Haas: o2-Netz "Trampolin für Industrie und Gesellschaft"
Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G.
Fotos: o2/SIXT SE, Logo: o2, Montage: teltarif.de
Sprechen wir über Mobilfunk, geht es dem Anwender um Netzversorgung. Die Netzbetreiber schwärmen eher von der Zukunft, wo Mobilfunk überall verfügbar sein soll und dann für Dienstleistungen aller Art genutzt werden kann.
Nur: Ohne gut funktionierende flächendeckende Netze sind künftige Anwendungen wie das autonome Fahren oder auch das „Smartphone auf Rädern“ kaum denkbar, stellt der Netzbetreiber Telefónica Deutschland (o2) in einer aktuellen Pressemitteilung zutreffend fest.
Planungssicherheit für neue Mobilität
Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G.
Fotos: o2/SIXT SE, Logo: o2, Montage: teltarif.de
Daher ist es kaum verwunderlich, dass sich die Mobilfunknetzbetreiber aber auch Mobilitätsdienstleister Planungssicherheit bei der Gestaltung der neuen Mobilität wünschen. Ein entscheidender Hebel sei hierbei die Verlängerung von Mobilfunkfrequenzen. Hierdurch würden dem Markt nicht weiter durch kostenintensive Versteigerungen die notwendigen Investitionsmittel für einen zügigen Netzausbau entzogen. Soweit ist das Thema schon bekannt.
Im Vorfeld der neuen Messe IAA Mobility, die erstmalig in München stattfinden wird, sollen innovative Mobilitäts-Ansätze und digitale Vernetzungslösungen "zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland" vorgestellt werden.
TecTalk: Telefónica spricht mit Sixt: Kein Gesprächsabbruch
Im aktuellen Telefónica TecTalk haben o2 Chef Markus Haas und Alexander Sixt, Co-CEO des gleichnamigen Autovermieters SIXT mit einem Journalisten der Tageszeitung DIE WELT unterhalten. Das Interview fand "mobil statt" und die Mobilfunkverbindung ("nicht über 5G") ist - wie die Zeitung süffisant feststellt - nicht abgebrochen.
Auto = Smartphone auf vier Rädern?
Soll das Auto zum Smartphone auf Rädern werden, wird die Mobilfunkbranche gebraucht.
Haas findet einige Argumente: "Das fängt schon bei der Autoproduktion an, die in vernetzten Fabriken künftig über den Mobilfunkstandard 5G gesteuert wird, durch den sich deutlich effizienter fertigen lässt als über aktuelle Lösungen. Verlässt das Auto die Fabrik, wird es Software-Updates über unsere Netze bekommen. Wenn es in etwa zehn Jahren autonom fährt, läuft ein großer Teil der Steuerung über 5G. Wir als Mobilfunkanbieter sind ein zentraler Klebstoff in dieser Welt. Das gilt auch für die Verkehrsvermeidung: Mit den Daten aus unserem Netz können wir Mobilität effizienter machen und einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten."
Mobilfunker: Nur noch Infrastruktur?
Das provoziert die Frage, wie Sixt die Rolle der Mobilfunker sieht: Stellen sie nur eine Infrastruktur oder gibt es mehr?
Sixt hat eine sehr enge Partnerschaft, seitdem schon 2012 der Carsharing-Dienst DriveNow auf die Straße geschickt wurde. Damals sei es "revolutionär" gewesen, Fahrzeuge mit einem GSM-Modul auszurüsten und es den Kunden zu ermöglichen, sie darüber zu öffnen und zu schließen. Sixt will bis 2025 mehr als 80 Millionen Euro in Telemetrie investieren. Das bezieht sich zum einen auf Fahrzeugdiagnostik (wie geht es dem Auto, funktioniert alles korrekt?) aber auch auf den Zugang ("Türe öffnen und schließen") zum Fahrzeug.
5G muss flächendeckend ausgerollt werden
Alexander Sixt hat eine klare Vision: "Wenn wir in Deutschland nicht flächendeckend 5G ausrollen, werden wir beim autonomen Fahren keine Quantensprünge machen."
Die WELT stellt trocken fest: "Bisher sind eher Funklöcher das Problem."
Sixt pflichtet hier bei: "Ein lückenloses Netz ist immens wichtig. Wir stoßen heute zum Teil schon auf Probleme, im ländlichen Raum oder in Parkhäusern."
Autonomes Fahrzeug im Funkloch?
Stellt sich die Frage, ob ein autonomes Fahrzeug im Funkloch stehen bleiben würde.
Sixt hat dazu klare Vorstellungen: "Vorerst brauchen wir die regulatorischen Voraussetzungen seitens der Politik sowie die technischen Möglichkeiten in den Fahrzeugen. Die seitens der Automobilhersteller kommunizierten Planungen sehen hier einen Zeitraum zwischen 2024 bis 2028 vor. Bis dahin bleibt ausreichend Zeit, ein flächendeckendes 5G-Netz auf die Beine zu stellen."
Beobachter bleiben skeptisch.
Gegenseitiges Roaming für Mobilität?
Die WELT fragt, ob die Mobilfunknetze gegenseitig einspringen sollten, wenn ein autonomes Auto keinen Empfang hat?
Haas bestätigt das: "Im ländlichen Raum nutzen wir schon die Antennenstandorte gemeinsam. Die Netzabdeckung der Betreiber wird dort annähernd identisch sein. Wir sehen daher keine Notwendigkeit für ein nationales Roaming." Und verspricht: o2 werde bis 2025 ein deutschlandweites 5G-Netz bereitstellen.
Sixt: Netz muss Qualität haben
Für Sixt ist das Netz eine Qualitätsfrage, und er geht auf Nummer sicher: "Wir haben unsere Fahrzeuge mit zwei Mobilfunkmodulen ausgestattet, sodass wir wechseln können, wenn ein Netz nicht verfügbar ist." Welche Netze das sind, sagt Sixt im Interview nicht. Eines könnte o2 sein, das andere vielleicht die Telekom, möglicherweise auch Vodafone.
Aktuell transportieren die Mobilfunker nur Daten und Gespräche. Mit 5G sieht Haas die Chance, bei Privatkunden aber insbesondere auch bei Industriekunden einiges anzubieten, weil andere Service-Anforderungen gestellt werden, wenn es beispielsweise in die Produktionsvernetzung geht. o2 biete auch den Betrieb und die dahinter liegenden Cloud-Lösungen an. Das werde bereits mit der Industrie getestet.
Bereitet Starlink schlaflose Nächte?
Das Starlink-Angebot von Elon Musk hat sich o2 angesehen. "Die Antwortzeiten im Netz über Satellit sind sehr lang und aktuell noch nicht wirklich konkurrenzfähig. Es kann Lösungen für das autonome Fahren geben, bei denen sich unterschiedliche Technologien unterstützen, um eine Flächendeckung zu erreichen. Die Anforderungen von Privat- und Geschäftskunden an die Mobilfunknetze lassen sich derzeit aber nur mit Standards erfüllen, die über stationäre Mobilfunkstandorte betrieben werden", wiegelt Haas die Frage, ob er noch gut schlafe, ab.
Eigene Software ist entscheidend
Sixt entwickelt jede Software selbst und beschäftigt annähernd 1000 Programmierer. Man lebe davon, den richtigen Kunden das richtige Auto zum richtigen Preis zur Verfügung zu stellen. Das seien äußerst komplexe Systeme, die die Auslastung und Preissteuerung festsetzen, "die wir selbst kontrollieren müssen. Bereits eine um ein Prozent bessere Auslastung unserer Fahrzeuge bedeutet Millionen Euro mehr Ergebnis."
In der Sixt-App (für iOS oder für Android) gibt es die klassischen Mietwagen, Carsharing, Taxis oder Auto-Abos (Auto auf Miet-Basis). Die WELT fragt sich, ob die Kunden von Sixt analog zu Uber bald auch Essen bestellen oder Bus- und Bahnverbindungen suchen können.
Alexander Sixt rechnet vor: Seit 2019 können über die Sixt-App über 200.000 Fahrzeuge und mehr als 1,5 Millionen Fahrer gebucht werden. Dabei werden eigene Angebote wie Mietwagen und Carsharing mit Angeboten Dritter, wie beispielsweise Fahrdiensten, gekoppelt. Während das Carsharing-Geschäft am Wochenende besser läuft als in der Woche, ist es im Mietwagengeschäft genau umgekehrt.
Keine eigene Mobilitäts-App von o2
Für Markus Haas wäre eine Mobilitäts-App keine Möglichkeit, denn: "Wir sind keine Software-Schmiede und können diese Kompetenz auch niemals alleine aufbauen. Deswegen setzen wir eher auf die Innovationskraft einzelner Unternehmen, die wir dann gegebenenfalls als Partner in unser Ökosystem einbinden, und ermöglichen ihnen den Datenaustausch."
Sixt sieht das pragmatisch: "Wenn Sie unsere Mobilitätsplattform Ihren O2-Kunden zur Verfügung stellen wollen, sind wir sehr gern dazu bereit."
Haas stimmt dem zu: "Wir haben mit solchen Lösungen auch sehr gute Erfahrungen gemacht. o2 TV basiert auf der Software von waipu.tv, unsere Banking-App auf dem Produkt der Commerzbank. Damit können wir viele Dienste anbieten, ohne selbst die Software zu entwickeln."
5G und das E-Auto: Für mehr Energieeffizienz
Mit Blick auf die kommende Bundestagswahl hat Telefónica-Chef Markus Haas bei allen Parteien einen Grundkonsens erkannt, "dass Deutschland die beste Infrastruktur benötigt und eher noch mehr investiert werden muss." Er hat einen griffigen Vergleich: "Mit unseren Netzen sind wir das Trampolin für Industrie und Gesellschaft."
Um dann wiederholt vorzurechnen, dass jeder zweite Privatkunde heute schon das o2-Netz nutze. Seinen knapp über 45 Millionen Kunden möchte er noch mehr Möglichkeiten geben und gleichzeitig durch ein "energieeffizienteres 5G-Netz" seinen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten. Für Haas kann es nur eine Antwort geben: "Wir müssen die Frequenzen verlängern“, so Haas.
Mietwagen als Probefahrt für späteren Autokauf?
Auch Alexander Sixt hat klare Forderungen in Richtung Politik: „Ich würde mir wünschen, dass Multiplikatoren wie wir, die sehr viele Menschen in die Erfahrung der Elektromobilität bringen, stärker unterstützt werden. Denn am Ende des Tages wissen wir alle, dass kein Medium so gut ein Auto verkauft wie die private Probefahrt mit dem bezahlten Mietwagen. Wir sind ein Enabler der Elektromobilität in Deutschland.“
Datenschatz: Mehrwert und Chancen für Mobilität
Digitalisierung und Technologie können auch Teil der Lösung gegen den drohenden Verkehrskollaps im urbanen Raum werden. Viele Unternehmen setzen künftig auf hybride Arbeitsmodelle (= Büro und zu Hause gemischt). Dadurch könnte es zu einer Konzentration des Berufsverkehrs auf bestimmte Wochentage kommen, bei gleichzeitig verstärkter Nutzung individueller Verkehrsmittel (beispielsweise aus Angst vor ansteckenden Krankheiten). Hier könnten Mobilfunkdaten helfen. „Wir haben dem RKI bereits in der Corona-Krise Mobilitätsdaten anonymisiert geliefert. Solche Daten kann man natürlich auch nutzen, um Verkehrsprognosen zu erstellen“, stellt sich Haas vor. Bei SIXT sollen Daten im Sinne der Kunden genutzt werden: Alexander Sixt dazu: „Etwa ein Prozent Verbesserung der Auslastung über intelligenteres Flottenmanagement bedeutet für uns ein mehrere Millionen Euro höheres Ergebnis. Der entscheidende Punkt ist für uns also zu wissen, welches Fahrzeug zu welchem Zeitpunkt bei welchem Kunden zu stehen hat. Wir wollen ein intelligentes Angebot für viele Menschen ermöglichen – denn damit können wir eine kostengünstige Alternative zum eigenen Auto schaffen.“
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Ohne stabil und zuverlässig funktionierende und vor allen Dingen flächendeckende Netze sind all diese Vorstellungen schnell Makulatur. Seit Jahren wird der vollständige Ausbau versprochen und immer wieder kam irgend etwas dazwischen. Sei es absurd teure und nervtötende Versteigerungen oder die politisch naive Vorstellung, ein weiterer Mobilfunkanbieter könnte die bestehenden Probleme im Schlaf lösen und die Preise in Richtung Null-Tarif senken.
Erst wenn wirklich jede Milchkanne mit Netz versorgt sein wird, kann man guten Gewissens von einer digitalen Gesellschaft ausgehen. Und der Weg dahin ist noch weit.
Satelliten-Internet von Starlink & Co. kann eine interessante Alternative für fehlendes Internet sein, schnelle Glasfaser aber nicht ersetzen, findet der BREKO.