Telekom-PK

Tim Höttges: "Jedes Funkloch ärgert mich persönlich"

Telekom Chef Timo­theus Höttges nutzte die Gele­gen­heit bei der Bilanz­pres­sekon­ferenz, teil­weise kniff­lige Fragen zu beant­worten und seine Entschei­dungen zu erklären.
Von der Bilanz-Pressekonferenz der Telekom in Bonn berichtet

Die letzten Bilanz- und Quar­tals­zahlen der Telekom wurden nur "virtuell" in Video- oder Telefon-Pres­sekon­ferenzen bekannt gegeben. Von daher freute sich Telekom Chef Tim Höttges, wieder reale Menschen in der Bonner Konzern-Zentrale zu begrüßen. Es mussten noch Stühle herein­getragen werden.

Endlich wieder real

Die Bilanzpressekonferenz war gut besucht, es mussten noch Stühle herangebracht werden. Die Bilanzpressekonferenz war gut besucht, es mussten noch Stühle herangebracht werden.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
"Soviel waren es schon lange nicht mehr. Das ist doch eine ganz andere Dynamik", freute sich Höttges, der auf sein "bestes Ergebnis und den deut­lichen Wachs­tums­kurs" verwies: "Wir wachsen bei allen Kunden- und Finanz­zahlen und inves­tieren massiv in Netz­ausbau." Seine Bilanz - die Zahlen haben wir ja schon berichtet -, hat sich in 2022 deut­lich gedreht, "es ist nicht mehr so Amerika-lastig".

2022 eine Zäsur: Die Welt steht Kopf

2022 war sehr erfolg­reich, "aber auch eine Zäsur. Die Welt steht Kopf, jeden Tag müssen wir andere Themen orga­nisieren. Vor einem Jahr war Europa ein Konti­nent des Frie­dens. Und nun wird der Heimat­kon­tinent zum Kriegs­schau­platz", wurde Höttges philo­sophisch. Er hoffe, dass der "schreck­liche Konflikt bald ein Ende nimmt."

Mobil­funk­netz im Container für Erdbeben-Region Türkei/Syrien

Nicht nur das: Aktuell gibt es drama­tische Nach­richten aus dem Grenz­bereich von Türkei und Syrien. Die Telekom sei gerade dabei, einen Container mit fertig instal­lierter Mobil­funk­technik ins Krisen­gebiet zu bringen, um die Kommu­nika­tion vor Ort sicher­zustellen.

Viele Problem­felder: Den Menschen helfen

Neben dem Krieg, Natur­kata­stro­phen, Klima­wandel oder Pandemie bereiten auch stei­gende Preise/Zinsen, die Verknap­pung von fossiler Energie auch der erfolg­rei­chen Telekom Kopf­zer­bre­chen. Wie soll die Telekom "als größtes euro­päi­sches TK-unter­nehmen mit 210.000 Mitar­bei­tern" sich aufstellen? Darauf gebe es keine einfache Antworten. "Wir tun, was möglich ist. Menschen zu helfen, ist bei der Telekom immer inklu­sive."

Dank an die Mitar­beiter

Das Hauptquartier der Deutschen Telekom in Bonn. Die Pressekonferenz fand im Gebäude in Räumen hinter der blauen Plakatewand statt. Das Hauptquartier der Deutschen Telekom in Bonn. Die Pressekonferenz fand im Gebäude in Räumen hinter der blauen Plakatewand statt.
Foto: Henning Gajek/teltarif.de
Höttges nutzte auch die Gele­gen­heit, seinen Mitar­bei­tern zu danken. Nur durch die Team-Leis­tung und die groß­artige Zusam­men­arbeit habe es eine der "kolla­bora­tivsten Jahre" gegeben. Die Mitar­bei­ter­zufrie­den­heit sei hoch: "82 Prozent fühlen sich sehr wohl."

Neues Ziel: Drei Millionen FTTH-Anschlüsse

Höttges versprach, auch in den nächsten Jahren in die Spit­zen­qua­lität der Netze welt­weit zu inves­tieren. Beispiels­weise beim Glas­faser-Ausbau: Höttges hat das ursprüng­liche Ziel von 2 bis 2,5 Millionen neuen Glas­faser­anschlüssen pro Jahr höher gelegt. "Ich möchte eine 'Drei' vorne stehen haben, es sollen drei Millionen neue FTTH-Anschlüsse gebaut werden."

Vermeint­licher Überbau?

Die Diskus­sion über den vermeint­lichen Überbau der Glas­faser kann Höttges nicht nach­voll­ziehen: "Wenn Herr von Lepel von Netco­logne sich beklagt, dass wir über­bauen, sage ich, wir bauen FTTH, also Glas­faser, bis ins Haus zum Kunden und nicht wie die Netco­logne nur ins Gebäude (FTTB). Denn damit können die Kunden nichts anfangen." Die Telekom wolle (unbe­leuch­tete) Fasern mieten und schaue sich genau an, was ihr hier ange­boten werde.

Die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung?

von links: Christian Illek (Finanzen), Tim Höttges (Vorstand) und Philipp Schindera (Leiter Unternehmenskommunikation) von links: Christian Illek (Finanzen), Tim Höttges (Vorstand) und Philipp Schindera (Leiter Unternehmenskommunikation)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Frage nach der Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung griff Höttges gerne auf. "Die Freenet AG ist einer unserer wich­tigsten Kunden und wir arbeiten gut zusammen. Die aktu­ellen Bilanz­zahlen der Freenet AG haben sich ja verbes­sert. Also scheint es keine Probleme zu geben." Im übrigen schaut Höttges zuerst, was der ihm Kunde sagt: "Ihr seid die verläss­lichste Marke" und das ist für ihn das Aller­wich­tigste.

Sorgen vor neuer teurer Frequenz­auk­tion

Tim Höttges macht der Job sichtlich Spaß. Er ist stolz, dass aus seinem Vorstand mehrere Personen als sein(e) Nachfolger(in) in Frage kommen. Tim Höttges macht der Job sichtlich Spaß. Er ist stolz, dass aus seinem Vorstand mehrere Personen als sein(e) Nachfolger(in) in Frage kommen.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Mit Sorgen sieht Höttges, "wir laufen wieder in eine Auktion rein." Diese Auktion macht ihm großen Kopf­schmerzen. "Müssen wir wieder viel Geld vorne an der Kasse abgeben, um neues Spek­trum zu bekommen?" Ein Viertel des Frequenz-Spek­trums wurde für Indus­trie­unter­nehmen ("Campus­netze") vergeben. "Wird das auch für den Bürger genutzt?", fragte sich Höttges. Die Frequenzen seien künst­lich verknappt worden. Drei Spieler könnten es gut gebrau­chen, für vier Spieler seien es "viel zu wenig" Frequenzen.

Neuer Spieler mit nur drei Stationen

Höttges monierte, dass der "neue Spieler extreme Vorteile/Privi­legien" erhalten habe. Von den 1000 gefor­derten Stationen habe der neue Spieler "nur drei Stück" gebaut. "Nur Drei! Er muss seine Auflagen auch erfüllen!" Am Rande der PK wurde das Thema weiter disku­tiert. Wie viele Stationen wird 1&1 am Jahres­ende aktiv haben? Höttges sieht seinen Konkur­renten skep­tisch, es sei "kein ernst­hafter Versuch von 1&1 erkennbar, ein ernst­haftes Netz zu bauen."

Im Raum schwebte die Frage, ob das Netz von 1&1 viel­leicht ein Vehikel sein könnte, um über die aktuell disku­tierte Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung einen poli­tischen Zugriff auf die Infra­struktur der etablierten Netz­betreiber zu bekommen. Höttges formu­liert das so: "Einer hat die Kosten, der andere hat den Spaß."

Telekom hat ihre Ausbau­ver­pflich­tungen erfüllt

Und dann wurde er ernst: "Ich sage hier unter Eides statt: Die Deut­sche Telekom hat ihre Ausbau­ver­pflich­tungen erfüllt!" Und weiter: "Deutsch­land braucht Infra­struktur, braucht Menschen, die bereit sind, überall zu bauen, die Geld mitbringen, den Ausbau zu gestalten." Vor 1&1-Chef Ralph Dommer­muth hat Höttges großen Respekt: "Das ist ein wirk­lich harter Verhandler." Höttges bevor­zugt aber Win-Win-Deals, wo beide Seiten etwas davon haben. Höttges hatte Dommer­muth ange­boten, die Stand­orte der Telekom (DFMG) zu nutzen, aber "das war Herrn Dommer­muth zu teuer".

Offenbar hatte Dommer­muth damit gerechnet, auf jeden mögli­chen Mast schnell seine Antennen dazu hängen zu können, aber dabei über­sehen, dass dafür umfang­reiche Berech­nungen und Geneh­migungen notwendig sind, die wiederum Zeit brau­chen. Auf einigen Vantage-Stand­orten - so ist zu vermuten - könnte der Platz eng werden. Wie löst Vantage das Problem, wenn auch die Mutter Voda­fone Platz braucht?

Wird die Telekom die Preise erhöhen?

Mit Verweis auf Telefónica (o2) wurde Finanz­vor­stand Chris­tian Illek gefragt, ob auch die Telekom die Absicht habe, ihre Preise zu erhöhen und wenn ja, wann und in welcher Form. Die Antwort des Finanz­vor­stands war klar und deut­lich: "Wir sagen nix zu einer Preis­erhö­hung. Wir würden erst etwas sagen, wenn es Realität würde."

Blick in die Zukunft

Zum Abschluss gab Höttges noch einen Ausblick in die Zukunft: "Ich brauch Action" und "bei allen Erfolgen gibt es genü­gend Baustellen." Wie kann Telekom ihre Größe in der west­lichen Welt nutzen? Welche Platt­formen könnte es für Ange­bote geben, die welt­weit überall funk­tio­nieren? Wie kann es für die Kunden einfach und simpel sein? Denn Connec­tivity wird zur Commo­dity und damit verfallen die Preise. Wo sind Wachs­tums­märkte? Etwa bei Unified Commu­nica­tion für Geschäfts­kunden? Gibt es einen Magenta Advan­tage Beyond Core?

Wichtig ist für ihn: "Die Netze werden nie fertig. Es ist wie Hase und Igel - nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wir werden perma­nent weiter inves­tieren."

Plakat-Aktion für Sender­stand­orte

Und: "Jedes Funk­loch ärgert mich persön­lich." Erst­malig wird die Telekom in Kürze in Bayern eine Plakat­wer­bung für Sender­stand­orte starten. Per Plakat werden Vermieter von Grund­stü­cken oder Häusern gesucht, die noch Platz für einen Sende­mast haben.

Der vierte Netz­betreiber 1&1 beschwert sich beim Bundes­kar­tellamt, weil Vantage Towers/Voda­fone ihn beim Netz­ausbau behin­dere.

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