beratungsunternehmen mm1 dämpft in einer aktuellen Studie [Link entfernt] die vorherrschende 5G-Euphorie und nennt Voraussetzungen für einen langfristigen Erfolg.
Flächendeckende Versorgung? Zunächst kaum
Der Reality-Check ergibt, dass alle Schienenwege mit mehr als 2000 Fahrgästen bis zum Jahre 2022 mit 100 MBit/s auszubauen sind. Von 5G steht da aber nichts. Ein Ausbau der Bahnstrecken mit 3,5 GHz, wo 5G derzeit überwiegend stattfindet, würde viele neue Senderstandorte bedingen, die es noch gar nicht gibt oder die nur sehr teuer auszubauen wären. mm1 sieht realistisch, dass die Netzbetreiber zunächst erst einmal mit 4G/LTE anfangen werden. Als Totschlag-Argument werden die 6,55 Milliarden Lizenzkosten ins Feld geführt, was die "Lust" der Netzbetreiber spürbar gebremst habe.
Die Voraussage: "5G wird auf Basis der heutigen regulatorischen Vorhaben und der überteuerten Frequenzvergabe an Schienenwegen zunächst kaum stattfinden."
5G wird der Bahn nicht automatisch Verbesserungen bringen. Dafür müssen erst Voraussetzungen geschaffen werden.
Bild: mm1.de
Im Zug: Surfen und Arbeiten wie zu Hause?
Die Erwartung: Immense Bandbreiten ermöglichen den Reisenden Surfen und Arbeiten "wie Zuhause".
In der Realität weiß derzeit niemand, wann angestrebte Peak-Datenraten von 10 GBit/s im freien Feld tatsächlich erreicht werden und wie man diese Bandbreite in die Züge bekommt. Durch neuartige Glasscheiben, die weniger dämpfen? Mit neuen leistungsstarken Indoor-Repeatern? Über das bordeigene heute schon gnadenlos überlastete WLAN?
Die Voraussage: Bestimmte Anwendungsfälle wie etwa das von Reisenden erhoffte HD-Streaming werden selbst dort, wo 5G in Deutschland (schon) verfügbar ist, zunächst eine Wunschvorstellung bleiben.
Neue Anwendungsfälle und alles besser?
5G soll vollkommen neue, bisher nicht realisierbare Anwendungsfälle ermöglichen.
Die Realität: Zahlreiche angedachte Anwendungen lassen sich auch mit bisherigen Technologien umsetzen. Die Bandbreite von LTE kann mit Small-Cells (kleine Sender mit geringer Reichweite, aber hoher Bandbreite) gesteigert werden. Die Abdeckung für IoT-(Internet of Things)-Anwendungen könnte durch Low-Cost-Standards wie LoRa, SigFox oder auf LTE basierende Schmalbandverfahren wie NB-IoT oder LTE-M realisiert werden.
Die Voraussage: Merkliche Verbesserungen für den Fahrgast durch 5G und NB-IoT müssen erst noch nachgewiesen werden.
5G eher ein Traum?
Nein, so mm1, es führt langfristig kein Weg daran vorbei. 5G wird erlauben, auf einer kleinen Fläche wesentlich viel mehr "Kunden" zu bedienen, als es bisher möglich war. Auf 1 km² können 1 Million aktive Endgeräte untergebracht werden oder pro Quadratmeter 10 MBit/s Geschwindigkeit geliefert werden. Wobei "Kunden" oder "Endgeräte" nicht nur Menschen mit einem Smartphone, Laptop oder Tablet sind, sondern auch jede Menge Sensoren oder Maschinen, die künftig per Funk miteinander in Kontakt stehen.
Die Ziele
Ziel sollte ein Hochgeschwindigkeitszugang für Reisende sein. Wunsch ist es, Multimedia-Angebote nicht mehr lokal im Zug vorhalten zu müssen und die neuen Systeme zur Echtzeitinformation von Reiseinformation zwischen den Zügen und den Leitstellen zu nutzen, womit Verspätungen noch besser erkannt und Anschlüsse sichergestellt oder dem Reisenden alternative Routen angeboten werden können. Ein Traum der Sicherheits-Fans wird auch die Echtzeitvideoüberwachung aus dem fahrenden Zug sein, soweit das datenschutzrechtlich zulässig ist. Und schließlich soll 5G auch den Zugbetrieb sicherer machen, von der Geschwindigkeitskontrolle, der automatischen Notbremse bis hin zur autonomen Zugsteuerung.
Die Voraussetzungen
Die Bahn verwaltet ein Streckennetz von 33 400 km Länge. Diese Strecken müssen massiv ausgebaut werden. Sobald dort 4G vorhanden ist, kann im nächsten Schritt auf 5G hochgerüstet werden. Dazu wird eine noch bessere Zusammenarbeit der Netzbetreiber gefordert.
Eine Alternative könnte "Trackside WiFi", ein terrestrisches WLAN-Netz entlang der Zugstrecken sein, das in die Züge hineinreicht, aber auch sehr teuer werden dürfte. Es soll mindestens 200 MBit/s bieten, hoch bis zu 1,4 GBit/s.
Es bleibt Hoffnung: 5G wird kommen. Wir brauchen nur noch etwas Geduld.
Wer ist mm1?
Die Agentur mm1 (in Stuttgart und Zürich) besteht aus etwa 100 Beratern in Deutschland und der Schweiz und ist seit 1997 in der Branche tätig. mm1 sieht sich als "Agentur für Connected Business".