Editorial: Verbraucherschutz mit 12-Monats-Kompromiss?
Verbraucherschutz contra Brancheninteressen: Welche maximale Laufzeit ist sinnvoll?
Logo: BMJV, Foto: Image licensed by Ingram Image, Montage: teltarif.de
Im neuen Telekommunikationsgesetz soll es neue Vorschriften für Vertragslaufzeiten geben. Nicht mehr zwei Jahre, sondern maximal ein Jahr. Das haben sich die Verbraucherschützer aus gutem Grund schon lange gewünscht. Doch dann gab es Widerstand, und am Ende folgte ein komplizierter Kompromiss, der keinem hilft. Wie kam es dazu?
Neue Handys sind teuer
Verbraucherschutz contra Brancheninteressen: Welche maximale Laufzeit ist sinnvoll?
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Seit es Handys oder Smartphones gibt, stellen die Kunden fest, dass sie neu relativ teuer sind. Schon die ersten Mobiltelefone kosteten damals (umgerechnet) 500 bis 1000 Euro und mehr, ein Betrag den nicht "Jedermann" so einfach aufbringen konnte oder wollte. Auch heute kann man für ein vernünftiges Smartphone 200 bis 1500 Euro ausgeben, je nach Marke, Modell und Geschmack.
Damals wurde das "Handy für einen Euro" erfunden, und das geht so: Wenn du, lieber Kunde, einen Vertrag über zwei Jahre Mindestlaufzeit unterschreibst, dann gebe ich dir das Handy für 1 Euro. Dafür zahlst du eine höhere Grundgebühr, quasi als Ratenzahlung.
Wer das bewusst unterschreibt (und versteht), findet diese Lösung großartig.
Was ist mit überrumpelten Kunden?
Dann gibt es aber Fälle, wo unbedarfte Kunden, die längst schon einen Vertrag haben, aber sofort ein neues Handy brauchen, "bequatscht" wurden, einen zweiten zusätzlichen Vertrag wieder über 24 Monate abzuschließen, nur um das Handy zu finanzieren. Bei Kunden, die sich das eigentlich gar nicht leisten können, ist das bitter, denn nach jeder Unterschrift ist man zwei Jahre gefangen. Eine vorzeitige Stornierung oder ein Rücktritt vom Mobilfunkvertrag ist von der Kulanz des Anbieters abhängig und wird äußerst ungern gewährt. Die reguläre Kündigungsfrist liegt spätestens drei Monate vor Ende der 24 Monate (beim Anbieter eingehend) und wer auch die verpasst, hängt weitere 12 Monate fest.
Es gibt Handyläden, die stehen so unter Druck, viele neue Kunden (= Kartenschaltungen) zu bringen, dass sie jeden Kunden, der sich zu ihnen in den Laden verirrt oder bei ihnen anruft, so lange bedrängen, bis er irgendwas unterschrieben hat, am Telefon reicht bekanntlich schon ein einfaches "Ja".
Verbraucherschützer wollen Änderung
Diese Praxis ist Verbraucherschützern schon lange ein Dorn im Auge. Also beschloss die Politik, das zu ändern. Künftig sollten Verträge maximal ein Jahr laufen dürfen und danach dann grundsätzlich mit einer Frist von einem Monat kündbar sein.
In der Mobilfunkbranche gab es einen Aufschrei. Die Händler fürchteten um ihr Geschäftsmodell. Denn das geht so: Wenn ein Händler oder Dienste-Anbieter (Service-Provider) für den Netzbetreiber X einen "neuen" Kunden bringt, bekommt er dafür eine Provision. Davon kann der Händler oder Provider dem Kunden ein günstigeres Handy finanzieren oder die monatlichen Raten für zwei Jahre reduzieren. Wenn nun die Laufzeiten kürzer würden, so die Angst, werden die Provisionen sinken. Ergo wären Handys für 1 Euro nicht mehr darstellbar.
12-Monats-Variante verpflichtend?
Die Politik von der Branche aufgeschreckt, erfand einen Kompromiss: 24-Monatsverträge wären weiter zulässig, wenn dem Kunden verpflichtend eine 12-Monats-Alternative angeboten wird, die nur unwesentlich teurer als die 24er-Lösung sein dürfte. Ein Kompromiss, der kaum etwas bringt, weil er die Tarifflut nur ins unendliche steigert.
Wir haben das Thema schon mehrfach aus unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet. Es bleibt aktuell.
Ideale Lösung: Maximal ein Monat Laufzeit
Die ideale Lösung wäre eigentlich diese: Es gibt künftig gar keine Vertrags-Laufzeit für eine SIM-Karte mit Vertrag mehr, bzw. die beträgt nur noch maximal einen Monat, was ein überschaubarer Zeitraum ist. Wer dann ein Handy für einen Euro haben möchte, kann beim Händler einen Ratenkredit-Vertrag abschließen, der dann durchaus zwei oder drei Jahre dauern könnte, bis das Handy abbezahlt ist und fertig.
Neues Provisionsmodell
Der Handel müsste dann neu belohnt werden: Die Provision gibt es, wenn der Kunde mindestens 12 oder 24 Monate ungekündigt dabei geblieben ist. Einzig in der Umstellungsphase müsste sich die Branche etwas einfallen lassen. Der Handel wäre dann angespornt, sich intensiver als bisher um seine Kunden zu kümmern und ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen, worauf zufriedene Kunden gar nicht mehr kündigen werden, weil sie sich gut versorgt wissen.
Kompromissformel: Notausstieg
Weil aber ideale Lösungen für eine Seite immer einen Haken haben, könnte der Kompromiss vielleicht auch so aussehen: Wer einen 24-Monatsvertrag unterschreibt, darf im ersten Monat ohne Angaben von Gründen sofort wieder aussteigen. Sollte er schon ein Handy für 1 Euro bekommen haben, muss er das sofort zurückgeben und eine Entschädigung für diesen einen Monat bezahlen oder ist verpflichtet, die Kaufraten, wie ursprünglich vereinbart, bis zum Ende (in 24 oder mehr Monaten) abzuzahlen. Genauso wie die Raten für die Waschmaschine oder das neue Auto.
Man kann es gar nicht laut genug sagen: Zufriedene Kunden kündigen nicht. Wenn die Branche endlich begreift, wie "wertvoll" Bestandskunden sind, werden sich diese Probleme in Luft auflösen.
Eine Handy-Vertragsverlängerung kann sich unter den momentanen Gegebenheiten noch lohnen - wenn Sie alles richtig machen. Was es bei einer erneuten Vertragsbindung zu beachten gilt und ob sich alternativ eine Kündigung lohnt, zeigen wir Ihnen in unserem Ratgeber.