Editorial: Entkabelung
Wird der Mobilfunk dem Festnetz den Stecker ziehen?
Bild: teltarif.de
Der Trend geht zum Handy ohne Festnetz. Folgerichtig bietet nun
auch E-Plus
Festnetznummern für
BASE-Handyverträge an. Verbindungen zu
der mobilen Festnetznummer kosten den Anrufer nur den Tarif für einen Anruf zum Festnetz, den
Angerufenen innerhalb Deutschlands nichts, weltweit "nur" die
üblichen Roaming-Gebühren. Für die Festnetznummer
fällt ein monatliches Grundentgelt von 5 Euro an; hat der Kunde
bereits eine Festnetz-Flatrate für Telefonate ins Festnetz, ist die
Festnetz-Nummer sogar inklusive.
Wird der Mobilfunk dem Festnetz den Stecker ziehen?
Bild: teltarif.de
Besonderheit bei E-Plus ist, dass bei der Annahme von
Festnetzgesprächen nicht zwischen einer Homezone im Umkreis einer
gewählten Adresse und außerhalb unterschieden wird. Technisch ist
es dem Netz sowieso egal, wo man sich gerade aufhält (vorausgesetzt,
man befindet sich nicht im Funkloch und nicht in einer überlasteten
Zelle; beides aber Dinge, die innerhalb wie außerhalb der Homezone
passieren können). Nur war die Homezone zur
Einführung des
Genion-Produkts von Viag Interkom (inzwischen o2)
vor Urzeiten nötig, um die Bundesnetzagentur überhaupt davon zu
überzeugen, der Schaltung von Festnetz-Nummern auf Handy-Anschlüsse
zuzustimmen.
Mit dem Argument, dass VoIP-Nummern über das Internet ebenfalls problemlos auf einen beliebigen Anschluss in Deutschland oder weltweit geroutet werden können, hat sich die Bundesnetzagentur aber sicher überzeugen lassen, dass eine Homezone heute nicht mehr erforderlich ist. Vermutlich wird aber wie auch bei VoIP-Nummern die Bundesnetzagentur weiterhin auf einem lokalen Bezug bestehen: Der Kunde von E-Plus "Festnetz to go" bekommt somit in der Regel eine Rufnummer nur aus dem Ortsnetz zugeteilt, für das er eine amtliche Meldebestätigung vorweisen kann.
Alternativ steht das "virtuelle Ortsnetz" 032 bereit, aus dem sich jedermann Nummern zuteilen lassen kann, unabhängig von Wohnort. Doch diese fristet zu Recht nur ein Schattendasein, da sie von den meisten Anbietern nicht wie eine normale Festnetznummer behandelt wird. So kosten Telefonate zu 032 oft einen Aufpreis. Es ist an der Bundesnetzagentur, diesen Anachronismus aufzuheben, indem sie 032 per Regulierungsverfügung den normalen Festnetznummern gleichstellt. Oder alternativ die freie Vergabe normaler Ortsnetzrufnummern erlaubt.
Zwangsmobilisiert
Für viel Aufregung sorgte hingegen die Ankündigung Vodafones, ausgewählte DSL-Kunden künftig auf LTE umstellen zu wollen. Pro umgestelltem Kunden spart Vodafone so monatlich ca. zehn Euro Miete für Telekom-Kupferkabel. Doch die Nutzer haben Angst vor reduzierter Leistung: Höhere Latenzen, geringere Datenraten insbesondere in vollen Zellen, oder gar Drosselung, wenn man übers monatliche Limit kommt. Und dann war da noch die Diskussion über Handy-Strahlen.
Drohungen der Art "Wir brauchen die Telekom-TAL nicht mehr" gab es auch schon in der Vergangenheit, etwa 2005 von United Internet. Damals blieb die große Umstellung auf mobile Zugangstechnologien noch aus. Und auch dieses Mal ist wahrscheinlich, dass die Aussage von Vodafone vor allem dazu dient, Druck auf die Telekom auszuüben: bezüglich der Höhe künftiger TAL-Entgeltanträge, bezüglich zuverlässiger Ausführung von TAL-Schaltungen, bezüglich flexibler Einrichtung des TAL-Zugangs an Schaltverteilern.
Denn in den kommenden ein bis zwei Jahren wird Vodafone die Massenumstellung von Abermillionen Kunden auf LTE definitiv nicht vornehmen. Dazu sind Netz und Endgeräte noch zu neu und unerprobt, die Teilung überfüllter LTE-Zellen noch zu teuer, und auch die tariflichen Unterschiede zwischen dem LTE-Internet-Zugang (wie ihn Vodafone sicher auch künftig in nicht-DSL-versorgten Gebieten verkaufen will) und den DSL-Tarifen noch zu hoch. Jedoch wird sich Vodafone ansehen, wie ausgewählte Testkunden auf die Zwangsumstellung auf LTE reagieren, und zugleich Kosten und Nutzen einer LTE-Migration stets genau im Auge behalten. Sobald es sich rechnet, wird Vodafone dem Festnetz "adieu" sagen.