o2-Netz & mehr: Tue Gutes und rede darüber?
Große Unternehmen haben heute ein Vorstandsmitglied, das sich um das Thema CSR = Corporate Social Responsibility kümmert. Das Thema ist komplex, weil selbst für Insider schwer abzuschätzen ist, wo Marketingsprech anfängt und was unterm Strich für das Unternehmen, seine Mitarbeiter, deren Kunden und die Umwelt herauskommt.
Responsible Business Plan 2025
Telefónica Deutschland, besser bekannt als o2, stellt nun seinen "Responsible Business Plan 2025" vor. Im Rahmen des 5-Jahres-Plans (das erinnert einige sicherlich an politisch andere Zeiten) seien insgesamt 76 Maßnahmen erarbeitet worden. Der Corporate Responsible Business Plan sei Steuerungsinstrument des Nachhaltigkeitsengagements zu verstehen.
o2 will konkrete Maßnahmen ergreifen, um spätestens 2025 mit dem "grünsten Netz klimaneutral" zu sein, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit zu stärken und allen Generationen die sichere Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen. Das klingt schon mal gut, aber die Damen und Herren beim Wettbewerb dürften ähnliche Ziele haben.
76 Maßnahmen geplant
Eine o2-Mobilfunkantenne in Frankfurt/Main
Foto: Telefónica Deutschland
Zurück zu o2: Der Plan listet 76 Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf, wohinter sich "bonusrelevante quantitative" und teils "qualitativ hinterlegte Ziele" verstecken. o2 versteht das als "neue Nachhaltigkeitsoffensive", die tief im Unternehmen verankert sei wie nie zuvor, und nennt vier Schwerpunktbereiche: „Umwelt & Klima“, „Produkte & Services“, „Mitarbeitende“ und „Gesellschaft“.
o2-Deutschland Chef Markus Haas stellt sich das so vor: „Die ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, denen Deutschland sich stellen muss, sind beispiellos. Ohne Digitalisierung sind diese nicht zu meistern." Womit er sicher recht hat. Und zieht den Schluss daraus: "Unsere Netze leisten einen Beitrag dazu, Klimaziele zu erreichen, soziale Teilhabe zu ermöglichen und den allgemeinen Wohlstand zu steigern."
Jeder zweite in Deutschland Kunde von o2
Schon heute nutzt jeder zweite in Deutschland das Netz von Telefónica, bei etwa 80 Millionen Einwohnern und rund 43 Millionen o2-Kunden.
o2 möchte "den Zugang zu einer nachhaltigen digitalen Zukunft demokratisieren“, formuliert Markus Haas seine Ziele.
Das Thema CSR liegt bei der Vorständin Valentina Daiber, die daran erinnert: „Nachhaltigkeitsmanagement ist seit 2005 fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Wir wurden dafür vielfach ausgezeichnet und konnten zunehmend gute bis sehr gute Bewertungen in Nachhaltigkeits-Ratings erreichen."
o2 will bis spätestens 2025 klimaneutral sein und will mehr nachhaltige Produkte und Dienstleistungen bieten. Außerdem will o2 seine Mitarbeiter und Kunden aller Generationen für die digitale Welt fit machen.
o2 will spätestens 2025 klimaneutral sein
Unter dem Thema „Umwelt & Klima“ will o2 durch 27 Maßnahmen den CO2-Ausstoß weiter senken. Zwischen 2015 und 2020 habe o2 diesen bereits um 39 Prozent gesenkt. Der Stromverbrauch pro Byte sank um 71 Prozent.
Seinen Strom bezieht das Unternehmen bereits seit 2016 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen (z.B. Wind und Wasserkraft). Bis 2025 soll der Stromverbrauch pro Byte gegenüber 2015 um mindestens 82 Prozent sinken.
Das soll über die 5G-Einführung, den 4G-Ausbau und die 3G-Abschaltung sowie Modernisierungen im Netz möglich werden. 5G verbraucht bis zu 90 Prozent weniger Strom pro Byte als die Vorgängergenerationen. Außerdem will Telefónica eine "höhere Grünstromqualität" haben, durch langfristige Stromabnahmeverträge mit Energieerzeugern, der Fachbegriff lautet "Power Purchase Agreements" und strebt "selbst erzeugten Strom" an.
Mehr Kreislaufwirtschaft
Netz und Produkte sollen noch mehr am Prinzip der Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden. So haben o2 (und seine Wettbewerber) die SIM-Karten "halbiert", was alleine bei o2 im Jahre 2020 11,5 Tonnen Plastikmüll vermeiden konnte. Für das Jahr 2021 sollen es 13,6 Tonnen vermiedener Plastikmüll werden. Eines späteren Tages könnten SIM-Karten komplett überflüssig werden, wenn sich das Prinzip eSIM auf breiter Fläche durchsetzen kann.
o2 hat über sein Handy-Recycling-Programm zugunsten des NABU (Naturschutzbund) im Jahr 2020 etwa 100.000 Altgeräte eingesammelt, dieses Jahr sollen es genauso viele sein. Auch Telekom und Vodafone bieten ähnliche Programme an.
o2 will bis 2025 komplett auf den Einsatz von nicht recyceltem Plastik in seiner eigenen Logistik (Lieferkette) verzichten.
Nachhaltigkeitsorientierte Produkte und Dienstleistungen
Mit 5G ist das so eine Sache: Die Technik braucht zunächst weniger Strom, es muss aber mehr Technik aufgestellt werden. o2 stellt sich vor, bis Ende 2021 mindestens 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zu erreichen.
Dazu formuliert Telefónica Deutschland / o2 insgesamt 16 Maßnahmen. Um die Netzabdeckung und –qualität weiter zu verbessern, will o2 den Aufbau (Roll-out) des 5G- und den Ausbau des 4G-Netzes fortsetzen. So soll die 5G-Versorgung der Bevölkerung Ende 2021 mindestens 30 Prozent betragen, Ende 2025 dann 100 Prozent.
Eine neue Kundensoftware mit dem schönen Namen "Medallia" soll flächendeckend jeden Kundenkontakt und jede Bestellung ("Customer Journey") protokollieren und analysieren, um Verbesserungspotenzial aufzudecken. Außerdem soll die Kundenzufriedenheit mit "mehr nachhaltigkeitsorientierten Produkten und Dienstleistungen" gestärkt werden. Im Rahmen der neuen Nachhaltigkeitsinitiative „Keep the Planet Blue“ startet das Unternehmen in Kürze ein Programm zum Ankauf und zur Wiedervermarktung gebrauchter Smartphones, was es bei den Wettbewerben bereits gibt.
Bei der Förderung von Startups über die Plattform Wayra Germany ist Nachhaltigkeit seit 2021 erstmalig ein "Fokus-Scouting-Thema". o2 will jährlich mindestens ein Start-up fördern, das sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt, die auch innovative Nachhaltigkeitsprojekte im eignen Unternehmen voranbringen. Auch hier ist o2 in guter Gesellschaft.
Qualifikation und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt
o2 möchte ein klimaneutraler Anbieter werden und hat ehrgeizige Ziele.
Karten Pawlik / Telefónica Germany
o2 möchte Mitarbeiter durch den Ausbau digitaler Kompetenzen langfristig beschäftigen.
Wer nicht nur mit o2 telefonieren, sondern dort auch arbeiten möchte: o2 will als attraktiver Arbeitgeber die digitale Arbeitswelt von morgen "vorantreiben". Das Unternehmen misst seine sieben geplanten Maßnahmen mit dem "Employee Net Promoter Score (eNPS)". Der lag Ende 2020 bei 53,8 und sei damit im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. Schon ein Wert über Null bedeutet, dass die Mehrheit der Mitarbeiter zufrieden ist und ihren Arbeitgeber weiterempfehlen würde. o2 möchte den Wert konstant bei oder über 40 halten.
Bis 2022 sollen mindestens 20 Prozent der Mitarbeitenden in "relevanten, digitalen und datenzentrierten Kompetenzen" weitergebildet sein. Interne Mobilität wird gezielt gefördert, bis 2022 sollen bis zu 70 Prozent neuer Stellen intern besetzt werden, 2020 waren dies noch 43 Prozent.
Hybridmodelle sollen Remote- und Vor-Ort-Arbeiten berücksichtigen und größtmögliche zeitliche Flexibilität erlauben, beispielsweise für Eltern.
Höchster Frauenanteil?
o2 strebt einen Frauenanteil in höheren Positionen von 30 Prozent (2022) und 33 Prozent bis 2024 an. Aktuell sind es knapp 28 Prozent. Der Anteil in der gesamten deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche liege bei "gerade mal 17 Prozent"
Geschäftsreisen wurden extrem reduziert, digitales Arbeiten ist Standard, das kommt der Umwelt zu gute, 2020 waren es 82 Prozent weniger. Für 2021 sollen es 52 Prozent weniger sein, 2022 sogar 70 Prozent. Die eingesparten Reisekosten sollen in die Weiterbildung der Mitarbeitenden investiert werden.
o2 will digitale Teilhabe und Kompetenzen fördern
Die "Demokratisierung des Zugangs" bedeutet, dass Menschen aller Bildungs- und Altersschichten möglichst günstigen Zugang zu möglichst viel Netz bekommen sollen. Ein Anti-Cybermobbing-Programm „wakeup.jetzt“, "Digital mobil im Alter" und die Unterstützung der Kunden bei digitalen Fragen sollen dazu führen, damit will o2 fast 10 Millionen Menschen erreichen.
Einer Online-Beratungsplattform der Cybermobbing-Hilfe e.V. soll in Kürze live gehen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wir haben versucht, die stark marketinggetriebenen Formulierungen von o2 etwas verständlicher zu machen. Nicht nur o2, sondern auch die Hauptkonkurrenten Vodafone und Telekom beschäftigen sich schon länger mit Corporate-Responsibility-Themen, man denke nur an die Radio und TV-Kampagne gegen Hass im Netz der Telekom. Der Vodafone-CEO Hannes Ametsreiter meldet sich auf Twitter und anderen Plattformen zu sozialen und Umwelt-Themen zu Wort. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Ältere Sendestationen haben einen höheren Stromverbrauch, die Technik hat gewaltige Fortschritte gemacht. Um die steigende Anzahl an Endgeräten (Handys, Smartphones, aber insbesondere Sensoren und Maschinen) im Netz geregelt zu bekommen, braucht es 5G. 5G findet viel mehr als früher auf reiner Softwarebasis statt, was Cloudspeicher und Server benötigt, die von Haus aus viel Strom brauchen. Würde man aber die alte Technik stehen lassen und nichts erneuen, käme es zu Überlast, und damit wäre auch nichts gewonnen.
Wenn das Leben künftig digitaler werden soll und muss, müssen auch die Netze massivst ausgebaut und weiterentwickelt werden. Und Kunden und Mitarbeiter müssen mitgenommen werden.
Es ist das Zauberkunststück zu vollbringen: Günstige Tarife, welche die Kunden überzeugen, bestes Netz, auch abseits der Trampelpfade und auch fürs Dauer-Homeoffice, Dauer-TV-Sessions oder schnelle Spiele und ein Arbeitsfeld, wo die Mitarbeiter Spaß haben und Höchstleistungen schaffen. Da ist o2 nicht alleine, aber täglich werden die Aufgaben neu verteilt.
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