Einheitliche Handy-Ladebuchse in der EU rückt näher
Seit Jahren warten Verbraucherinnen und Verbraucher auf einheitliche Ladegeräte für Handy, Tablet und Co. Nun soll es ernst werden: Die EU-Kommission legt einen Vorschlag vor, der in deutschen Haushalten aufräumen könnte. Apple muss sich von einer Tradition verabschieden.
Viele Kabel und Stecker
Der Kabelsalat hat sich längst gelichtet. Links USB-C, daneben Micro-USB und Apple-Lightning. Der 30polige Apple-Stecker (rechts) ist Geschichte.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Ein Ladekabel für das Handy, eins für das Tablet und eins für die Kopfhörer - der Kabelsalat in deutschen Haushalten ist kaum zu überblicken. Das liegt auch daran, dass ein Kabel häufig nicht für mehrere Geräte genutzt werden kann. Im Visier der Kritiker: Der iPhone-Konzern Apple mit seinem hauseigenen Lightning-Anschluss. Das macht eine einheitliche Lösung bislang schwierig. Damit könnte bald Schluss sein - zumindest, wenn es nach der EU-Kommission geht.
Die Brüsseler Behörde hat heute einen Gesetzesvorschlag für einheitliche Ladebuchsen an Elektrogeräten vorgelegt. Wir geben einen Überblick.
Der Kabelsalat könnte künftig durch induktive Technik ersetzt werden.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Warum gibt es nicht längst eine einheitliche Lösung?
Die zig verschiedenen Ladekabel und -buchsen sind für die Verbraucher seit langem ein Ärgernis - auch, wenn sich die Lage bereits erheblich verbessert hat. Vor mehr als zehn Jahren einigten sich 14 Handy-Hersteller - unter ihnen Apple - auf Druck der EU-Kommission in einer Selbstverpflichtung auf einen einheitlichen Standard für Netzteile. Bei den Buchsen in Smartphones und Tablet-Computern blieben von einst mehreren Dutzend Typen noch drei übrig:
- Der inzwischen veraltete Micro-USB-Standard
- Der neuere USB-C-Standard, der ein Drehen des Steckers erlaubt
- Die dünneren Lightning-Anschlüsse von Apple, die ebenfalls drehbar sind
Wie will die EU-Kommission nun vorgehen?
Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll USB-C der allgemeine Standard für die Buchsen in den Geräten werden. Außerdem sollen die Kunden nicht mehr dazu verpflichtet sein, auch ein Netzteil zu kaufen, wenn sie beispielsweise ein neues Handy erwerben. Unter anderem dies will die EU-Kommission im Entwurf einer Richtlinie vorschlagen, über den die EU-Staaten und das Europaparlament dann noch verhandeln müssen. Mit dieser Forderung hinkt die Kommission aber dem Markttrend hinterher, weil Apple, Samsung und andere Hersteller inzwischen ihre Smartphones ohne Netzteil ausliefern.
Für welche Geräte soll das Ganze gelten?
Die Vorgaben der EU sollen für sechs Geräte-Kategorien gelten. Darunter sind neben Handys auch Tablets, Kopfhörer, Lautsprecher, tragbare Konsolen und Kameras vorgesehen.
Warum kommt dieser Vorstoß?
„Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich lange genug über inkompatible Ladegeräte, die sich in ihren Schubladen anhäufen, geärgert“, sagte EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager. Zugleich profitiere die Umwelt von einer Vereinheitlichung der Ladebuchsen, weil deutlich weniger Elektroschrott entstehe. Verbraucher sollen durch den Vorschlag der EU-Kommission 250 Millionen Euro im Jahr sparen. Auch die kommunale Abfallwirtschaft begrüßte den Vorstoß: "Kabelsalat ist weder verbraucherfreundlich, noch der Umwelt zuträglich", sagte ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen der Deutschen Presse-Agentur. "Einheitliche Ladekabel helfen dabei, unnötigen Abfall zu vermeiden."
Warum sträubt Apple sich gegen die Vereinheitlichung?
Apple will seinen Lightning-Anschluss behalten, der derzeit in allen iPhones verbaut wird, aber auch manchen Tablet-Modellen wie dem iPad 9 (und davor) oder bei den AirPod-Kopfhörern. Anfangs ging es vor allem darum, dass mit Lightning extrem flache Geräte staub- und wasserdicht gebaut werden konnten, was mit Micro-USB so nicht möglich gewesen wäre. Inzwischen gibt es mit USB-C aber eine brauchbare Alternative, die teilweise auch von Apple verwendet wird. So verfügen die teureren iPad-Modelle bereits über eine USB-C-Buchse.
Auch bei den Laptops (MacBooks) hat sich Apple vom proprietären MagSafe-Anschluss zugunsten von USB-C verabschiedet. Bei den Netzteilen - die ja von den Ladekabeln getrennt werden können - setze man ohnehin auf USB-C, argumentiert Apple. Mit einer Zwangsabschaffung der Lightning-Buchse werde eine riesige Menge Elektroschrott entstehen.
Hat Apple auch wirtschaftliche Gründe, am Lightning-Kabel festzuhalten?
Ja. Der Konzern erzielt Einnahmen mit seinem Programm "Made for iPhone/iPad" (MFI). Dritthersteller von Lightning-Kabel müssen ihre Produkte im MFI-Programm zertifizieren lassen. Aus gutem Grund: Gerade im Niedrigpreis-Sektor funktionieren nicht zertifizierte Kabel oft nicht zuverlässig oder gar nicht.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst einmal werden EU-Staaten und Europaparlament über den Vorschlag der EU-Kommission beraten. Anschließend müssen beide Seiten eine gemeinsame Linie finden. Vor allem das Parlament dürfte Druck machen, dringt es doch schon seit Jahren auf einheitliche Ladekabel. Nach einer Einigung zwischen EU-Parlament und EU-Staaten hätten die nationalen Regierungen noch ein Jahr Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Der Kommissionsvorschlag sieht eine zweijährige Übergangsfrist für die Unternehmen vor. Frühestens 2024 wäre die einheitliche Ladebuchse also verpflichtend für die Unternehmen - und der Kabelsalat in den Haushalten würde zurückgehen.
Bis dahin spielen Ladekabel vielleicht nur noch eine untergeordnete Rolle, weil die Geräte in Zukunft immer häufiger kabellos aufgeladen werden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die schlimmsten Zeiten (ein eigener Stecker für jedes Gerätemodell) sind zum Glück vorbei. Wer sich für Apple entscheidet, taucht in eine eigene Welt ein, die deswegen so erfolgreich ist, weil vieles zueinander passt. Die Produkte von Apple sind oft recht langlebig. Damit wird ein qualitativ hochwertiges MFI-zertifiziertes Lightning-Kabel für ein iPhone sehr lange genutzt werden können. Geräte mit dem 30poligen Apple-Connector (wie beim iPhone 3 oder 4 und den ersten iPads) sind heute eher ein Fall fürs Museum.
Apple ist längst dabei, den Umstieg auf USB-C (bzw. seine Weiterentwicklung "Thunderbolt") oder den kompletten Verzicht auf sämtliche Kabel vorzubereiten. Bei MacBooks und dem neuesten iPad Mini ist USB-C bereits angekommen.
Der nächste Schritt könnte der komplette Verzicht auf sämtliche Kabel sein. Doch der Nachteil der kabellosen Technik ist ein Energieverlust, weil induktive Verfahren aus physikalischen Gründen verlustbehaftet sind. Es macht auf Dauer einen Unterschied, ob ein Handy mit 15 Watt übers Kabel oder induktiv mit 7,5 Watt lädt.
Wer sich nicht sicher ist, welchen Ladestecker er braucht, dem sei ein drei-in-eins-Ladekabel empfohlen, das es in robuster Qualität beispielsweise bei Amazon gibt. Es beginnt mit USB-A und endet wahlweise mit USB-C, Micro-USB oder Lightning und zur Not können auch mehrere Geräte parallel geladen werden.