Bayern: Weniger Funklöcher, besseres Netz
Wir hatten aus Schwabmünchen-Birkach (südlich von Augsburg) berichtet, wo Telefónica (o2) nach vier Jahren Vorbereitungszeit endlich einen Sendemast für Mobilfunk einschalten konnte. Zu diesem Termin war der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger gekommen und traf dort mit Telefónica-Chef Markus Haas zusammen. Schon damals kam man ins Gespräch.
Auf Einladung der Tageszeitung Merkur trafen sie sich wieder und diskutierten darüber, wie die Zukunft des Netzausbaus in Bayern aussehen könnte.
Bundesnetzagentur zählt Werte zusammen
Der Staatsminister für Wirtschaft Hubert Aiwanger (links) und Telefónica Chef Markus Haas im Gespräch auf gleicher Wellenlänge
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Regelmäßig misst die Bundesnetzagentur die Netzversorgung in Deutschland und erstellt daraus ihre Statistiken. Doch dem bayerischen Wirtschaftsminister war das nicht genau genug. Er schickte Messfahrzeuge des renommierten Technologie-Unternehmens Rohde & Schwarz auf bayerische Straßen, und weitere Teams reisten mit Mess-Technik per Zug durch das Bundesland.
Das Ergebnis verwundert nicht: Auf bayerischen Bahnstrecken und Landstraßen (gemessen wurden 3600 Kilometer Bahnstrecke und 900 km Bundesstraßen) gibt es noch deutliche Lücken in der Mobilfunkversorgung selbst mit LTE (4G). Nicht nur bei o2, sondern auch bei Vodafone und Telekom.
Aiwanger kennt die Auflagen der Bundesnetzagentur, die eine "hundertprozentige Versorgung mit LTE-Mobilfunk an Bahntrassen und Bundesstraßen vorsieht, wo es rechtlich und tatsächlich möglich ist." Und nicht nur das: "Die Strecken sind mit 100 Megabit pro Sekunde im Downstream zu versorgen." Aiwanger bringt das auf den Punkt: "Die Auflagen der Behörden wurden nicht erfüllt."
Nur 80 bis 90 Prozent versorgt?
Konkreter seien je nach Anbieter nur zwischen 80 und 90 Prozent der Versorgungsauflagen erfüllt worden. Aiwanger wirft der Bundesnetzagentur einen prinzipiellen Fehler vor: "Sie zählt am Ende alle Ergebnisse zusammen, mit unseren Messdaten käme man bei diesem Verfahren auf 96 Prozent Netzabdeckung." Und denkt realistisch: "Niemand hat drei SIM-Karten von den drei Anbietern im Handy. Daher ist es völlig sinnlos, alle Ergebnisse zu addieren."
Nun sind wir in Bayern, und da melden sich die Bürger direkt beim Minister und sagen: „Aiwanger, ich weiß genau, wenn ich mit dem Auto um die Kurve fahre, ist das Netz weg.“
Deshalb ist Aiwangers Forderung klar: "Jeder Anbieter muss die 100 Prozent Abdeckung im LTE-Netz erreichen."
Netzbetreiber sehen es anders
von links Minister Aiwanger, Bürgermeister Müller, Markus Haas, Stefan Hopperdietzel, Matthias Sauer (3x o2)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die betroffenen drei etablierten Netzbetreiber sehen das verständlicherweise anders.
Markus Haas erinnert daran, dass es bei den Auflagen der Bundesnetzagentur nicht nur um Autobahnen und Bahntrassen gegangen sei. 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland seien mit 100 MBit/s zu versorgen. Haas ist der Meinung, das erfüllt zu haben, auch auf den Bahnstrecken und Bundesstraßen.
Auf Nachfrage räumt Haas allerdings ein, auch für Bayern die Liste mit den weißen Flecken final erst im November 2021, also vor anderthalb Jahren, bekommen zu haben.
Im ländlichen Raum brauche es im Schnitt noch drei Jahren, bis ein neuer Sendemast läuft. Die Techniker von Rhode & Schwarz hätten übrigens mit einem "ambitionierteren Grenzwert, als die Netzagentur" gemessen.
Haas rechnete hingegen vor, dass in den vergangenen fünf Jahren die Netzabdeckung mit LTE von 77 Prozent auf 99 Prozent gestiegen sei, im 5G-Netz alleine im Jahr 2022 von 36 auf 88 Prozent. Von den bundesweit knapp 30.000 Mobilfunkmasten der Telefónica stünden alleine 6000 in Bayern, davon wurden 2000 in den letzten zwei Jahren installiert.
Bedenken gegen Sendemasten vor Ort
Das Team der Tageszeitung sprach den örtlichen Widerstand gegen neue Mobilfunkmasten an. Die hält Aiwanger für „bedauerliche Einzelfälle“. Haas bestätigt, dass die Akzeptanz im Zuge der Corona-Pandemie größer geworden sei, weil sich langsam herumspreche, wie wichtig eine digitale Grundversorgung ist.
Haas nannte aber auch Gemeinden wie Wirsberg in Oberfranken. Dort war es bisher nicht möglich, einen Sendemasten zu bauen, vor Ort gibt es deutlichen Widerstand.
In Schwabmünchen sah zeitweise auch kritisch aus, aber es konnte der weiße Fleck geschlossen werden. Von den Genehmigungen über den Bau hatte es vier Jahre gebraucht.
Minister Aiwanger erinnerte an das bayerische Mobilfunk-Förderprogramm. Trotzdem gäbe es Bürgermeister, die ihre Förderbescheide wieder zurückschickten, weil sie Angst vor Protesten der Bürger vor Ort haben. Er kenne 900 bayerische Gemeinden mit "weißen Flecken", nur 660 seien an einer Förderung interessiert.
Bauordnung könnte Besserung bringen
Haas hofft, dass die geänderte bayerischen Bauordnung schnell in Kraft tritt, dann könnten auch in besiedelten Gebieten höhere Antennen ohne zusätzliche Genehmigung gebaut werden. Im Außenbereich könnte ein Mobilfunkanbieter ohne Vorabgenehmigung auf eigenes Risiko bauen, wenn die zuständige Behörde den Bauantrag nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet hat. Sollte der Mobilfunkanbieter später keine Genehmigung bekommen, muss er zurückbauen, was eher selten der Fall sein dürfte. Aktuell werden die Standorte noch "nach 30 Jahre alten Regeln" gebaut.
Kompletter Turm kann 1 Million kosten
Interessante Zahlen legte Haas vor: Ein kompletter Turm koste im Schnitt rund eine Million Euro. Dachstandorte, z.B. in Städten, seien deutlich günstiger. Liegt eine Gemeinde in einem "weißen Fleck", übernehmen das Land über sein Förderprogramm einen Teil der Kosten.
Auch das Thema Huawei interessierte die Gastgeber. Haas betonte, dass Komponenten von Huawei vor allem im "dummen" Zugangsnetz genutzt würden, im Kernnetz sind es europäische Hersteller (z.B. Ericsson und Nokia). Sollte die Politik einen Antennenaustausch fordern, könnte es zu Verschlechterungen der Versorgung kommen, weil in dieser Zeit keine neue Mobilfunkversorgung gebaut werden könnte. Chinesische Anbieter sind in 350 von 400 Mobilfunknetzen weltweit verbaut, oft auch im Kernnetz, was in Deutschland nicht (mehr) der Fall ist. Haas bestätigte erneut, dass die Technik von Huawei "einen Tick besser als die der Europäer" funktioniere.
Spanien: 80 Prozent Glasfaser
Haas erinnerte daran, dass im Mutterland seines Unternehmens bereits 80 Prozent der Haushalte einen Glasfaseranschluss haben, in Deutschland sind es rund 25 Prozent.
Aiwanger findet, dass der diskutierte Glasfaserüberbau (erst baut der eine, dann der andere) keinen Sinn mache. Aiwanger plädiert dafür, dass in einer Gemeinde nur ein Anbieter bauen darf.
Lizenzversteigerungen abschaffen
Nicht nur das: Die Bundesnetzagentur solle die Versteigerung von Mobilfunklizenzen abschaffen, ergänzte Haas. Seit dem Jahr 2000 hätten die Mobilfunkanbieter rund 66 Milliarden Euro für Lizenzen ausgegeben, den größten Teil durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Für dieses Geld hätte im gleichen Zeitraum in Deutschland jeder Haushalt mit Glasfaser in "Top-A-Qualität" versorgt werden können.
Da ist Aiwanger auf seiner Seite. Es soll das Verfahren angewandt werden, das am meisten Erfolg verspricht. Statt auf Auktionen zu setzen, müsse die Bundesnetzagentur Ausbauziele formulieren und den Anbietern besser auf die Finger klopfen, falls diese die Ziele nicht erreicht werden.
Alle zwei Jahre müssen die Netzkapazitäten verdoppelt werden, rechnete Haas vor. Seitdem S- und U-Bahn-Strecken mit schnellem Mobilfunk versorgt werden, steige der Videokonsum spürbar.
5G oder 6G?
Immer mehr Kunden nutzen 5G, die Zyklen hätten sich verkürzt: Für den Ausbau mit LTE wurden zehn Jahre gebraucht, für 5G denkt Haas, in weniger als fünf Jahren so weit zu sein. Haas kündigte an, dass 6G "bis zum Ende des Jahrzehnts" kommen werde.
Aiwanger erinnerte an seine "6G-Initiative" die gemeinsam mit der TU München und der Industrie gestartet wurde. Die Befürchtung, dass bei 6G "alle 30 Meter eine Antenne in der Landschaft stehen" werde, sei unbegründet. Vielleicht sind diese Antennen in Zukunft deutlich kleiner und weniger auffällig.
In Frankfurt baut Vodafone der Uniklinik ein 5G-Indoor-Netz auf.