Editorial: Endlich ein Ladestecker für alle?
Die EU-Kommission möchte ihren Bürgern das digitale Leben einfacher machen - und dazu gehört, dass man möglichst wenige verschiedene Kabel braucht, um seine elektronischen Gerätschaften aufzuladen. Und die werden ja immer mehr: Laptop, Smartphone, kabellose Tastaturen, Mäuse und Headsets, Bluetooth-Lautsprecher. Selbst meine zuletzt gekaufte Personenwaage hat einen kleinen eingebauten Akku und eine Ladebuchse. Dafür braucht man dann keine Mignonzellen mehr, was den problematischen Elektroschrott reduziert. Da der eingebaute Akku auch bei täglicher Benutzung einige Monate durchhält, bis er neu geladen werden muss, werden wahrscheinlich Jahrzehnte vergehen, bis der Akku nach einigen hundert Ladezyklen an Altersschwäche stirbt.
Seit einiger Zeit vereinheitlichen die Laptophersteller auch ohne
Druck aus der Politik den Ladeanschluss: Mit der USB-C-Buchse
kann man nun Apples MacBooks ebenso aufladen wie immer mehr Geräte von
Lenovo oder Asus. Auch bei Android-Smartphones setzt sich USB-C
langsam durch. Selbst beim iPad Pro und seit kurzem auch beim iPad Air
setzt Apple auf USB-C. Apples iPhones haben aber weiterhin den
proprietären Lightning-Anschluss. Und viele der weiteren aufgezählten
Geräte (Tastaturen, Mäuse, Lautsprecher usw.) verwenden noch den
USB-C-Vorgänger Micro-USB zum Laden.
Es gibt verschiedene Ladekabel für Smartphones und andere Geräte: Die EU fordert Vereinheitlichung
Bild: Images licensed by Ingram Image, Montage: teltarif.de
Zusammen mit dem Umstand, dass die Ladegeräte selber auch über zwei
verschiedene Buchsen-Standards verfügen, nämlich das alte USB-A und
das moderne USB-C, kommt da weiterhin einiges an Kabellage zusammen:
USB-A auf Lightning (iPhone mit altem Ladegerät), USB-C auf Lightning
(iPhone mit neuem Ladegerät), USB-A auf Micro-USB, USB-C auf Micro-USB
(nicht sonderlich oft im Handel zu finden, und noch seltener als
beiliegendes Kabel zu Geräten, braucht man aber, wenn man die alten
USB-A-Ladegeräte loswerden will, aber noch Geräte hat, die mit
Micro-USB laden), USB-A auf USB-C und natürlich USB-C auf USB-C.
"Lebt" man in beiden Welten, also Apple und Android, und möchte man
die alten Ladegeräte nicht wegwerfen, kommen im Worst Case also sechs
verschiedene Kabeltypen zusammen!
Ein Kabel, egal wie rum
Die EU-Kommission möchte nun auf USB-C als einheitliche Buchse wechseln. Statt sechs Kabeln also künftig nur noch eines. Und es ist dann nicht nur egal, wie rum man den Stecker des Kabels in die jeweilige Buchse steckt. Nein, es ist dann sogar auch egal, welches Ende des Kabels man ins Ladegerät und welches man ins aufzuladende Gerät steckt. Also hat man dann insgesamt acht Vertauschungsmöglichkeiten - und alle sind richtig.
Der Teufel steckt im Detail
Ist damit das Ende der Probleme erreicht? Nun, leider nein. Denn USB-C-zu-USB-C-Kabel gibt es in einer unübersichtlichen Vielzahl von Typen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu sehr unterschiedlichen Preisen. Die aktuell besten Kabel heißen USB-C 3.2 Gen 2 und übertragen bis zu 100 Watt Leistung sowie Daten mit bis zu 20 GBit/s. Sie sind aber auch sehr teuer. Im Handel findet man sie üblicherweise für knapp 20 Euro pro Stück.
Einfachere USB-C-Kabel übertragen nur 3 oder 2 Ampere statt 5 Ampere, so dass die maximal mögliche Ladeleistung entsprechend sinkt. Viele USB-C-Ladekabel verzichten zudem auf die zusätzlichen Adern, die für den SuperSpeed-Modus erforderlich sind, und begrenzen damit Datenübertragungen auf 0,48 GBit/s - einen Bruchteil dessen, was über USB-C eigentlich möglich ist! Diese reinen PD-("Power Delivery")-Kabel bekommt man auch schon für unter 5 Euro. Sie haben gegenüber den hochwertigen SuperSpeed-Kabeln sogar meist den Vorteil höherer Flexibilität: Dank weniger getrennter Kupferadern lassen sie sich einfacher biegen.
Selbst hochwertigen Smartphones und Laptops der 1000-Euro-Klasse legen die Hersteller oft nur Power-Delivery-Kabel bei, was man meist erst dann merkt, wenn man "mal schnell" den Inhalt seines Smartphones zum Laptop sichern will, aber die Daten mit typisch 40 MB/s vor sich hin tröpfeln, wie man es vom 20 Jahre alten USB-2.0-Standard her kennt. Aber, wie schon geschrieben, SuperSpeed-Kabel hätten den Vorteil der vielfachen Datenrate auf Kosten der geringeren Flexibilität. Das führt zu einem höheren Verschleiß der Kabel und der USB-C-Buchsen, wenn man das Smartphone beim Laden bewegt, weil die übertragenen Kräfte zunehmen. Und auch das "mal schnell das Kabel in die Tasche werfen" wird schwerer.
Auch nach oben hin gibt es Probleme: Immer mehr High-End-Laptops verfügen über schnellladefähige Akkus, die mit 100 Watt und mehr geladen werden können. Zusammen mit der für den Betrieb des Geräts selber benötigten Leistung sind daher 130- oder gar 150-Watt-Netzteile keine Seltenheit mehr. Noch mehr als 5 Ampere über die filigranen Kontakte im USB-C-Stecker zu übertragen, ist aber kaum möglich, zudem würden die Kabel noch dicker werden. Von daher wurden jüngst die Spannungen nochmal erhöht: Bei 48 Volt und 5 Ampere sind schließlich 240 Watt möglich. Dass man dafür nochmals neue Kabel braucht, die die Verträglichkeit mit der höheren Spannung melden, versteht sich quasi von selber.
Es gibt nicht die perfekte Ladebuchse
Aus den Ausführungen wird klar: Es gibt nicht die eierlegende Ladewollmilchsau. Was gut geeignet ist, den 40-Ah-Akku eines Gaming-Laptops aufzuladen, ist Overkill, wenn es um den 40-mAh-Akku der Personenwaage oder kabellosen Tastatur geht. Und wenn die Kabel dann noch den SuperSpeed-Datentransfer beherrschen sollen, wie er für den Anschluss von Monitoren oder den schnellen Datensync unerlässlich ist, dann brauchen sie zusätzliche Adern für die differenziellen Datensignale, die aber vollkommen unnütz sind, wenn es nur ums Laden geht.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich USB-C für einen verfehlten Standard halte. Mit dem Ziel, alles zu integrieren, hat man sich von einem anderen Ziel entfernt, nämlich eine kostengünstige und robuste Schnittstelle zu schaffen. Das sieht man schon daran, dass bis heute die meisten Laptops mehr USB-A- als USB-C-Schnittstellen mitbringen. Die Hersteller, die nur USB-C verbauen, befeuern damit den Markt der USB-C-Hubs, über die die ganzen fehlenden Schnittstellen dann nachgerüstet werden.
Die Umstellung von USB-A auf USB-C kommt also nur in Trippelschritten voran. Die bereits erwähnten USB-C-Hubs, über die man seine ganzen alten Geräte (HDMI-Fernseher, VGA-Monitor, RJ45-Ethernet, SD- und MicroSD-Karten und natürlich seine ganzen USB-A-Geräte) auf USB-C umsetzen kann, gibt es wie Sand am Meer. Aber USB-C-zu-USB-C-Hubs, um zusätzliche USB-C-Schnittstellen bereitzustellen, muss man dennoch mit der Lupe suchen. Denn so gut wie alle USB-C-Hubs, die auch einen USB-C-Eingang haben, verwenden letzteren lediglich für PD, also Power Delivery. Und der günstige (unter 40 Euro) USB-C-Hub mit einem "echten" USB-C-Hub, den ich jüngst gefunden hatte, stellte sich bei der ersten Benutzung dann als eine echte Enttäuschung heraus: Der interne Switch, der die Signale von den einzelnen Ports zum USB-C-Uplink weiterleitet, war bei diesem Hub nämlich lediglich vom USB-HighSpeed-Typ, mit den bereits erwähnten maximal 0,48 GBit/s. Die vielfältigen USB-C-Fähigkeiten gehen dabei natürlich verloren.
USB-C-zu-C-Hubs mit einem echten, SuperSpeed-fähigen USB-C-Port gibt es, aber sie haben ihren Preis. Die Icy Box IB-DK4050-CPD kostet fast 100 Euro, der Anker 8-in-1 USB-C Hub immerhin noch 70 Euro. Und beide bringen neben dem Power-Delivery-Port und dem USB-C-Ausgang jeweils nur einen "echten" USB-C-Port mit, aber doppelt so viele, nämlich zwei, SuperSpeed-fähige USB-A-Ports. Aber, ich schrieb ja schon, irgendwie scheinen USB-A-Ports im PC-Bereich immer noch viel häufiger zu sein als USB-C-Ports. Und damit stellt sich auch die Frage, ob die Zeit schon reif ist, USB-C als den einzigen Ladeport festzuschreiben.
Und was, wenn Apple auf Tantieme verzichtet?
Technologisch hat zudem der Lightning-Port von Apple viele Vorteile über USB-C: Er kommt mit weniger Pins aus, was dann breitere Kupferpads pro PIN und somit grundsätzlich auch höhere Ströme erlaubt. Die Lightning-Buchse enthält auch keinen zentralen Steg, was die Gefahr reduziert, dass ebendieser abbricht. Da USB-C-Buchsen meist mit dem Board verlötet sind, auf dem viele weitere, hochwertige Komponenten sitzen, bedeutet der Tausch der USB-C-Buchse entweder eine filigrane Lötarbeit oder eine Investition in ein teures Ersatzteil.
Man könnte also durchaus auf Lightning als zentrale Buchse umstellen, wenn, ja wenn, Apple die zugehörigen Patente zu so günstigen Konditionen freigibt, dass man damit auch die bereits zitierte Personenwaage ausrüsten kann, ohne, dass man an deren Preis hinten eine null anhängen muss. Ich fürchte aber, dieses wird nicht passieren.
Ein Standard sollte dennoch her
Der kleinste gemeinsame Nenner ist und bleibt daher wohl dennoch USB-C, den genannten Einschränkungen zum Trotz. Micro-USB ist bei den Datenraten zwangsweise limitiert, und Lightning ist proprietär. Immerhin gilt: Auch mit dem falschen USB-C-Kabel lädt ein Smartphone zumindest langsam, und auch mit dem falschen USB-C-Kabel laufen zumindest ein paar Daten. Vielleicht erhöhen die aktuellen Vorgaben aus der Politik am Ende auch die Stückzahlen, sodass die Zahl der "echten" SuperSpeed-fähigen USB-C-Ports und -Kabel steigt und damit durch Massenproduktion die Kosten sinken. Als USB 1.0 eingeführt wurde, verschwanden die alten Stecker für Tastatur und Maus ja auch nicht über Nacht von den PCs, sondern es wurde nach und nach umgestellt.