1&1-Netz, Auktion, Glasfaser & mehr: 2024 wird spannend!
Ob 2G, 4G oder 5G: Im Frühjahr wird die Bundesnetzagentur bekanntgeben, wie die nächste "Frequenzvergabe" im Lande aussehen könnte. Es besteht in der Branche allgemeiner Konsens, dass sündhaft teure Frequenzversteigerungen dem Markt die notwendigen Mittel für den Netzausbau entziehen. Die Mobilfunknetzbetreiber haben gute Argumente dafür, eine schlichte Verlängerung ihrer Lizenzen zu fordern. Es gibt immer noch viel zu große "weiße Flecken", wo bis heute kein Funksignal den Nutzer erreicht und deren Ausbau aufwendig und teuer ist. Doch auch dort soll und muss und wird es irgendwann "Netz" geben.
So klein kann ein 5G-Sender sein: Smarte Straßenlampe mit LTE- und 5G-Sender in Frankfurt/Main.
Foto: Telefónica
Ungeklärt bleibt die Frage, ob wir wirklich vier gleichmäßig flächendeckende Netze brauchen oder ob es da nicht sinnvollere Möglichkeiten gibt, dass sich die "Netzbetreiber" gegenseitig viel mehr als bisher aushelfen.
Was wird aus 2G?
Konkrete Pläne, die 2G/GSM-Technik abzuschalten, gibt es noch nicht. Dieser Schritt wäre krass, weil viele mittelalte Autos mit eCall-Notruf, deren Funkmodule nur 2G oder 3G "verstehen", dann endgültig zum "alten Eisen" gehören würden. Nachrüstmodule für Upgrades hat die Autoindustrie nicht vorgesehen - auch weil mit einem Neuwagen eben mehr Geld zu verdienen ist. Auch die Betreiber von simplen Sensoren oder Waren-Trackern "hängen" noch an einfachen GSM-Modulen, die sie in großer Stückzahl einsetzen. Nichtsdestotrotz: Das Ende von 2G steht auf der Agenda, nur halt dieses Jahr bestimmt noch nicht.
Was wird aus der MMS?
Die Idee der MMS war richtig: Die rein textbasierte SMS sollte auch Bilder und Töne übertragen können. Das Limit auf 300 kB Datenmenge war seinerzeit verständlich, ist aber längst aus der Zeit gefallen. Der horrende Preis von 39 Cent das Stück auch. Vodafone, sonst kostenbewußt hat das einzig richtige getan, die MMS wurde ausgeknipst. Telekom und o2 klammern sich noch an der Technik, die Geld in die Kassen spült, wenn irrtümlich MMS verschickt wurden, etwa vom iPhone.
Was wird aus 1&1?
Fangen wir beim vierten Netzbetreiber an. Viele hätten nie geglaubt, dass das vierte Netz wirklich an den Start gehen wird, sie haben sich getäuscht. Viele meinen nun, dass das Unternehmen eine ordentliche "Strafe" kassieren sollte, weil sich ihre ambitionierten Zeitpläne für den Netzausbau bekanntlich stark "verspätet" haben. Eine "Strafe" könnte sein, dass 1&1 auf eine Teilnahme an der dies- oder nächstjährigen Frequenzvergabe verzichten muss.
Mit den abgeschlossenen bzw. erweiterten Roaming-Abkommen mit o2 (jetzt doch mit 5G) bzw. mit Vodafone (inkl. 5G für aktuell max. 18 Jahre) ist 1&1 in einer komfortablen Position und kann sein Netz in aller Ruhe in Ballungszentren aufbauen.
Kniffliger ist die Frage, wo im Moment niedrige Frequenzen für 1&1 gefunden werden können, denn die sind knapp. Etwa durch Untervermietung oder weitere Roaming-Abkommen?
Spannend wird die Frage, ob Vodafone termingerecht seine Core-Server für 11-12 Millionen neue "Roaming"-Kunden (von 1&1) an den Start bekommt und ob es beim "Verschieben" der 1&1-Kundenbasis von o2 zu Vodafone im Hintergrund zu irgendwelchen unerwarteten Überraschungen kommt.
Den von vielen Kunden erhofften Preiskrieg dürfte 1&1 nicht anzetteln. Gleichwohl werden die unzähligen Discount-Marken aus der Drillisch-Familie das eine oder andere attraktive Angebot bereit halten, das man genauestens prüfen sollte, wo günstig es für den eigenen Bedarf wirklich ist.
Was wird aus o2?
Wenn im Netz von o2 mittelfristig 11 Millionen Kunden weniger unterwegs sind, hoffen manche Stammkunden auf eine Entlastung des Netzes, das Jahr für Jahr den stärksten Datenzuwachs im Lande hat. Kein Wunder, die Tarife sind relativ günstig und machen Appetit auf mehr.
Es muss die Frage erlaubt sein, ob es 1&1-Gründer Ralph Dommermuth nicht gelingen kann, das Roaming-Abkommen mit o2 parallel zum Deal mit Vodafone zu verlängern. Sei es, dass die Kunden frei wählen können, ob sie lieber im Netz von o2 oder Vodafone roamen wollen. Oder könnte es ein rechtlich abgesichertes Konstrukt geben, das beide Netze zur freien Auswahl des Kunden anbietet? Das wäre kreativ. Vielleicht sollte auch Vodafone mal über ein Roaming-Abkommen mit o2 oder der Telekom nachdenken.
Was wird aus Vodafone?
Bei Vodafone gibt es einen Berg von Baustellen. Der neue Chef hat das wohl erkannt, aber es bleiben bei langjährigen Beobachtern Zweifel, ob diese Probleme gelöst werden dürfen, da im Vodafone-Weltkonzern alle Ampeln auf "Kosten senken, konsolidieren, rentabler werden" stehen. Und die gebeutelten Shop-Betreiber, die noch nicht aufgegeben haben, brauchen Provisionen für neue Produkte. Gute beratene zufriedene Kunden, die nichts neues gekauft oder gebucht haben, "rentieren" sich halt nicht. Hotlines kosten Geld und dürf(t)en keine Produkte verkaufen, weil die Kunden das ziemlich "übel" nehmen. Ein Teufelskreis.
Zwar beteuern alle Verantwortlichen, dass Vodafone Deutschland das rentabelste Unternehmen im Vodafone-Konzern sei, aber wenn die Pläne arabischer Investoren stimmen sollten, Vodafone Europa von Vodafone Afrika/Asien zu trennen, taucht schnell die Frage auf, ob ein arg gerupftes Vodafone Europa (ohne Spanien, ohne Italien und quasi ohne England) noch lebensfähig ist. Der oft unterschätzte Ralph Dommermuth könnte bereits einen Plan in der Schublade haben, früher oder später das Netz von Vodafone Deutschland zu übernehmen, worauf er sein neues Open-RAN-Netz als "Sahnehäubchen" draufsetzen könnte.
Aus Wettbewerbsgründen könnte dann der Kundenbestand von Vodafone "gefragt" werden, ob sie künftig zur Telekom, zu o2 oder zur neuen 1&1 wechseln sollen. Ich denke aber, diese Entwicklung braucht einiges an Zeit. Wir werden 2024 hier noch keine Entscheidung sehen, könnten aber Weichenstellungen im Hintergrund "am Rande" mitbekommen.
Was wird aus der Telekom?
Telekom-Chef Tim Höttges ist 10 Jahre im Amt, was in dieser turbulenten Branche eine Leistung für sich ist. Sein Kostenbewusstsein mag manchen Protagonisten gewaltig "nerven", hat aber das Unternehmen relativ stabil gehalten und die Finanzkennzahlen steigen unaufhörlich. Das Thema Nachfolge steht wohl erst 2025 auf der Tagesordnung und verspricht spannend zu werden.
Die Hoffnung vieler Endkunden, auch bei der Telekom im Mobilfunk eine mengenmäßig unlimitierte Datenflatrate zu sehen, die sich preislich nur in der möglichen Höchstgeschwindigkeit unterscheidet, wird wohl nicht erfüllt. Die Angst der Kostenrechner, dass die Kunden in gemächlichem Tempo unbegrenzt surfen und streamen und keine Motivation mehr haben, ihren Tarif "aufzubohren", ist wohl zu groß.
Die zögerliche Freigabe von 5G wird bei der Telekom wohl langsam aufgegeben werden. Bei den Telekom-Discount-Marken wird Zug um Zug 5G eingeführt. Hier gibt es aber weiter Geschwindigkeitsklassen, dafür sind und bleiben die Tarife deutlich günstiger als das "Original".
Hoffnungsträger "Slicing"
Neue Angebote wie "Slicing" werden - gegen Aufpreis - mehr Netzqualität in Überlastsituationen anbieten. Die Frage ist, ob die Kunden bereits sind, dafür zu bezahlen und wie lange es dauert, bis eine erneute Netz-Diskriminierungsklage beim EuGH in Luxemburg aufschlägt und den Träumen der Kostenrechner ein jähes Ende bereitet.
Wettbewerb bei Glasfaser?
Die Idee des Wettbewerbs im Glasfasermarkt funktioniert leider nicht so wie gedacht. Wenn eine kleinere Telefonbude einen Ort mit Glasfaser ausgebaut hat, wird sie wenig Lust verspüren, Konkurrenten auf ihr Netz zu lassen, weil die Miete eines Leerrohres oder einer unbeleuchteten Faser viel zu wenig einbringt. Die Miete einer fertig beleuchten Glasfaser mit Bistream-Access bringt sicher mehr, aber der Aufwand die Schnittstellen zur Bereitstellung, Abrechnung und späteren Abschaltung mit den Mitbewerben aufzubauen und einen möglichst 24/7-Entstörservice zu garantieren, ist teuer und personalaufwendig, was kleine Unternehmen gar nicht leisten können. Das führt dazu, dass informierte Kunden, wo immer möglich, auf etablierte Spieler wie die Telekom setzen, die über langjährige Erfahrung und die notwendige Infrastruktur verfügt.
Denkbar, dass noch manches kleinere Unternehmen den Schritt wagt, mit der Telekom auch auf Netzbetriebsebene zusammenzuarbeiten. Es werden aber auch weitere Unternehmen sich mit anderen zusammenschließen oder schlicht aufgeben, weil sich die Träume der Finanzinvestoren nicht realisieren lassen.
Die Kunden bleiben preissensitiv. Das heißt, Glasfaser darf nicht mehr als der bisherige Kupferanschluss kosten. Jüngere Kunden hoffen darauf, ihren Internetbedarf komplett über Mobilfunk abwickeln zu können und verzichten erst einmal auf das Festnetz. Das kann sich ändern, wenn die "Jugend" selbst Familien gründet und der hausinterne Datenbedarf auf einmal steigt.
Und das Kupfernetz?
Es ist absehbar, dass irgendwann das Kupfernetz durch das Glasfasernetz abgelöst wird. Dieser Termin ist vorhersehbar, aber die Details könnten für manche Anbieter und Kunden hart werden. Ähnlich wie bei der IP-Migration im Festnetz werden Anbieter oder Regulierer eines Tages ein festes Datum nennen, an dem alles Kupfer abgeschaltet werden soll. Dieser Termin wird sicher ein paar mal verschoben werden und das Wehklagen ("Viel zu früh" - "viel zu spät") wird laut sein. Und dann ist da noch die Frage, ob die Preise reguliert oder künftig "frei" verhandelt werden. Das kann noch lustig werden.
Auf der nächsten Seite untersuchen wir die Preisentwicklung.