Neues TKG: Interconnect-Pflicht für Messenger-Dienste?
Neue Frequenzregulierung
Die Frequenzregulierung soll "modernisiert" werden, damit der Netzausbau "schneller" wird. Sobald die Ressorts zugestimmt haben, geht der Entwurf an die Bundesländer und die Interessenverbände, die sicherlich noch die eine oder andere Änderung einbringen möchten.
Die Regulierung wird künftig auf VHC (= „very high capacity“)-Netze („Netze mit sehr hoher Kapazität“ = im werbedeutsch "Gigabitfähige Netze") ausgerichtet, der Begriff „Hochgeschwindigkeitsnetzen“ (50 MBit/s) kommt in den Mülleimer der Geschichte.
Bei der Marktregulierung bleiben die "bewährten Prinzipien" bei "marktmächtigen" Unternehmen. Es soll neue investitionsfreundliche regulatorische Anreizmechanismen (im Klartext: Verringerung bzw. Verzicht auf Regulierung bei freiwilligen Angeboten und Verpflichtungszusagen des marktmächtigen Unternehmens) geben. Das wird das "marktmächtige" Unternehmen Telekom freuen, die Wettbewerber werden es weniger gut finden.
Anrufe mit "gefakter" Rufnummer sollen künftig schwieriger werden.
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Die Marktüberprüfungsperiode soll von drei auf fünf Jahre verlängert werden, was Planungssicherheit geben und Verfahren beschleunigen soll. Freiwillige Vereinbarungen können Regulierungsmaßnahmen verhindern, insbesondere bei Ko-Investitionen oder kooperativem VHC-Netzausbau.
Es wird einen Anspruch auf Zugang zu Gebäuden und Anlagen des marktmächtigen Unternehmens (Zugriff auf Leerrohre oder Masten) geben, aber im Gegenzug wird es auch Zugangsansprüche bei den kleineren "nicht-marktmächtigen" Unternehmen geben, wenn es Engpässe in der Infrastruktur vor Ort geben sollte, sprich die Telekom darf dann auch auf Leitungen von Klipper-Klapper-Tel zugreifen.
Mehr direkte Verhandlungen statt Regulierung
Statt permanenter Regulierung sollen sich die Unternehmen direkt miteinander unterhalten (müssen), das heißt, wer Leitungen hat, muss sie anderen gegen Geld zur Verfügung stellen. Eine nachträgliche Missbrauchskontrolle soll sicher stellen, dass Anbieter, die gegen Regeln verstoßen, später zur Verantwortung gezogen werden, besonders bei VHC-Netzen. Es wird verlässliche Übergangsregelungen beim Umstieg von bestehenden (Kupfer-) zu VHC-Netzen geben.
Künftig sollen Angerufene besser vor Rufnummernmanipulationen geschützt werden, das heißt das "Faken" ("Spoofing" von Rufnummern wie ein vermeintlicher Anruf von der 110) sollen dann technisch nicht mehr möglich sein.
Bei den Preishöchstgrenzen für "Sonder"-Rufnummern soll es einheitliche Preisvorgaben für Festnetz und Mobilfunk geben. Für von Callcentern genutzte Anwählprogramme, die erst einmal irgendwo anrufen und erst dann, wenn der Angerufene auch abgehoben hat, die Verbindung zum Call-Center-Agenten herstellen (oder auch nicht) soll es neue Vorgaben geben.
Preishöchstgrenzen zu 0700 und 032 oder Integration in Flatrates?
In dem Zusammenhang soll auch die Frage nach den Anrufpreisen zu den Vorwahlen 0700 oder 032 geregelt werden. Der Vorschlag der Ministerien lautet hier, maximal 14 Cent pro Minute (und keine Unterscheidung mehr zwischen Mobilfunk- und Festnetz). Das wäre gegenüber bisher maximal geforderten 71 Cent ein Fortschritt, gegenüber den 6 Cent zur Nebenzeit im Festnetz (der Telekom) aber ein massiver Rückschritt.
Die Telekom berechnet in aktuellen Tarifen für 032 schon jetzt den "normalen" Festnetzpreis und es sollte auch möglich sein, diese Regelung auf 0700 anzuwenden, findet die IG 0700.
Die Anbieter von Sondernummern wiederum haben nun Angst, dass kostengünstigere 0700-Rufnummern (da in der Flatrate inklusive) viele Inhaber von 0800-Rufnummern dazu bewegen könnten, zu 0700 zu wechseln. Die attraktiven Einnahmen durch Anrufe über die 0800-Nummer, die ja dem Inhaber der Nummer ausschließlich nach vertelefonierter Zeit berechnet werden, könnten dadurch wegbrechen oder spürbar zurückgehen.
Mehr Datenschutz, mehr Sicherheit
Das Fernmeldegeheimnis und der Datenschutz sollen künftig in einem Datenschutzgesetz für Telekommunikation und Telemedien „TTDSG“ extra geregelt werden. Dann wird es bereits länger diskutierte "erhöhte Sicherheitsanforderungen für 5G-Netze" geben. Die Telekommunikationsüberwachung, die Datenerhebung und Auskünfte werden überarbeitet und dem aktuellen BVerfG-Urteil angepasst. Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze müssen in Krisenzeiten ihre Netze besser gegen Überlast schützen.
Die Höhe von Bußgeldern und ihre Eintreibung wird bei Verstößen gegen Roaming-Auflagen und Netzneutralität erweitert. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) darf bei Verstößen die gewonnenen Vorteile "abschöpfen".
Mehr Information - schnellerer Ausbau
Eine zentrale Informationsstelle soll die Breitbandverfügbarkeit und der mitnutzbaren passiven Infrastrukturen einschließlich der für den Mobilfunkausbau geeigneten öffentlichen Türme, Gebäude in einem Datenportal ermöglichen. Die Unternehmen werden dazu verdonnert, ihren künftigen Mobilfunkausbau vorab öffentlich bekannt zu geben. Die Datenbasis für Bund, Länder und Kommunen zum Auffinden von weißen (da geht nichts) oder grauen (da geht es schlecht) Flecken der Versorgung soll verbessert werden.
Für die Netzbetreiber sollen Frequenzzuteilungen mindestens 20 Jahre laufen oder stärker zeitlich abgestimmt werden. Das schafft auch Planungssicherheit. Die Bundesnetzagentur kann künftig lokales Infrastruktur-Sharing oder sogar lokales Roaming anordnen dürfen, wenn dem eigenwirtschaftlichen Ausbau der Mobilfunknetzbetreiber "unüberwindbare Hindernisse" entgegenstehen sollten. Damit der Wettbewerb im Mobilfunkmarkt wirksam bleibt, kann die Bundesnetzagentur geeignete Verpflichtungen wie "Dienstanbieterzugang" oder "nationales Roaming" auferlegen.
Bei den Ausbaumaßnahmen für Mobilfunk und Festnetz wird die Mitnutzung von Infrastrukturen verpflichtend, alternative Verlegetechniken wie Trenching oder oberirdische Verlegung (an Masten) sollen dazu kommen. Einfache Baumaßnahmen sollen einfacher genehmigt werden. Einheitliche Ansprechpartner auf Landes- oder kommunaler Ebene sollen es einfacher machen. Forst- und Wirtschaftswege sowie Bahngrundstücke sollen schneller und einfacher für den Netzausbau genutzt werden dürfen.
Stadtmöbel (Beleuchtete automatische Werbeplakate in Innenstädten) oder "sonstige geeignete Trägerstrukturen" sollen einfacher für Mobilfunk (Small cells) nutzbar sein.
Gebietskörperschaften sollen beim Markterkundungsfahren vertraglich verbindliche Ausbauzusagen fordern können. Damit könnte der geförderte Ausbau nicht mehr durch Zusagen eines privatwirtschaftlichen Ausbaus, die dann am Ende nicht eingehalten werden, verhindert werden. Die Bundesnetzagentur kann den offenen Netzzugang (Open Access) im Rahmen der Förderung durchzusetzen.
Recht auf Versorgung
Ein langer Traum vieler unversorgter Mitbürger könnte Wahrheit werden: Das Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten, also ein Anspruch auf schnelles Internet für alle Bürgerinnen und Bürger, der soziale und wirtschaftliche Teilhabe ermöglicht. Dabei soll die Bundesnetzagentur die Mindestanforderungen, wie schnell ein Internetzugang sein soll, festlegen können. Dieser Anspruch soll insbesondere für besonders schwer erschließbare Randlagen greifen, die mittelfristig nicht von Förderprojekten erreicht werden.
Die Universaldienstvorgabe soll durch "Konzentration auf die wesentliche Verpflichtung Sprach- und Internetzugangsdienste bereitzustellen" modernisiert werden. Die Verpflichtung zu Telefonzellen oder Telefonbüchern wird entfallen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
In dem veröffentlichten TKG-Entwurf stehen viele spannende Forderungen drin, deren Umsetzung richtig Schwung in den Umbau und Ausbau unsere Netze bringen könnte. Die Frage ist, wie viel Widerstand einzelne Interessengruppen gegen diese Regelungen leisten werden, denn viele Maßnahmen kosten vor allen Dingen Geld, das beispielsweise die betroffenen Kunden nur ungern oder gar nicht ausgeben möchten.