Zukunft

Haas: o2-Netz "Trampolin für Industrie und Gesellschaft"

Im Rahmen eines Tectalk disku­tierten Alex­ander Sixt, Co-Chef der gleich­namigen Auto­ver­mie­tung, und Markus Haas, Chef von o2, für eine Tages­zei­tung per Mobil­funk-Telefon-Konfe­renz: Die Verbin­dung hielt.
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Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G. Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G.
Fotos: o2/SIXT SE, Logo: o2, Montage: teltarif.de
Spre­chen wir über Mobil­funk, geht es dem Anwender um Netz­ver­sor­gung. Die Netz­betreiber schwärmen eher von der Zukunft, wo Mobil­funk überall verfügbar sein soll und dann für Dienst­leis­tungen aller Art genutzt werden kann.

Nur: Ohne gut funk­tio­nie­rende flächen­deckende Netze sind künf­tige Anwen­dungen wie das auto­nome Fahren oder auch das „Smart­phone auf Rädern“ kaum denkbar, stellt der Netz­betreiber Telefónica Deutsch­land (o2) in einer aktu­ellen Pres­semit­tei­lung zutref­fend fest.

Planungs­sicher­heit für neue Mobi­lität

Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G. Der Autovermieter (pardon Mobilitätsdienstleister) Sixt redet mit o2: Für die mobile digitale Zukunft braucht es überall 5G.
Fotos: o2/SIXT SE, Logo: o2, Montage: teltarif.de
Daher ist es kaum verwun­der­lich, dass sich die Mobil­funk­netz­betreiber aber auch Mobi­litäts­dienst­leister Planungs­sicher­heit bei der Gestal­tung der neuen Mobi­lität wünschen. Ein entschei­dender Hebel sei hierbei die Verlän­gerung von Mobil­funk­fre­quenzen. Hier­durch würden dem Markt nicht weiter durch kosten­inten­sive Verstei­gerungen die notwen­digen Inves­titi­ons­mittel für einen zügigen Netz­ausbau entzogen. Soweit ist das Thema schon bekannt.

Im Vorfeld der neuen Messe IAA Mobi­lity, die erst­malig in München statt­finden wird, sollen inno­vative Mobi­litäts-Ansätze und digi­tale Vernet­zungs­lösungen "zum Nutzen aller Bürge­rinnen und Bürger in Deutsch­land" vorge­stellt werden.

TecTalk: Telefónica spricht mit Sixt: Kein Gesprächs­abbruch

Im aktu­ellen Telefónica TecTalk haben o2 Chef Markus Haas und Alex­ander Sixt, Co-CEO des gleich­namigen Auto­ver­mie­ters SIXT mit einem Jour­nalisten der Tages­zei­tung DIE WELT unter­halten. Das Inter­view fand "mobil statt" und die Mobil­funk­ver­bin­dung ("nicht über 5G") ist - wie die Zeitung süffi­sant fest­stellt - nicht abge­bro­chen.

Auto = Smart­phone auf vier Rädern?

Soll das Auto zum Smart­phone auf Rädern werden, wird die Mobil­funk­branche gebraucht.

Haas findet einige Argu­mente: "Das fängt schon bei der Auto­pro­duk­tion an, die in vernetzten Fabriken künftig über den Mobil­funk­stan­dard 5G gesteuert wird, durch den sich deut­lich effi­zienter fertigen lässt als über aktu­elle Lösungen. Verlässt das Auto die Fabrik, wird es Soft­ware-Updates über unsere Netze bekommen. Wenn es in etwa zehn Jahren autonom fährt, läuft ein großer Teil der Steue­rung über 5G. Wir als Mobil­funk­anbieter sind ein zentraler Kleb­stoff in dieser Welt. Das gilt auch für die Verkehrs­ver­mei­dung: Mit den Daten aus unserem Netz können wir Mobi­lität effi­zienter machen und einen Beitrag zur Klima­neu­tra­lität leisten."

Mobil­funker: Nur noch Infra­struktur?

Das provo­ziert die Frage, wie Sixt die Rolle der Mobil­funker sieht: Stellen sie nur eine Infra­struktur oder gibt es mehr?

Sixt hat eine sehr enge Part­ner­schaft, seitdem schon 2012 der Carsha­ring-Dienst DriveNow auf die Straße geschickt wurde. Damals sei es "revo­lutionär" gewesen, Fahr­zeuge mit einem GSM-Modul auszu­rüsten und es den Kunden zu ermög­lichen, sie darüber zu öffnen und zu schließen. Sixt will bis 2025 mehr als 80 Millionen Euro in Tele­metrie inves­tieren. Das bezieht sich zum einen auf Fahr­zeug­dia­gnostik (wie geht es dem Auto, funk­tio­niert alles korrekt?) aber auch auf den Zugang ("Türe öffnen und schließen") zum Fahr­zeug.

5G muss flächen­deckend ausge­rollt werden

Alex­ander Sixt hat eine klare Vision: "Wenn wir in Deutsch­land nicht flächen­deckend 5G ausrollen, werden wir beim auto­nomen Fahren keine Quan­ten­sprünge machen."

Die WELT stellt trocken fest: "Bisher sind eher Funk­löcher das Problem."

Sixt pflichtet hier bei: "Ein lücken­loses Netz ist immens wichtig. Wir stoßen heute zum Teil schon auf Probleme, im länd­lichen Raum oder in Park­häu­sern."

Auto­nomes Fahr­zeug im Funk­loch?

Stellt sich die Frage, ob ein auto­nomes Fahr­zeug im Funk­loch stehen bleiben würde.

Sixt hat dazu klare Vorstel­lungen: "Vorerst brau­chen wir die regu­lato­rischen Voraus­set­zungen seitens der Politik sowie die tech­nischen Möglich­keiten in den Fahr­zeugen. Die seitens der Auto­mobil­her­steller kommu­nizierten Planungen sehen hier einen Zeit­raum zwischen 2024 bis 2028 vor. Bis dahin bleibt ausrei­chend Zeit, ein flächen­deckendes 5G-Netz auf die Beine zu stellen."

Beob­achter bleiben skep­tisch.

Gegen­sei­tiges Roaming für Mobi­lität?

Die WELT fragt, ob die Mobil­funk­netze gegen­seitig einspringen sollten, wenn ein auto­nomes Auto keinen Empfang hat?

Haas bestä­tigt das: "Im länd­lichen Raum nutzen wir schon die Anten­nen­stand­orte gemeinsam. Die Netz­abde­ckung der Betreiber wird dort annä­hernd iden­tisch sein. Wir sehen daher keine Notwen­dig­keit für ein natio­nales Roaming." Und verspricht: o2 werde bis 2025 ein deutsch­land­weites 5G-Netz bereit­stellen.

Sixt: Netz muss Qualität haben

Für Sixt ist das Netz eine Quali­täts­frage, und er geht auf Nummer sicher: "Wir haben unsere Fahr­zeuge mit zwei Mobil­funk­modulen ausge­stattet, sodass wir wech­seln können, wenn ein Netz nicht verfügbar ist." Welche Netze das sind, sagt Sixt im Inter­view nicht. Eines könnte o2 sein, das andere viel­leicht die Telekom, mögli­cher­weise auch Voda­fone.

Aktuell trans­por­tieren die Mobil­funker nur Daten und Gespräche. Mit 5G sieht Haas die Chance, bei Privat­kunden aber insbe­son­dere auch bei Indus­trie­kunden einiges anzu­bieten, weil andere Service-Anfor­derungen gestellt werden, wenn es beispiels­weise in die Produk­tions­ver­net­zung geht. o2 biete auch den Betrieb und die dahinter liegenden Cloud-Lösungen an. Das werde bereits mit der Indus­trie getestet.

Bereitet Star­link schlaf­lose Nächte?

Das Star­link-Angebot von Elon Musk hat sich o2 ange­sehen. "Die Antwort­zeiten im Netz über Satellit sind sehr lang und aktuell noch nicht wirk­lich konkur­renz­fähig. Es kann Lösungen für das auto­nome Fahren geben, bei denen sich unter­schied­liche Tech­nolo­gien unter­stützen, um eine Flächen­deckung zu errei­chen. Die Anfor­derungen von Privat- und Geschäfts­kunden an die Mobil­funk­netze lassen sich derzeit aber nur mit Stan­dards erfüllen, die über statio­näre Mobil­funk­stand­orte betrieben werden", wiegelt Haas die Frage, ob er noch gut schlafe, ab.

Eigene Soft­ware ist entschei­dend

Sixt entwi­ckelt jede Soft­ware selbst und beschäf­tigt annä­hernd 1000 Program­mierer. Man lebe davon, den rich­tigen Kunden das rich­tige Auto zum rich­tigen Preis zur Verfü­gung zu stellen. Das seien äußerst komplexe Systeme, die die Auslas­tung und Preis­steue­rung fest­setzen, "die wir selbst kontrol­lieren müssen. Bereits eine um ein Prozent bessere Auslas­tung unserer Fahr­zeuge bedeutet Millionen Euro mehr Ergebnis."

In der Sixt-App (für iOS oder für Android) gibt es die klas­sischen Miet­wagen, Carsha­ring, Taxis oder Auto-Abos (Auto auf Miet-Basis). Die WELT fragt sich, ob die Kunden von Sixt analog zu Uber bald auch Essen bestellen oder Bus- und Bahn­ver­bin­dungen suchen können.

Alex­ander Sixt rechnet vor: Seit 2019 können über die Sixt-App über 200.000 Fahr­zeuge und mehr als 1,5 Millionen Fahrer gebucht werden. Dabei werden eigene Ange­bote wie Miet­wagen und Carsha­ring mit Ange­boten Dritter, wie beispiels­weise Fahr­diensten, gekop­pelt. Während das Carsha­ring-Geschäft am Wochen­ende besser läuft als in der Woche, ist es im Miet­wagen­geschäft genau umge­kehrt.

Keine eigene Mobi­litäts-App von o2

Für Markus Haas wäre eine Mobi­litäts-App keine Möglich­keit, denn: "Wir sind keine Soft­ware-Schmiede und können diese Kompe­tenz auch niemals alleine aufbauen. Deswegen setzen wir eher auf die Inno­vati­ons­kraft einzelner Unter­nehmen, die wir dann gege­benen­falls als Partner in unser Ökosystem einbinden, und ermög­lichen ihnen den Daten­aus­tausch."

Sixt sieht das prag­matisch: "Wenn Sie unsere Mobi­litäts­platt­form Ihren O2-Kunden zur Verfü­gung stellen wollen, sind wir sehr gern dazu bereit."

Haas stimmt dem zu: "Wir haben mit solchen Lösungen auch sehr gute Erfah­rungen gemacht. o2 TV basiert auf der Soft­ware von waipu.tv, unsere Banking-App auf dem Produkt der Commerz­bank. Damit können wir viele Dienste anbieten, ohne selbst die Soft­ware zu entwi­ckeln."

5G und das E-Auto: Für mehr Ener­gie­effi­zienz

Mit Blick auf die kommende Bundes­tags­wahl hat Telefónica-Chef Markus Haas bei allen Parteien einen Grund­kon­sens erkannt, "dass Deutsch­land die beste Infra­struktur benö­tigt und eher noch mehr inves­tiert werden muss." Er hat einen grif­figen Vergleich: "Mit unseren Netzen sind wir das Tram­polin für Indus­trie und Gesell­schaft."

Um dann wieder­holt vorzu­rechnen, dass jeder zweite Privat­kunde heute schon das o2-Netz nutze. Seinen knapp über 45 Millionen Kunden möchte er noch mehr Möglich­keiten geben und gleich­zeitig durch ein "ener­gie­effi­zien­teres 5G-Netz" seinen Beitrag zu mehr Klima­schutz leisten. Für Haas kann es nur eine Antwort geben: "Wir müssen die Frequenzen verlän­gern“, so Haas.

Miet­wagen als Probe­fahrt für späteren Auto­kauf?

Auch Alex­ander Sixt hat klare Forde­rungen in Rich­tung Politik: „Ich würde mir wünschen, dass Multi­pli­katoren wie wir, die sehr viele Menschen in die Erfah­rung der Elek­tro­mobi­lität bringen, stärker unter­stützt werden. Denn am Ende des Tages wissen wir alle, dass kein Medium so gut ein Auto verkauft wie die private Probe­fahrt mit dem bezahlten Miet­wagen. Wir sind ein Enabler der Elek­tro­mobi­lität in Deutsch­land.“

Daten­schatz: Mehr­wert und Chancen für Mobi­lität

Digi­tali­sie­rung und Tech­nologie können auch Teil der Lösung gegen den drohenden Verkehrs­kol­laps im urbanen Raum werden. Viele Unter­nehmen setzen künftig auf hybride Arbeits­modelle (= Büro und zu Hause gemischt). Dadurch könnte es zu einer Konzen­tra­tion des Berufs­ver­kehrs auf bestimmte Wochen­tage kommen, bei gleich­zeitig verstärkter Nutzung indi­vidu­eller Verkehrs­mittel (beispiels­weise aus Angst vor anste­ckenden Krank­heiten). Hier könnten Mobil­funk­daten helfen. „Wir haben dem RKI bereits in der Corona-Krise Mobi­litäts­daten anony­misiert gelie­fert. Solche Daten kann man natür­lich auch nutzen, um Verkehrs­pro­gnosen zu erstellen“, stellt sich Haas vor. Bei SIXT sollen Daten im Sinne der Kunden genutzt werden: Alex­ander Sixt dazu: „Etwa ein Prozent Verbes­serung der Auslas­tung über intel­ligen­teres Flot­ten­manage­ment bedeutet für uns ein mehrere Millionen Euro höheres Ergebnis. Der entschei­dende Punkt ist für uns also zu wissen, welches Fahr­zeug zu welchem Zeit­punkt bei welchem Kunden zu stehen hat. Wir wollen ein intel­ligentes Angebot für viele Menschen ermög­lichen – denn damit können wir eine kosten­güns­tige Alter­native zum eigenen Auto schaffen.“

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Ohne stabil und zuver­lässig funk­tio­nie­rende und vor allen Dingen flächen­deckende Netze sind all diese Vorstel­lungen schnell Maku­latur. Seit Jahren wird der voll­stän­dige Ausbau verspro­chen und immer wieder kam irgend etwas dazwi­schen. Sei es absurd teure und nerv­tötende Verstei­gerungen oder die poli­tisch naive Vorstel­lung, ein weiterer Mobil­funk­anbieter könnte die bestehenden Probleme im Schlaf lösen und die Preise in Rich­tung Null-Tarif senken.

Erst wenn wirk­lich jede Milch­kanne mit Netz versorgt sein wird, kann man guten Gewis­sens von einer digi­talen Gesell­schaft ausgehen. Und der Weg dahin ist noch weit.

Satel­liten-Internet von Star­link & Co. kann eine inter­essante Alter­native für fehlendes Internet sein, schnelle Glas­faser aber nicht ersetzen, findet der BREKO.

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