verdonnert

Kein Computer, kein WLAN und trotzdem Abmahnkosten

Rentnerin zur Zahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz verurteilt
Von Marie-Anne Winter

Der Medienrechtsanwalt bezeichnet die Entscheidung, dass die Beklagte als sogenannte Störerin die Abmahnkosten zu tragen habe als "äußerst irritierend, weil das Gericht ganz unabhängig davon, ob ein WLAN-Netzwerk vorlag oder nicht bzw. ob etwaige Prüf- und Sicherungspflichten verletzt wurden oder nicht, von einer tatsächliche Vermutung dafür ausgehe, dass die Beklagte verantwortlich sei." Woraus sich diese Verantwortlichkeit aber konkret ergeben solle, ließe das Gericht jedoch völlig offen. Es stütze sich lediglich darauf, dass die Beklagte die "tatsächliche Vermutung ihrer Verantwortlichkeit" nicht habe entkräften können.

Solmecke weist darauf hin, dass eine Störerhaftung gerade die Verletzung etwaiger Prüfpflichten und somit auch die konkrete Feststellung darüber voraussetze. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) habe dies in seiner auch vom AG München selbst herangezogenen Entscheidung (Urteil vom 12. Mai 2010, I ZR 121/08, Sommer unseres Lebens) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht:

"Als Störer kann (...) auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (...). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, (...) setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist."
Im genannten Fall war ein nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss als Voraussetzung Störerhaftung als "adäquat kausal" angesehen worden: Wer sein WLAN nicht gegen die unbefugte Nutzung durch Dritte sichert, kann in Haftung genommen werden, wenn beispielsweise Urheberrechtsverletzungen über seinen Internet-Anschluss erfolgen. Im Fall der Rentnerin habe das Amtsgericht München vergleichbare Feststellungen jedoch nicht treffen können, sondern diesen Aspekt völlig offen gelassen.

Eine Vermutung, die nicht widerlegt werden kann

Der BGH gehe in seiner Entscheidung auch davon aus, dass feststeht, dass die IP-Adresse tatsächlich der Person zugeteilt wurde, die in Anspruch genommen werden soll. In diesem Fall sei aber fragwürdig, ob das Gericht tatsächlich davon ausgehen durfte, dass die IP-Adresse korrekt der Beklagten zugeordnet worden sei. Denn auch wenn es den Ausführungen des Privatgutachters und der Mitarbeiter der Ermittlungsfirma glauben wollte, hätte das Gericht berücksichtigen müssen, dass die Zuordnung auch von der richtigen Auskunft beim Provider abhänge und auf Seiten der Beklagten erhebliche Umstände gegen die Verantwortlichkeit sprechen würden.

Mit seinem Urteil habe das Amtsgericht München das Halten eines Internetanschlusses zum eigenen Lebensrisiko des Anschlussinhabers erhoben und das Problem der Rechteinhaber, die vielfach mangels entsprechend attraktiver Angebote dem Internetzeitalter nicht gewachsen seien, zum Problem des einzelnen Anschlussinhabers gemacht. Solmecke bringt das Urteil auf den Punkt: Jeder Anschlussinhaber haftet, ohne wenn und aber. Denn der Anschlussinhaber sei praktisch überhaupt nicht in der Lage, die Vermutung, dass eine Rechtverletzung von seinem Anschluss aus begangen wurde, zu entkräften. Entgegen der gesetzlichen Regelung komme es hier faktisch zu einer Beweislastumkehr, womit die Anforderungen an einen Anschlussinhaber im Interesse der Rechteinhaber deutlich überspannt würden.

Abzuwarten bleibt, ob das Urteil am Ende so Bestand haben wird. Die Rechtsmittelfristen seien noch nicht abgelaufen.

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