Verzögerungen

1&1: Beschwerde beim Bundeskartellamt über Vodafone

Der Plan, auf 3.800 Stand­orte von Vantage-Towers beim Netz­aufbau des vierten Mobil­funk­netzes von 1&1 zu setzen, dürfte schief gehen. 1&1 ist sauer.
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Der schlep­pende Netz­ausbau des neuen Mobil­funk­netzes von 1&1 könnte sich weiter verzö­gern. Eigent­lich wollte der vierte Netz­betreiber die Stand­orte von Vantage Towers, einer Toch­ter­gesell­schaft von Voda­fone, nutzen, um das regu­lato­rische Ziel von 1000 eigenen Stand­orten im Lande zu erzielen. Aber daraus wird wohl nichts.

Ende 2022 hatte Vantage Towers einen neuen Rollout-Plan vorge­stellt. Am gest­rigen Donnerstag haben Vertreter von Vantage Towers und Voda­fone in einem gemein­samen Meeting mit 1&1 abschlie­ßend mitge­teilt, dass es erneut zu Verzö­gerungen kommen wird und auch der neue Rollout-Plan nicht einge­halten werden kann. Insbe­son­dere sollen die in den ersten Quar­talen 2023 geplanten Ausbau­ziele deut­lich verfehlt werden. Ein Ende der von Voda­fone bei Vantage Towers erwirkten Bevor­zugung der Ausbau­akti­vitäten für Voda­fone auf Kosten des 1&1-Netz­auf­baus scheint somit weiterhin nicht absehbar, schreibt das Unter­nehmen in einer Pres­semit­tei­lung und erhebt schwere Vorwürfe gegen­über Voda­fone.

Dem Neuein­steiger stößt bitter auf, dass Voda­fone für die anste­hende Frequenz­ver­gabe, die derzeit von der Bundes­netz­agentur vorbe­reitet wird, fordert, auf das übliche Verga­bever­fahren zu verzichten und insbe­son­dere die wich­tigen Low-Band-Frequenzen den etablierten Netz­betrei­bern Voda­fone, Deut­sche Telekom und Telefónica ohne Auktion für weitere Jahre zu über­lassen.

Kein Bedarf für Low-Band-Frequenzen?

Am Bahnhofsplatz in Montabaur sendet 1&1 (262-23) wirklich, auf 2600 MHz (LTE/4G) und 3500 MHz (NR/5G). Am Bahnhofsplatz in Montabaur sendet 1&1 (262-23) wirklich, auf 2600 MHz (LTE/4G) und 3500 MHz (NR/5G).
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Voda­fone argu­men­tiert: Der Bedarf von 1&1 für Low-Band-Frequenzen (700-900 MHz) müsse hingegen aufgrund des kaum gege­benen 1&1-Netz­auf­baus unbe­dingt hinter­fragt werden. Ähnlich hatte sich auch Telekom-Chef Timo­theus Höttges in Bonn gestern vor Jour­nalisten geäu­ßert, der indi­rekt bezwei­felte, ob 1&1 über­haupt ausbauen wolle.

Vorwurf: Voda­fone behin­dert Netz­ausbau

1&1 schiebt den geringen Ausbau­stand des 1&1-Netzes maßgeb­lich auf die wahr­schein­lichen Behin­derungen durch Voda­fone bei der Entwick­lung der Anten­nen­stand­orte von Vantage Towers. 1&1 beteuert weiter, alles daran zu setzen, sein neues Mobil­funk­netz schnellst­mög­lich zu bauen. Die erneute Verzö­gerung bei der Bereit­stel­lung von Anten­nen­stand­orten durch Vantage Towers könne Auswir­kungen auf den im 3. Quartal 2023 geplanten Start von mobilen Diensten im 1&1-Netz haben, insbe­son­dere weil die dafür notwen­digen tech­nischen Zerti­fizie­rungs­pro­zesse teil­weise eine gewisse Mindest­anzahl an Anten­nen­stand­orten voraus­setzen. 1&1 über­prüfe den Zeit­plan des weiteren Netz­aus­baus und beschwich­tigt, dass ein gege­benen­falls gering­fügig verzö­gerter Netz­start keine nennens­werten finan­ziellen Auswir­kungen hätte.

"Beschwerde" beim Bundes­kar­tellamt

1&1 will die Behin­derung durch Voda­fone beim Bau des vierten deut­schen Mobil­funk­netzes durch das Bundes­kar­tellamt prüfen lassen, dadurch könnte es "gering­fügige Verzö­gerungen beim Netz­start" geben. Die 1&1 Mobil­funk GmbH (1&1), eine Toch­ter­gesell­schaft der 1&1 AG, will heute beim Bundes­kar­tellamt eine Beschwerde einrei­chen. Gegen­stand der Beschwerde werden aus Sicht von 1&1 anhal­tende Behin­derungen beim Ausbau ihres 5G-Mobil­funk­netzes durch die Voda­fone GmbH sein, teilt 1&1 dazu mit.

Die Vorge­schichte

Ein eigener Senderstandort von 1&1 auf 2600 MHz (Band 7 LTE) und 3500 MHz (Band n78 NR/5G) in Montabaur (Bahnhofsplatz) Ein eigener Senderstandort von 1&1 auf 2600 MHz (Band 7 LTE) und 3500 MHz (Band n78 NR/5G) in Montabaur (Bahnhofsplatz)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
1&1 hatte 2021 mit der börsen­notierten Vantage Towers AG die Mitnut­zung von 3.800 bereits vorhan­denen Anten­nen­stand­orten für das neue 1&1-Netz verein­bart. Vantage Towers sei derzeit "der mit weitem Abstand wich­tigste 1&1-Ausbau­partner". Im Rahmen der vertrag­lichen Verein­barung wurden Ausbau­ziele für 2022 defi­niert. Vantage Towers habe diese nahezu voll­ständig verfehlt. Zum Jahres­ende 2022 verfügte 1&1 insge­samt nur über fünf 5G-Anten­nen­stand­orte, teil­weise von Vantage Towers bereit­gestellt.

Vantage Towers wird von Unter­nehmen der Voda­fone Gruppe als Haupt­aktionär mit einem Anteil von mehr als 81 Prozent kontrol­liert. Außerdem plant und entwi­ckelt Voda­fone die Mitnut­zung der deut­schen Anten­nen­stand­orte von Vantage Towers durch andere Netz­betreiber. Im Gegen­satz zu 1&1 verfügte Voda­fone Ende 2022 über 1.600 5G-Anten­nen­stand­orte auf Basis der Infra­struktur von Vantage Towers.

Eigent­lich möchte 1&1 nach der erfolg­rei­chen Teil­nahme an der 5G-Frequenz­auk­tion als Neuein­steiger und vierter deut­scher Netz­betreiber das euro­paweit erste voll­ständig virtua­lisierte Mobil­funk­netz auf Basis der inno­vativen Open-RAN-Tech­nologie aufbauen. Ob daraus am Ende noch etwas wird?

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Ein eigenes Mobil­funk­netz mal soeben aufzu­bauen, ist kein einfa­ches Unter­fangen. Firmen­chef Ralph Dommer­muth hat das Projekt gestartet, weil er auf Dauer nicht von den etablierten Netz­betrei­bern abhängig sein wollte. Um seinen Kunden attrak­tive Preise bieten zu können, braucht er nied­rige Einkaufs­preise und konkur­riert damit zugleich mit seinen Liefe­ranten. Diesem Dilemma wollte er mit einem "eigenen" Netz lang­fristig entgehen.

Die Idee des nahezu "virtu­ellen" Open-RAN-Netzes mit schlauen Antennen, die über Netz­werk­kabel mit Rechen­zen­tren verbunden werden, klang bestechend: Rauf aufs Dach, Kasten mit Aktiv-Antenne anschrauben, Strom und Netz­werk dran, fertig. Nur, so einfach ist es in Deutsch­land nicht. Dommer­muth ist eigener Netz­betreiber und braucht für jede Antenne viele Geneh­migungen, Sicher­heits­abstände und vieles mehr. Und das braucht viel zu viel Zeit. Zeit, die er gar nicht mehr hat.

Dommer­muth hätte eigent­lich wissen müssen, dass Vantage Towers im Ernst­fall seiner "Mutter" Voda­fone den Vorrang geben wird, zumal Voda­fone in nicht uner­heb­lichen Schwie­rig­keiten ist. Sie müssen Kosten sparen, aber auch das eigene Netz massiv ausbauen, damit sie nicht vom Markt gefegt werden.

Die "Beschwerde" beim Bundes­kar­tellamt ist nur optisch nett, bringt aber effektiv nichts. Denn das Bundes­kar­tellamt wird Jahre brau­chen, bis es alles "geprüft" hat. Soll solange gar nicht weiter gebaut werden? Die Bundes­netz­agentur müsste irgend­wann den Hammer fallen lassen und die 1&1-Lizenz wieder einsam­meln, auch wenn Dommer­muth in der Politik gut "vernetzt" zu sein scheint und das verhin­dern möchte. Und was macht Dommer­muth, wenn Vantage Towers jetzt aus Trotz (oder auf Druck der Mutter) den Vertrag einseitig aufkün­digt?

Die Telekom hätte 1&1 alle notwen­digen Stand­orte gegeben, betont sie, aber nicht zu dem Preis, den Dommer­muth sich vorge­stellt hatte.

Ist ein Kompro­miss denkbar, dass nicht nur o2, sondern auch Voda­fone und Telekom eine Form von "Roaming-Abkommen" mit dem Netz 262-23 (der Netz-Kennung von 1&1) schließen? Könnte Dommer­muth im Gegenzug auf seine eigenen Sender-Netz-Ambi­tionen verzichten (und als rein virtu­eller Netz­betreiber im Markt bleiben) und damit den Weg frei machen, damit alles noch vorhan­dene Geld endlich in den Netz­ausbau der drei etablierten Anbieter gesteckt werden kann? Könnte die Politik jegliche büro­kra­tische Hürden beim Aufbau von Sendern besei­tigen, damit es schneller vorwärts geht?

Viel­leicht war es das Kalkül des gelernten Bank­kauf­manns und "härtesten Verhand­lers, den ich kenne" (Tim Höttges über Ralph Dommer­muth), einen "besseren Preis" zu bekommen. Dann wäre das Ziel ja erreicht und am Ende für alle eine "Win-Win-Situa­tion" geschaffen.

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