BREKO: Internet per Satellit ist keine Alternative
Trotz aller vollmundigen Versprechungen: Von einem flächendeckenden schnellen Internet sind wir in Deutschland noch meilenweit entfernt. Da klingen die Angebote für Satelliteninternet, wie sie die US-Raumfahrtunternehmen SpaceX, die britische Firma Oneweb oder der Handelsgigant Amazon zukünftig weltweit anbieten wollen, verlockend.
Auch in der aktuellen politischen Diskussion rückt das Internet aus dem All zunehmend ins Blickfeld. Eine vom Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) in Auftrag gegebene Studie der Technischen Hochschule Mittelhessen hat nun die Leistungsfähigkeit von Satelliteninternet nach dem Konzept von Starlink untersucht.
Satelliten keine Alternative für Glasfaser
Was vor wenigen Jahren noch schwer vorstellbar war, ist mittlerweile auch in Deutschland Realität geworden: Über Satellitennetzwerke wie Starlink sollen zukünftig weltweit Breitband-Internetzugänge zur Verfügung gestellt werden.
Seit März 2021 laufen Beta-Tests in ausgewählten Regionen Deutschlands. Stand Mitte 2021 verwendeten nach Angaben von Starlink bereits 69.000 Nutzer das Angebot. Bis Mitte 2022 rechnet das von dem Tesla-Gründer Elon Musk gestartete Unternehmen mit bis zu einer halben Million Kunden weltweit.
Steigende Anforderungen an Infrastruktur
Wo noch es keine schnelle Leitung gibt, könnte Internet per Satellit eine Option sein. Vielleicht
Fotos: Filiago/teltarif.de, Logo: Breko: Montage: teltarif.de
Dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur wachsen, hatte die "Marktanalyse21" des BREKO gezeigt. So erhöhte sich das durchschnittlich pro Anschluss und Monat übertragene Festnetz-Datenvolumen allein im vergangenen Jahr um mehr als 40 Prozent. Diesen Trend spiegelt auch die weiter steigende Nachfrage nach hochbitratigen Anschlüssen wider.
Bereits ein Drittel aller Kunden buchten im Jahre 2020 Internetanschlüsse mit einer möglichen Spitzen-Datenrate über 100 MBit/s. Mehr als eine Million Kunden entschieden sich bereits für Anschlüsse mit Datenraten von 1 GBit/s oder noch mehr, sofern möglich.
Politik möchte schnelle Lösungen
Auch die Politik möchte "schnelle Lösungen", die sich möglichst sofort realisieren lassen. So hat das für den Ausbau der digitalen Infrastruktur zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Anfang Juni 2021 einen „Digitalisierungszuschuss“ in Form einer Förderung von Internetanschlüssen in Einzel- und Randlagen über eine nicht-leitungsgebundene Internetanbindung, wie beispielsweise über Satellit, angekündigt.
Beispielsweise in Regionen wie dem Ahrtal oder in Teilen von Nordrhein-Westfalen wurde buchstäblich über Nacht die komplette terrestrische Infrastruktur "weggespült". Hier wurden Testsysteme von Starlink installiert und sorgten "über Nacht" für Netzanbindungen. Allerdings hat auch der Netzbetreiber Telekom in Rekordzeit sein Mobilfunknetz wieder instand gesetzt und verstärkt und ist derzeit dabei so viele Festnetzverbindungen wie möglich wieder nutzbar zu machen.
Was kann der Satellit bieten?
Könnte Satelliteninternet eine Alternative für Glasfasernetze bis in die Gebäude (FTTB) oder Wohnungen (FTTH) in Deutschland sein? Der BREKO hat sich fachkundigen Rat geholt: Prof. Dr. Kristof Obermann von der Technischen Hochschule Mittelhessen hat die Leistungsfähigkeit von satellitengestützten Breitbandnetzen technisch untersucht und mit der Leistungsfähigkeit von terrestrischen Glasfaseranschlüssen verglichen.
Die Studie orientierte sich dabei an den Parametern des Starlink-Satelliten-Konzepts.
Die wesentlichen Ergebnisse
- Über das Satellitennetzwerk Starlink lässt sich keine flächendeckende Versorgung der deutschen Haushalte mit Bitraten von mindestens 100 MBit/s im Download erreichen. (Typische Werte liegen zwischen 50 MBit/s und 100 MBit/s).
- Selbst bei optimistischen Annahmen ließen sich über Starlink maximal 1,3 Millionen 100-MBit/s-Anschlüsse oder 130.000 Gigabit-Anschlüsse in Deutschland realisieren. Die Upstream-Bitraten entsprechen dabei maximal 30 bis 40 Prozent der Downstream-Bitraten. Starlink verspricht auch nur maximal 100 MBit/s im Downstream.
- Satelliteninternet ist keine Alternative für Glasfaseranschlüsse bis in die Gebäude und Wohnungen. Mit Glasfaseranschlüssen können Bitraten von 1 GBit/s, 10 GBit/s und künftig sogar noch höhere Bitraten (100 GBit/s, 400 GBit/s) sowohl im Up- als auch im Downstream realisiert werden. Das sind technisch mögliche Werte, die im Moment noch absolute Zukunftsmusik sind.
BREKO sieht auch Vorteile
Trotz der Nachteile gegenüber Glasfasernetzen handelt es sich bei dem Starlink-Netz um ein technologisch sehr interessantes Netz, stellt die Studie fest und sieht Starlink für weltweite und flächendeckende Versorgung von Gegenden mit geringer Bevölkerungsdichte gut geeignet.
Das könnten zum Beispiel ländliche Gebiete, Weltmeere, Arktis, Antarktis, Wüsten, Steppen, Weideflächen oder Gebirge sein. Falls eine Sichtverbindung zum Satelliten möglich ist: auch Wälder.
Satellit als Ergänzung
Das Starlink-Netz könne auch in Deutschland als Ergänzung zu bestehenden Breitbandtechnologien einen wichtigen Beitrag leisten, mit dem Haushalte eine Grundversorgung und digitale Teilhabe erhalten, die ansonsten auch in den nächsten Jahren weder eigenwirtschaftlich noch mit dem Einsatz von staatlichen Fördermitteln erschlossen werden könnten, räumt die Studie ein.
Die Stärke des Starlink-Netz liege weniger in der bereitgestellten Kapazität als vielmehr in der globalen Vernetzung sehr vieler Endgeräte.
Zwar sei noch nicht absehbar, ob und wann Starlink sein Endausbauziel von insgesamt knapp 42.000 Satelliten im Weltall erreichen werde. Notwendig seien Verfügbarkeit und Genehmigungen der entsprechenden Umlaufbahnen und Frequenzen für die Daten- und Telemetrieverbindungen. Die Studie ging aber trotzdem davon aus, dass alle etwa 42.000 Satelliten ins All gebracht werden können.
BREKO sieht Glasfaser als unverzichtbar
Für den BREKO, als Interessenverband der Glasfaser-Netzausbau-Unternehmen, ist heute schon klar: "Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass Glasfaser als digitale Infrastruktur alternativlos ist. Der Glasfaserausbau muss deshalb auch weiterhin politisch höchste Priorität haben, um eine zukunftssichere und nachhaltige Basis für die Digitalisierung Deutschlands zu schaffen. Gleichzeitig liefert die Studie wichtige Erkenntnisse, was Satelliteninternet leisten kann."
Zugleich sieht der BREKO, dass Bürger in sehr ländlichen oder besonders dünn besiedelten Gegenden digitale Teilhabe haben sollen. Hier könne das Internet aus dem All sinnvoll als Brückentechnologie eingesetzt werden.
Auch im Katastrophenfall, wie jüngst bei der Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, könne Satelliteninternet schnell helfen, um die Internetanbindung sicherzustellen.
Nachhaltigkeit im Blick behalten
Wichtig sei aber auch, dass bei aller Euphorie über Starlink das Thema Nachhaltigkeit im Blick bleibt. Bisher ist unklar, welche Auswirkungen die vielen tausend geplanten Satelliten haben werden und was mit diesen nach deren Betriebszeit passiert, betonte BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers.
Prof. Dr. Kristof Obermann von der Technischen Hochschule Mittelhessen bleibt gelassen: "Satelliteninternet wie beispielsweise Starlink stellt für das Geschäftsmodell von Telekommunikationsfirmen keine Bedrohung dar. Die Stärke derartiger Netze liegt weniger in der bereitgestellten Kapazität als vielmehr in der globalen Vernetzung sehr vieler Endgeräte mit moderaten Bitraten aber geringen Latenzen bei hinreichend großen Entfernungen. Die wirtschaftliche, politische und auch militärische Bedeutung des Satelliteninternets sollte daher nicht unterschätzt werden."
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Bei Internet über Satellit muss man zwei Systeme unterscheiden: Die geostationären Angebote, wo ein Satellit "fest" am Himmel geparkt ist - meist in 36.000 km Höhe. Das sorgt für unglaublich hohe Ping-Werte. Darüber kann man E-Mails senden und empfangen und auch Bilder oder Filme herunterladen, aber schnelle Computerspiele oder interaktive Dinge wie Videokonferenzen sind damit nicht machbar.
Dann gibt es die Systeme im niedrigen Orbit (LEO) wie das System Starlink, das überall da, wo es schon geht, ein echter Segen für die Anwender sein kann. Schüssel bestellen, aufbauen und die Verbindung funktioniert sogar. Wie das aussehen wird, wenn immer mehr Nutzer in das Netz einsteigen, ist schwer vorherzusagen. Genauso wenig ist bekannt, ob es am Himmel auf die Dauer nicht "zu voll" wird oder was passiert, wenn zwei Satelliten zusammenstoßen. Beiden Satelliten-Systeme ist eines gemeinsam: Der Anschluss ist bei Aufbau und Betrieb relativ teuer.
Mit der Einschätzung, dass terrestrische Glasfaser leistungsfähiger ist, liegt der BREKO richtig. Das momentane Ausbautempo muss beibehalten oder eher verstärkt werden. Dabei sind Doppelausbauten (sogar und gerade in der Provinz) unbedingt zu vermeiden.
Wichtig ist, dass das schnelle Internet möglichst zügig in die Fläche zu den Menschen kommt, die darauf angewiesen sind. Hier müssen Orte frühzeitig benannt werden, damit sich die Kunden darauf einrichten können und bürokratische Hindernisse aller Art vorher beseitigt werden. Nur bei der Ausbauqualität darf nicht gespart werden.