WLANonICE

WLAN im ICE: Und plötzlich bist du in Aachen

Das neue WLANonICE geht nach und nach in Betrieb. Wir geben technische Hintergründe zum neuen System und zeigen, warum das neue Netz auf Dauer wirklich stabiler sein könnte als das bisherige.
Von Thorsten Neuhetzki

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Foto: dpa
Am eigenen Erfolg gescheitert - das dürfte auf das WLAN-Netz im ICE zutreffen, das in den vergangenen Jahren von der Deutschen Telekom betrieben und mehrfach nachgerüstet wurde. Startete die Telekom zunächst mit einer Zuführung des Internet-Signals vor allem über über alte C-Netz-Frequenzen und ein eigenes Netz, so kam schon bald eine UMTS/LTE-Zuführung hinzu, um weiterhin den Internetzugang im ICE zu gewährleisten. Doch der Datenhunger im Zug wurde immer größer, was nicht zuletzt an der zunehmenden Nutzung von Streaming-Diensten lag. Letztlich wurde auch noch die Nutzung in der 1. Klasse des ICE komplett kostenlos. Als dann Bundesverkehrsminister Dobrindt auch die kostenlose Nutzung in der 2. Klasse forderte, galt es, eine andere Lösung zu finden, um das WLAN im ICE weiterhin anbieten zu können. Die Deutsche Bahn entschied sich für den schwedischen Dienstleister Icomera. Der Unterschied zur Telekom: Die Außenanbindung erfolgt nicht nur über ein, sondern alle drei Mobilfunknetze und es wird in der Kostenlos-Variante keine unlimitierte Nutzung geben.

Neues ICE-WLAN ist eine Co-Produktion von Ericsson und Icomera

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Wie funktioniert das neue WLAN? Im Grunde erst einmal genau so, wie das bisherige Netz auch: Im Zug sind WLAN-Antennen und Sender verbaut. Dabei wird zumindest vorerst die vorhandene WLAN-Infrastruktur im ICE übernommen. Andernfalls müssten die ICE viel länger in die Werkstätten, damit neue Kabel und Antennen verlegt werden können. So reicht es offenbar aus, die zentrale WLAN-Technik im ICE zu ersetzen. Dadurch kann der Austausch der WLAN-Technik mit nur kurzer Standzeit erledigt werden. Immerhin soll binnen nur vier Monaten die komplette Flotte das neue WLAN-Netz bekommen - im laufenden Betrieb.

Icomera arbeitet mit Ericsson zusammen. Icomera kümmert sich um die Hardware, Ericsson arbeitet an Netzwerk-Gateways und -Diensten. Die Icomera-Server im Zug übergeben den Traffic der Nutzer im Zug über ein eigenes Protokoll und eine Art VPN an ein von Ericsson genutztes Rechenzentrum in der Nähe von Aachen. Offenbar ermöglicht es das Protokoll, dass die Daten über verschiedene Mobilfunk-Wege übertragen werden können. Umgekehrt wird der Downstream-Traffic aus dem Rechenzentrum von den Servern im Zug entgegengenommen, entpackt und an die Nutzer im Zug weitergeleitet.

Abgeführt wird der Traffic aus dem Rechenzentrum in Aachen über den Lokalanbieter RelAix Networks. Bei Tests der teltarif.de-Redaktion waren wir stets mit IP-Adressen dieses Anbieters online. Das führte auch zu einigen kuriosen Effekten. So bekamen wir beispielsweise Werbung für den Lokalanbieter NetCologne angezeigt, obwohl wir uns weder in der Region befanden noch dort wohnen. Vielmehr befanden wir uns auf der Fahrt von Frankfurt nach München. Da aber die Datenverbindung mit einer Aachener IP-Adresse aufgebaut wurde, wurde auch die Werbung entsprechend ausgesteuert. Gleiches kann den Nutzern beispielsweise bei Wetterberichten oder anderen Location-Based-Services passieren.

Drei Netze sind besser als eins

Keine Frage, die Deutsche Telekom hat ihr LTE-Netz entlang der ICE-Strecken der Deutschen Bahn in den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet. Doch ein Problem bleibt: Je nach Region stehen maximal 75 bis 300 MBit/s für einen kompletten Zug zur Verfügung - und der "normale" LTE-Verkehr der Telekom-Kunden muss über das gleiche Netz realisiert werden. In einem vollbesetzten ICE mit 800 Fahrgästen bleiben so in einer LTE-Zelle mit 75 MBit/s rechnerisch und theoretisch gerade einmal 94 kBit/s pro Fahrgast übrig. Wird der Datenverkehr nun auf drei Netze verteilt, die im Idealfall alle LTE ausgebaut haben, so sind es pro Nutzer schon 282 kBit/s - und die Netze werden weiter aufgerüstet. Derzeit schaffen es die drei Netzbetreiber zusammen in der Praxis etwa 900 MBit/s zu übertragen - immerhin 1,13 MBit/s pro Nutzer in einem vollen ICE. Die Lastverteilung auf mehrere Netze war als unumgänglich.

Ab 2017 mit Videostreaming und verschiedenen Surf-Klassen

Derzeit laufen die Systeme der Telekom und von Icomera gleichzeitig. Allerdings sind niemals beide Systeme verfügbar, zudem weiß der Bahn-Fahrgast vor Antritt der Fahrt nicht, welches WLAN-System ihn erwartet. In einigen Zügen mit Icomera-Technik wurde in der Vergangenheit neben der Kostenlos-Variante, die schon freigeschaltet war, auch eine Bezahl-Variante gesichtet. Sie ist ein Indiz dafür, was die Bahn für 2017 plant. Dann soll der Kostenlos-Hotspot regulär in allen ICE in Betrieb gehen. Doch nicht alles wird kostenlos sein, wie Bahn-Chef Rüdiger Grube unlängst offiziell ankündigte.

"Für das übliche Arbeiten und Kommunizieren reicht das kostenlose Datenvolumen völlig aus", ließ er sich von der Nachrichten­angentur dpa zitieren. Von einem bestimmten Volumen an werde die Geschwindigkeit aber gedrosselt. "Wenn Sie die hohe Geschwindigkeit beibehalten wollen, dann müssen Sie entsprechend bezahlen." Weder Datenvolumen noch Betrag sind jedoch derzeit bekannt.

Eine weitere Neuerung wird das Angebot von maxdome im ICE werden. 50 Filme werden kostenlos "im Zug mitfahren" und stehen zum Abruf bereit. Das soll das Videostreaming über die Internetleitung verringern. Die Filme sollen monatlich wechseln.

Und: Bei Fahrten ins Ausland mit dem ICE soll das Netz nicht mehr an der Grenze offline gehen, heißt es von der Bahn. Icomera greift dann offenbar auf die lokalen Netze vor Ort zurück und überträgt weiterhin die Daten.

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