Handelsblatt: Weniger Wettbewerb gegen mehr Funkmasten?
Wer erinnert sich noch an Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer? Der, so berichtet die in Düsseldorf erscheinende Wirtschaftszeitung "Handelsblatt", habe möglicherweise "härtere Konkurrenz für die großen Telekomkonzerne" verhindert. Interne Dokumente deuteten auf einen "fragwürdigen Deal" hin, bei dem er sich von den Unternehmen im Gegenzug eine bessere Mobilfunkversorgung auf dem Land erhoffte.
Um sein Ziel zu erreichen, habe Scheuers Ministerium offenbar die formal unabhängige Bundesnetzagentur unter Druck gesetzt, um die Neuauflage einer sogenannten "Diensteanbieterverpflichtung" zu vermeiden. Diese hätte Serviceprovidern ohne eigenes Netz wie damals 1&1 oder Freenet einen zuverlässigen Zugang zu den Netzen von Deutscher Telekom, Vodafone oder Telefónica (o2) ermöglicht. Den Dokumenten zufolge war beim Verkehrsministerium intern von einer „einvernehmlichen“ Abstimmung mit der Behörde oder gar einem „Kontrolltermin“ beim damaligen Agenturpräsidenten Jochen Homann die Rede.
Scheuer wollte den Erfolg
Andreas Scheuers wollte beim Netzausbau einen Erfolg sehen. Wurde die Netzagentur unter Druck gesetzt?
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Scheuers Ministerium ließ 2018 einen sogenannten Mobilfunkgipfel ausrichten, auf dem der Minister einen Erfolg präsentieren wollte. Letztlich verzichtete die Bundesnetzagentur auf eine Diensteanbieterverpflichtung, es gibt stattdessen ein Verhandlungsgebot, das bedeutet die Netzbetreiber müssen mit virtuellen Anbietern und Dienstleister reden.
Ausbauauflagen am Ende nicht erfüllt - die Gründe liegen woanders
Das Handelsblatt stellt schließlich fest, dass Ausbauauflagen von den Telekomkonzernen bis zum Fristende 2022 indes abermals nicht vollständig eingehalten wurden, geht aber nicht auf die ausschlaggebenden Gründe ein.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Was wollen wir: Flächendeckendes, bestes Netz überall zum Billigstpreis? Und wie soll das funktionieren?
Service-Provider (Diensteanbieter) sind Händler, die Mobilfunkverträge verkaufen in Mobilfunknetzen, die ihnen nicht gehören. Einige von ihnen haben eine eigene Vorwahl und eine eigene Vermittlung (sogenannte real MVNO wie Sipgate, Lycamobile, Truphone, Lebara etc.), andere verkaufen einfach nur SIM-Karten. Alle diese Anbieter brauchen vom jeweiligen Netzbetreiber einen möglichst hohen Rabatt, damit diese Service-Provider am Ende noch günstiger als die Original-Netzbetreiber sein können, denn warum sollten die Kunden sonst zum Service-Provider gehen? Sicher, ein Service-Provider könnte auch guten Service und Beratung bieten, sich intensiver um die Probleme der Kunden kümmern, aber am Ende zählt meist der Preis. Logisch, dass die Netzbetreiber Service-Provider seit langem als "störend" empfinden. Sie verderben die Preise.
Andreas Scheuer hat nach Handelsblatt-Informationen einen Deal eingefädelt: "Ihr baut die Netze schneller aus und dafür halten wir Euch die Konkurrenz der Diensteanbieter ein wenig auf Abstand." Die Netzbetreiber haben gebaut und bauen noch, aber es reicht nicht. Sie stoßen immer wieder auf Probleme wie renitente Nachbarn ("sieht doch furchtbar aus", "Angst vor Strahlung"), auf langsame Ämter ("Bitte warten") oder ängstliche Grundstücksbesitzer ("ich will meinen Frieden haben und gebe nix her").
Hier kann und könnte die Politik einiges tun. Vielleicht muss auch die heilige Kuh geschlachtet werden, dass drei oder vier Netzbetreiber ihre Netze über ganz Deutschland flächendeckend ausrollen müssen. Es gibt Techniken wie MOCN oder MORAN und es gäbe nationales Roaming.
Damit die wirklich ausbauenden Netzbetreiber einen Vorteil haben, sollten die nicht ausbauenden Netzbetreiber ihren Kunden eine aufpreispflichtige Roaming-Option anbieten können. Wer dann beim günstigen Anbieter ist und diese Roaming-Option explizit bucht, hat dann auch Netz in abgelegenen Orten. Wer nur in Ballungsgebieten unterwegs ist, verzichtet gerne und zahlt weniger. Der eine oder andere verzichtet auf diese Option und wechselt zu dem Netz, das gleich in der Tiefe ausbaut. Das wäre dann auch Wettbewerb. Wenn zu viele Kunden deswegen den Netzanbieter wechseln, werden die bislang nicht ausbauenden Netzbetreiber auch ausbauen.
Jede Woche stellen wir zusammen, war was und wo ausbaut.