Keine Auktion

Win-Win-Situation: o2-Chef pocht auf Frequenzverlängerung

Ca. alle fünf Jahre verstei­gert der Bund Frequenzen für Handy­netz­betreiber. Die nächste Auktion könnte ausfallen, obwohl der Staat Milli­arden hätte einnehmen können.
Von mit Material von dpa

In einer Debatte, deren Ergebnis für die künf­tigen deut­schen Handy­netze wegwei­send ist, hat o2-Chef Markus Haas seine Forde­rung nach einer Verlän­gerung der jetzigen Nutzungs­rechte um acht Jahre erneut bekräf­tigt. "Wenn wir keine Verlän­gerung bekommen, haben wir keine Planungs­sicher­heit, um die letzten Versor­gungs­lücken schließen und alle Menschen in Deutsch­land mit 5G versorgen zu können", sagte der Vorstands­vor­sit­zende von Telefónica Deutsch­land (o2) der dpa in München. Die Qualität aller deut­schen Netze würde leiden, sollte es im nächsten Jahr eine Auktion geben - es gebe zu wenig Spek­trum, um es unter vier Firmen zu verteilen.

Frequenzen wurden zeit­ver­setzt vergeben

o2 Chef Markus Haas schlägt eine Frequenzverlängerung um 8 Jahre vor und verspricht im Gegenzug besseren Netzausbau. Auch 1&1 würde profitieren. o2 Chef Markus Haas schlägt eine Frequenzverlängerung um 8 Jahre vor und verspricht im Gegenzug besseren Netzausbau. Auch 1&1 würde profitieren.
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Die Mobil­funker nutzen für ihre Handy­netze unter­schied­liche Frequenz­bänder, deren Nutzungs­rechte bisher zeit­ver­setzt verstei­gert wurden. 2019 hatte es die bisher letzte Auktion gegeben, bei der sich die Branche zur Zahlung von 6,6 Milli­arden Euro verpflich­tete. Erst­mals seit langer Zeit griffen nicht nur die drei etablierten Anbieter Deut­sche Telekom, o2 Telefónica und Voda­fone zu, sondern auch der Neuein­steiger 1&1.

Nächste Auktion 2024 oder 2033?

2024 soll eigent­lich die nächste Auktion statt­finden. Aller­dings gibt es dann zu wenig Frequenzen ("Spek­trum"), als dass es gut durch vier teilbar wäre. Deshalb hatte die Bundes­netz­agentur einen Verzicht vorge­schlagen.

Nach­teile für 1&1?

Dieser Verzicht wäre aber für den Neuein­steiger 1&1 ungünstig, der für sein bisher sehr kleines Mobil­funk­netz früher oder später Zugriff auf weitere Frequenz­bänder braucht. Final will die Bundes­behörde im Früh­jahr 2024 entscheiden.

1&1 pocht auf "eine ange­mes­sene Frequenz­aus­stat­tung", wie es eine Firmen­spre­cherin formu­liert. Als man 2019 erst­mals an der Auktion teil­genommen und sich zur Zahlung eines Milli­arden­betrags verpflichtet habe, war in den Verga­bebe­din­gungen "der spätere Zugang zu weiteren Frequenzen fest veran­kert". Alles andere wäre "recht­lich angreifbar und würde einen fairen Wett­bewerb verei­teln".

Bundes­kar­tellamt auf der Seite von 1&1

Das Bundes­kar­tellamt steht in der Debatte auf der Seite von 1&1. Die Wett­bewerbs­hüter warnen vor einer Verlän­gerung, da sie nega­tive Folgen für den Wett­bewerb und somit für die Verbrau­cher befürchten. Auch die Mono­pol­kom­mis­sion hat Sorgen­falten, sieht mangels Alter­nativen aber keine bessere Lösung - sie ist nur für eine Verlän­gerung um drei Jahre, damit der Nach­teil für 1&1 gering bleibt.

Vorerst keine Flächen­deckung bei 1&1?

o2-Chef Haas weist darauf hin, dass 1&1 in diesem Jahr­zehnt ohnehin keine echte Flächen­ver­sor­gung anstrebe. Das Unter­nehmen aus Monta­baur will bis Ende 2030 mit seinen Antennen mindes­tens 50 Prozent der deut­schen Haus­halte errei­chen. Dort, wo 1&1 nicht selbst funkt, werden die Kunden bisher noch mit dem Netz von o2 verbunden und künftig mit dem Netz von Voda­fone, dies mit soge­nanntem "National-Roaming". "Würden die Nutzungs­rechte der drei Netz­betreiber bis Ende 2033 verlän­gert, wäre eine echte flächen­deckende Versor­gung möglich", sagt Haas. "1&1 würde über das National Roaming eben­falls profi­tieren - das wäre eine Win-Win-Situa­tion."

BNetzA schlägt Verschie­bung um 5 Jahre vor

Laut Vorschlag der Bundes­netz­agentur sollen die Nutzungs­rechte um fünf Jahre verlän­gert werden. Die etablierten Netz­betreiber müssten nied­rige Gebühren zahlen und sich dazu verpflichten, in dünn besie­delten Gebieten mindes­tens 98 Prozent der Haus­halte mit einer Down­load­rate von 100 Megabit pro Sekunde errei­chen. Bisher gibt es so eine speziell auf das Land zuge­schnit­tene Regel nicht, sie würde die Situa­tion in Dörfern und Ortschaften verbes­sern.

Alle Bundes­straßen mit 100 MBit/s

Außerdem soll jeder Netz­betreiber alle Bundes­straßen mit 100 Megabit pro Sekunde versorgen müssen - bisher gilt die Vorgabe nur für die Branche insge­samt: Wenn ein Anbieter auf einer Strecke mal kein Netz bietet, fällt das in den Auflagen nicht negativ ins Gewicht, wenn die anderen Netz­betreiber funken.

Haas verspricht, schär­fere Regeln zu erfüllen

Das aller­dings bringt einem Kunden des einen Anbie­ters nichts, er hat trotzdem kein Netz. Auf die Frage, ob o2 die Regel­ver­schär­fung erfüllen könnte, sagte Firmen­chef Haas: "Wenn das die Auflage ist, werden wir sie erfüllen."

Damit seien Inves­titionen verbunden und die Mithilfe von anderen Akteuren sei nötig, etwa von der Bahn und von Behörden. "Wir müssen die Zusam­men­arbeit mit der Bahn inten­sivieren, um auch wirk­lich in allen Tunneln guten Mobil­funk zu haben." Mancher­orts sei es derzeit schlicht nicht möglich, Antennen zu instal­lieren. "Es gibt noch Tunnel aus der Kaiser­zeit, die unter Denk­mal­schutz stehen und in die wir keine Kabel verlegen dürfen."

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Es ist eine einfache Rech­nung: Wenn die Frequenzen jetzt neu verstei­gert werden, freut sich maximal Finanz­minister Lindner, aber das dorthin verpul­verte Geld fehlt weiter für den Netz­ausbau. Punkt! Und löch­rige Netze kosten den Kunden am Ende mehr Geld, weil er eine zweite oder dritte SIM-Karte unter­halten, sprich extra bezahlen muss. Das sollte dem Kartellamt auch klar sein.

Ja: 1&1 ist mit seinem Netz­ausbau im Rück­stand, hat aber (mindes­tens) 18 Jahre Zeit, sich auf seinen genialen Roaming-Deal mit Voda­fone abzu­stützen. Von daher wäre es ein gang­barer Kompro­miss, 2024 keine Verstei­gerung durch­zuführen, wohl aber den etablierten Netz­betrei­bern beim Ausbau mehr auf die Finger zu schauen und im Gegenzug alle büro­kra­tischen Hürden im Land zu besei­tigen.

Als da wären: Eine Geneh­migungs­fik­tion: Netz­betreiber dürfen ihre Sende­masten sofort bauen, mit der Option, dass im gerichts­fest begrün­deten Einzel­fall ein Mast später nach­gerüstet oder nur im abso­luten Ausnah­mefall wieder abge­baut werden muss.

Denk­mal­schutz ist richtig und wichtig, aber auch in einem Eisen­bahn­tunnel aus der Kaiser­zeit muss es möglich sein, Kabel zu verlegen oder Antennen zu montieren, ohne, dass der opti­sche Eindruck darunter leidet.

Die Zusage von Haas, dass gebaut wird, wenn es verpflich­tend ist, ist auch Signal an den Mutter­kon­zern Telefónica in Madrid, beim Netz­ausbau auf keinen Fall zu sparen, sondern im Gegen­teil, die Inves­titionen in das o2-Telefónica-Netz in Deutsch­land einschließ­lich Back­bone und IT-Systemen wieder zu erhöhen. Und auch an Voda­fone Plc in London, es mit dem Spar­zwang nicht zu über­treiben oder viel­leicht seinen deut­schen Ableger lang­fristig viel­leicht an 1&1 zu verkaufen.

Mittel- bis lang­fristig muss die Frage auf den Tisch, ob vier flächen­deckende Netze wirt­schaft­lich und tech­nolo­gisch sinn­voll sind oder ob es künftig nicht auch reine Netz­betreiber-Gesell­schaften geben könnte, die dann gar keine Endkunden mehr haben, sondern nur noch "Service-Provider" belie­fern und somit mehr Flächen­deckung erzielen als bisher. Ein Service-Provider könnte sich dann über­legen, bei welchen Netz­gesell­schaften er dann Netz­abde­ckung buchen möchte. Weniger Netz könnte weiter güns­tiger sein, wer volles Netz will, zahlt - wie heute schon - ein klein wenig mehr.

Jede Woche geben wir einen Über­blick über den Netz­ausbau im Land.

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