Editorial: Laufzeitverkürzung mit Hindernissen
Laufzeitverkürzung mit Hindernissen
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Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht? Das haben sich wohl die
Parlamentarier beim Anfang des Jahres in den Gesetzgebungsprozess
eingebrachten "Gesetz für faire Verbraucherverträge" gedacht. Darin
ist der Vorschlag enthalten, die Mindestvertragslaufzeit für
Verbraucherverträge von derzeit zwei Jahren auf ein Jahr,
die maximale stillschweigende Vertragsverlängerung von derzeit zwölf
auf drei Monate und die Kündigungsfrist von drei auf einen Monat zu
verkürzen. Diesen Vorschlag hatte ich uneingeschränkt befürwortet.
Der damalige Gesetzesvorschlag ist noch online abrufbar [Link entfernt] . Die entscheidende Regelung ist klar und eindeutig:
2. §309 Nummer 9 [BGB] wird wie folgt geändert: a) In Buchstabe a werden die Wörter "zwei Jahre" durch die Wörter "ein Jahr" ersetzt.In der aktuellen Version vom 16. Dezember [Link entfernt] sieht derselbe Paragraph - wohl nach Intervention des Wirtschaftsministeriums - nun wie folgt aus:
b) In Buchstabe b werden die Wörter "ein Jahr" durch die Wörter "drei Monate" ersetzt.
c) In Buchstabe c werden die Wörter "drei Monate" durch die Wörter "einen Monat" ersetzt.
2. §309 Nummer 9 [BGB] wird wie folgt geändert: a) Die Buchstaben a und b werden wie folgt gefasst:
"a) eine Bestimmung, die
aa) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags vorsieht oder
bb) eine den anderen Vertragsteil länger als ein Jahr höchstens bis zu zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags vorsieht, wenn der Verwender dem anderen Vertragsteil nicht auch einen Vertrag über die gleiche Leistung mit einer Laufzeit von einem Jahr zu einem Preis anbietet, welcher den Preis für den Vertrag mit der längeren Laufzeit nicht um mehr als 25 Prozent im Monatsdurchschnitt übersteigt; b) eine Bestimmung, die
aa) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr vorsieht oder
bb) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als drei Monate bis zu einem Jahr vorsieht, es sei denn[,] die Verlängerung tritt nach der Bestimmung nur ein, wenn der Verwender spätestens zwei Monate, jedoch frühestens vier Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer in Textform auf Folgendes hinweist:
aaa) den Zeitpunkt, zu dem die vereinbarte Vertragslaufzeit endet,
bbb) den Zeitraum, um den sich der Vertrag verlängert, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wird, und
ccc) den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung beim Verwender spätestens eingehen muss, oder". In Buchstabe c werden die Wörter "drei Monate" durch die Wörter "einen Monat" ersetzt.
Versteckte 1-Jahres-Verträge
Laufzeitverkürzung mit Hindernissen
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Die Länge des Gesetzentwurfs hat sich fast verfünffacht - und das nur
mit dem Ziel, Sonderregelungen einzuführen, mit denen die alten
Laufzeiten von zwei Jahren und die alten Vertragsverlängerungen von einem
Jahr doch noch gerettet werden können. So sollen weiterhin zwei Jahre
Laufzeit legal sein, wenn zugleich ein Vertrag über dieselbe Leistung
für nur ein Jahr zu einem maximalen Aufpreis von 25 Prozent
angeboten wird. Das birgt gleich mehrere Probleme:
- Wer sich für die kürzere Laufzeit entscheidet, zahlt den höheren Preis nicht nur für das erste Jahr (wo das verständlich ist), sondern dauerhaft, wenn er den Vertrag doch weiterlaufen lässt.
- Generell ist der Nachweis einer Nichtexistenz schwer zu führen.
Das stellt Verbraucherschützer vor große Probleme, wenn sie Anbieter
abmahnen wollen,
die die künftig verpflichtenden alternativen 1-Jahres-Verträge doch
nicht anbieten. Nur, weil Anbieter diese nicht bewerben, bedeutet das
ja nicht, dass es diese nicht gibt und dass sie nicht doch auf
spezielle Kundennachfrage hin abgeschlossen werden.
Und da kann man sich dann schon denken, was passiert:
Wenn der von der Verbraucherzentrale Bundesverband instruierte Testkäufer im T-Punkt nach dem 1-Jahres-Vertrag fragt, dann wird er diesen auch angeboten bekommen. Wenn "Oma Gabi" im Verkäufergespräch fragt: "Und was ist, wenn ich in einem Jahr ins Altenheim ziehe", dann wird ihr zumindest ein Teil der Verkäufer sicher erklären, dass sie den neuen DSL-Anschluss dann ja dorthin mitnehmen kann, aber nicht auf die kurzlaufende Alternative hinweisen. - Hinzu kommt das Problem, dass das Gesetz noch nicht einmal Vorgaben dazu macht, auf welchen Vertriebswegen die 1-Jahres-Verträge angeboten werden müssen. Ein Anbieter, der 80 Prozent seiner Kunden über seinen Online-Shop gewinnt und 20 Prozent über die Hotline, könnte also auf die Idee kommen, die unbeliebten 1-Jahres-Verträge nur über die Hotline anzubieten. Bis höchstrichterlich geklärt ist, ob sich damit die Pflicht zum Anbieten von 1-Jahres-Verträgen erfüllen lässt oder nicht, vergehen fünf bis zehn Jahre der Rechtsunsicherheit. Windige Anbieter werden diese zulasten der Verbraucher ausnutzen.
Versteckte Kündigungsbelehrungen
Dasselbe Spiel gibt es auch bei der automatischen Vertragsverlängerung: Standard sollen künftig faire drei Monate sein, aber die Anbieter können sich in ihren AGB zwölf Monate ausbedingen, wenn sie "in Textform" rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist auf die bestehende Vertragsverlängerung hinweisen. Auch hier werden Bundesrichter dann in einigen Jahren klären müssen, ob es ausreicht, wenn dieser Hinweis mit hellgrauer Farbe und 8-Punkt-Schrift auf die Rückseite einer Rechnung oder eines Kontoauszugs und versteckt zwischen anderen Belehrungen gedruckt wird.
Für die Verbraucher ist durch diesen Hinweis zudem nichts gewonnen: Wenn sie zum Beispiel nach 25 Monaten feststellen, dass sie eine Leistung nicht mehr benötigen, dann nutzt ihnen die im 21. Monat geschickte Erinnerung an die Vertragsverlängerung im 24. Monat herzlich wenig.
Den Anbietern von Telekommunikationsleistungen entstehen durch das Weiterlaufen eines Vertrags über die Mindestvertragslaufzeit hinaus keine Kosten. Von daher sind lange automatische Vertragsverlängerungen generell abzulehnen. Sie produzieren sogar Kosten, indem Kunden "auf Vorrat" kündigen und im Zweifelsfall dann doch kurz vor Ablauf der Mindestlaufzeit die Kündigung zurücknehmen, wenn sie den alten Vertrag zu den alten Konditionen weiterhin behalten wollen. Das erzeugt zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Anbietern, den man sich mit dauerhaft kurzen Kündigungsfristen sparen könnte. Dass die 1-Jahres-Verlängerungen dennoch für die Anbieter attraktiv sind, liegt daran, dass es genug Kunden gibt, die die Leistung für weniger als ein Jahr benötigen, aber doch das ganze Jahr bezahlen.
Zu wünschen wäre also, dass die Parlamentarier noch einen Weg zurück zur ursprünglichen Fassung des Gesetzes finden. Die Chancen darauf dürften aber gering sein.
PS: Man wundert sich fast, warum nicht auch die einmonatige Kündigungsfrist wieder verwässert wurde. So bringt das Gesetz tatsächlich einen kleinen, aber wirklich nur einen kleinen Fortschritt.