Editorial: Das letzte Funkloch wird nie verschwinden
Zeigt das Handy "Kein Netz" an, steckt der Nutzer in einem Funkloch. Wird das nie aufhören?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Mobilfunk-Netzausbau ist eine Sisyphos-Arbeit: Wenn man hinten endlich
fertig ist, muss man vorne schon wieder anfangen. Grund dafür sind
die Nutzer, deren Datenhunger sich etwa alle zwei Jahre verdoppelt.
Zwar reduzieren sich die Kosten für Mobilfunktechnik in etwa derselben
Geschwindigkeit, aber das macht vorausschauenden Netzausbau
unrentabel: Wer heute schon ausreichend Netzkapazität für morgen
installiert, der muss dafür dann auch die Preise von heute zahlen.
Wer hingegen mit dem Netzausbau wartet, bis die Leistung wirklich
benötigt wird, kann dann günstiger kaufen. Der Nachteil dieser reagierenden
Lösung ist natürlich, dass zwischen dem Volllaufen einer Zelle und der
anschließenden Erweiterung immer mehr oder weniger Zeit vergeht,
während der die Nutzer im Datenstau stecken.
Alle zehn Jahre kommt dann noch ein Update des Mobilfunkstandards obendrauf: Rund um die Jahrtausendwende 3G, ca. 2010 dann 4G und derzeit natürlich 5G. Neue Standards bedeuten fast immer auch neue Antennen, was an bestehenden Standorten aber nicht immer einfach ist: Mancher Mast kann nur eine bestimmte Zahl an Antennen tragen, oder die Anwohner beklagen sich ob des zusätzlichen Elektrosmogs. Gerade in ländlichen Gebieten können Genehmigungsverfahren ewig dauern, wenn der lokale Großbauer zwar über viel Einfluss in der Politik und viele Finanzmittel für den Streit vor Gericht, aber wenig Einsicht in den Nutzen des Mobilfunks verfügt.
Netzausbau ist nie perfekt
Zeigt das Handy "Kein Netz" an, steckt der Nutzer in einem Funkloch. Wird das nie aufhören?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Angesichts der genannten Probleme ist es gewagt, wenn nicht gar
vermessen, wenn
Telefónica-Chef Markus Haas dennoch die Beseitigung
aller, wirklich aller Funklöcher bis Ende 2024
verspricht. Zwar ist
es wirklich sehr lobenswert, wenn Telefónica zusammen mit
Telekom und
Vodafone "bis zu"
6 000 gemeinsam genutzte Basisstationen in ehemaligen Funklöchern
aufbauen
wollen. Hinzu kommen weitere 5 000 Standorte, die der Bund
finanziert. Nur: Auch danach wird es viele Löcher im Netz von o2 geben.
Sei es, dass ein von der "Bürgerwelle" beeinflusster Richter einen
wichtigen Standort vom Netz nimmt, sei es, dass an einem o2-Funkloch
Telekom und Vodafone die Kooperation für einen gemeinsamen Ausbau
ablehnen, weil sie schon selber vor Ort sind, sei es, dass mal wieder
der Datenverkehr in einer Region so schnell wächst, dass
nichts mehr geht.
Begrüßenswert ist, dass o2 den neuen 5G-Standard bis 2025 bundesweit ausgebaut haben will, also fünf Jahre nach dem Start. Bei 4G hat o2 dafür noch zehn Jahre benötigt. Nur auch hier gilt: Wenn sie dann 2025 tatsächlich mit 5G fertig sind, werden so viele Standorte bereits am Kapazitätslimit arbeiten, sodass die Netztechniker sich mitnichten groß werden ausruhen können. Ca. 2028 kommt dann 6G. Geforscht wird an dem 5G-Nachfolger bereits seit Jahren.