VATM: Kritik an geplantem Aufsichtsratschef der Telekom
Die Bestätigung, dass der derzeitige Paket- und Briefpost-Chef Frank Appel neuer Aufsichtsratsvorsitzender bei der Deutschen Telekom werden soll, hat bei den privaten Wettbewerbern der Telekom wenig Begeisterung ausgelöst.
So meldete sich der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) zu Wort und wirf der neuen Bundesregierung ein "Schweigen zur Nichteinhaltung des Deutschen Corporate Governance Kodex bei der Berufung des neuen Aufsichtsratschefs der Deutschen Telekom" vor.
Regierung verstoße gegen eigenen Kodex
Der VATM übt harsche Kritik am geplanten Aufsichtsratschef der Telekom
Bild: Telekom / VATM
VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner findet die "Nominierung des Vorstandsvorsitzenden der Post AG zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Telekom und damit gleichzeitig eines weiteren Konzerns mit Staatsbeteiligung, äußerst problematisch." Er kritisiert, dass hier gegen den von der Regierung selbst erarbeiteten Deutschen Corporate Governance Kodex verstoßen werde und nimmt die Gelegenheit wahr, aufzuzeigen, "wie dringlich es ist, dass sich der Bund als Miteigentümer der Telekom zurückziehen muss."
Diese Forderung ist nicht neu, sie wird seit vielen Jahren von der Monopolkommission, FDP und der Branche erhoben. Erst vor wenigen Tagen hatte der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Kühling, "zu Recht von einer nicht heilsamen Interessenskollision des Staates als Aktionär, Regulierer und Gesetzgeber" gesprochen, betont Grützner in einer Erklärung seines Verbandes.
Sicherheitsinteressen des Landes nicht gefährdet
Sorgen in Teilen der Politik, ein Verkauf könnte die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik gefährden, seien wenig stichhaltig, wie ein Gutachten zur Ökonomischen Evaluation der Bundesanteile an der Deutschen Telekom AG von Prof. Dr. Justus Haucap und Dr. Christiane Kehder (Dice Consult) im Auftrag des VATM belege.
Vor allem das Argument, eine staatliche Beteiligung sei zum Schutz gegen feindlich motivierte ausländische Direktinvestitionen und aufgrund der Gefahr zu großer ausländischer Einflussnahme notwendig, sei „nicht überzeugend“. So nehme die US-Tochter T-Mobile US, die heute für den Großanteil des Gewinns der (Deutschen) Telekom verantwortlich sei, trotz Bundesbeteiligung heute erheblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Telekom und bestimme zu einem großen Teil, wo Investitionen hinfließen, behauptet der VATM.
Man finde, das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung böten sogar einen „wirksameren Schutz“ vor ausländischen Direktinvestitionen.
Ende der Staatsbeteiligung an Telekom und Post?
Ein Ende der Staatsbeteiligung an der Deutschen Telekom sei seit Jahren eines der Kernanliegen der FDP. Grützner fordert "ein kluges Konzept", wie sich der Staat von den Telekom-Anteilen in den nächsten Jahren trennen könnte und wie auch zukünftig Marktmacht der Telekom verhindert oder zumindest durch kluge Regulierung ausgeglichen werden könne.
Gegner vermissen Daseinsvorsorge
Verbraucher und Kritiker der aktuellen Situation befürchten, dass bei einer Komplett-Privatisierung der Telekom, jede moralische Restverpflichtung zur Daseinsvorsorge auf dem "Altar der Rentabilität" geopfert werden könnte.
Sollte die Vollprivatisierung realisiert werden, ist durchaus denkbar, dass zuvor alle hoheitlichen Sicherheitsfunktionen und Netze im Telekommunikationsektor in ein eigenes Unternehmen oder eine eigene Behörde ausgegliedert werden dürften.
Eigene Netzgesellschaft?
Diskutiert wurde früher gerne auch ein Modell analog zu Großbritannien ("Open Reach"), wonach die Netze im Besitz des Bundes bleiben sollten, aber jeglicher Vertrieb und Kundenkontakt von privatwirtschaftlichen Unternehmen im Wettbewerb durchgeführt würde. Endkunden könnten bei der "Netzbetreiber"-Firma dann nicht direkt einkaufen. Der Netzbetreiber müsste alle TK-Anbieter gleich und diskriminierungsfrei behandeln.
Denkbar ist genauso, dass der Bundesanteil langsam und langfristig abgeschmolzen wird, um einen zu starken Kursverlust an der Börse bei einem sofortigen Komplettverkauf zu vermeiden.
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